LG Bonn, Urteil vom 12.08.2009 - 5 S 43/09
Fundstelle
openJur 2011, 69767
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 C 690/08
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Erstattung von Beerdigungskosten.

Die - von Person unbekannten - Kläger sind die Rechtsnachfolger des zwischen dem 16.01. und 21.01.2008 verstorbenen Herrn W und werden durch den gerichtlich bestellten Nachlasspfleger vertreten. Die Beklagte ist die Bank, bei der der Erblasser bis zu seinem Tod ein Girokonto unterhielt.

Mit Schreiben vom 23.01.2008 informierte die Stadt N die Beklagte über den Tod des Erblassers. Sie übersandte die Bankkarte zum Girokonto, erklärte, dass die Bestattung durch das Ordnungsamt veranlasst werde und gab an, dass die Kosten sich auf "ca. 1.190 €" belaufen würden. Sie bat die Beklagte, das Konto aufzulösen und ein eventuelles Guthaben auf ein Konto der Stadt zu überweisen. Daraufhin kehrte die Beklagte das zum Todeszeitpunkt bestehende Kontoguthaben in Höhe von 514,60 € an die Stadt N aus.

Dieser Betrag ist Gegenstand der Klage. Die Kläger begehren die Herauszahlung des Betrages aus dem Girovertrag. Sie meinen, die Auszahlung an die Stadt N sei unberechtigt erfolgt. Außerdem habe noch überhaupt keine Schuld der Kläger zur Begleichung der Bestattungskosten bestanden, da diese nach den öffentlichrechtlichen Vorschriften durch Verwaltungsakt festzusetzen seien. Schließlich seien den Klägern durch die Auskehrung ohne ein Verwaltungsverfahren Einwendungen abgeschnitten worden. Insbesondere hätten sie die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhoben, da vorrangig die Kosten der Nachlasspflegschaft aus dem ansonsten mittellosen Nachlass zu begleichen gewesen wären. Daher sei die Auszahlung auch nicht im Interesse der Kläger gewesen.

Demgegenüber wendet die Beklagte ein, dass die Zahlung die Kläger von einer unstreitigen Verbindlichkeit befreit habe. Die Zahlung sei daher als berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag einzustufen. Jedenfalls seien die Kläger in Höhe des Zahlbetrages bereichert. Vorsorglich hat die Beklagte die Aufrechnung mit sämtlichen ihr zustehenden Ansprüchen gegen den Nachlass erklärt.

Das Amtsgericht hat die Klageforderung mit Ausnahme der Nebenforderung zugesprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Beklagte eine ihr etwaig zustehende Gegenforderung jedenfalls nicht in banküblicher Weise erlangt habe, so dass eine Verrechnung mit der Guthabenforderung des Kunden nicht zulässig gewesen sei.

Mit der vom Amtsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Berufung. Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihre erstinstanzlichen Rechtsausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene Urteil und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Auskehrung des zum Zeitpunkt des Todes bestehenden Kontoguthabens verurteilt. Denn das Kontoguthaben besteht noch und die Beklagte hat keine aufrechenbaren Gegenansprüche.

1.

Die Kläger können als Rechtsnachfolger des Erblassers gem. § 1922 BGB in Verbindung mit dem Girovertrag die Auszahlung des Kontoguthabens fordern. Das Kontoguthaben ist nicht durch die Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages an die Stadt N gemindert worden. Insoweit ist der Beklagten kein Auftrag von einem Berechtigten des Kontos erteilt worden. Die bloße Übersendung der Bankkarte durch die Stadt N führte nicht dazu, dass die Bitte auf Auskehrung des Kontoguthabens berechtigt gewesen wäre. Die Kläger haben als Rechtsnachfolger des Erblassers keinen Auftrag und keine Genehmigung für die Überweisung erteilt.

2.

Der Beklagten stehen auch keine Gegenansprüche zu, mit denen sie die Aufrechnung erklären könnte.

a)

Ein Gegenanspruch ergibt sich nicht aus Ziff 14 Abs. 2 der AGB der Beklagten. Nach dieser Regelung soll das Pfandrecht der Beklagten am Kontoguthaben zur Sicherung aller Ansprüche gegen den Kontoinhaber dienen. Indes setzt diese Regelung erst das Bestehen eines Anspruchs voraus, begründet ihn aber nicht.

b)

Ein Gegenanspruch ergibt sich auch nicht aus den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Ein Anspruch folgt nicht aus §§ 677, 679, 683 BGB, da die Auskehrung des Kontoguthabens ohne Zustimmung der Kontoinhaber nach Auffassung der Kammer keine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag darstellte. Die Berechtigung einer Geschäftsführung ohne Auftrag bestimmt sich danach, ob die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht, § 683 BGB. Das Interesse des Geschäftsherrn ist an Hand der konkreten Sachlage im Einzelfall nach der objektiven Nützlichkeit, subjektiv bezogen auf das Verhalten des Geschäftsherrn festzustellen. Die Voraussetzung ist in der Regel erfüllt, wenn die Geschäftsführung dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn entspricht oder wenn ihm die Übernahme des Geschäfts nützlich ist. Ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn kommt dabei nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden würde, § 679 BGB.

Grundsätzlich wird in der Literatur die Übernahme der Beerdigungskosten durch die Bank des Erblassers als berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag eingeordnet (vgl. Palandt-Sprau, 64 Aufl., § 683 Rn. 7a, § 679 Rn. 3; Jacoby WM 2003, 368; Gößmann in Schimanski/Bunte/Gößmann, Bankrechtshandbuch, 3. Aufl. 2007, § 30 Rn. 21). Dabei wird argumentiert, dass die Begleichung der Beerdigungskosten im öffentlichen Interesse läge und daher ein etwaiger entgegenstehender Wille des Erben unbeachtlich sei. Die Kammer folgt dem für den vorliegenden Fall nicht. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auskehrung des Kontoguthabens an die Stadt N war der Beklagten lediglich die Information übermittelt worden, dass eine Bestattung des Erblasser veranlasst worden sei und die Beerdigungskosten sich auf "ca." 1.190 € belaufen würden. Bei dieser Sachlage entsprach es nicht dem Interesse der Kläger, schon im Vorgriff auf eine später möglicherweise genauer zu beziffernde Forderung der Stadt, einen Teilbetrag zu erstatten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Erben, wären sie bekannt gewesen, vor einer Zahlung an die Stadt N zunächst einen Nachweis der Kosten im hierfür vorgesehenen Verwaltungsverfahren abgewartet hätten. Nur ein solches Vorgehen hätte ihrem Interesse und ihrem mutmaßlichen Willen entsprochen. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass die tatsächlichen Beerdigungskosten unstreitig höher waren als das Kontoguthaben. Denn vor einer abschließenden Bearbeitung des Vorgangs durch die Stadt hatten die möglichen späteren Kostenschuldner keine Veranlassung schon im Voraus Anzahlungen zu leisten.

Auch aus § 679 BGB folgt nach Auffassung der Kammer nichts anderes. Zwar ist die Vorschrift dem Gedanken des römischen Rechts entsprungen, dass demjenigen, der eine Leiche beigesetzt hatte, ein Anspruch gegen die Erben zusteht - actio funeraria - (Bergmann: in Staudinger, Neubearb. 2006, § 679 Rn. 1). Jedoch steht vorliegend nicht die Durchführung der Bestattung in Rede - diese war von der Stadt N veranlasst worden - sondern es geht lediglich um die Begleichung einer öffentlichrechtlichen Schuld. Die Durchführung der Bestattung mag eine im besonderen öffentlichen Interesse gelegene Rechtspflicht dargestellt haben. Dementsprechend mag auch die Übernahme von Bestattungskosten dann eine im besonderen öffentlichen Interesse liegende Pflicht darstellen, wenn erst dadurch die zeitgerechte Durchführung der Bestattung ermöglicht wird. Vorliegend war jedoch die bloße Begleichung einer Rechnung vorzunehmen. Denn die Stadt N hatte aus eigener Verpflichtung gem. § 8 Abs. 1 S. 2 BestG NRW die Beerdigung veranlasst. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die bloße Begleichung dieser ausstehenden Kosten im besonderen öffentlichen Interesse liegen würde. Anders als bei der umstrittenen Frage, ob die Begleichung von fremden Steuerschulden unter § 679 BGB fällt (vgl. BGH v. 24.10.1951 - V ZR 119/51 - a.A. Palandt-Sprau, § 679 Rn. 3), lässt sich bei den Bestattungskosten nicht argumentieren, dass durch die Vielzahl der Zahlungsrückstände das Allgemeinwohl nicht unwesentlich, sondern erheblich beeinträchtigt werde (vgl. Bergmann a.a.O. § 679 Rn. 24 m.w.N.). Darüber hinaus ist auch insoweit wiederum zu berücksichtigen, dass die Bestattungskosten zum Zeitpunkt des Kontoausgleichs weder genau beziffert noch amtlich festgesetzt worden waren. Die Rechtzeitigkeit der Pflichterfüllung war daher ebenfalls nicht gefährdet, § 679 BGB.

c) Schließlich folgt auch kein aufrechenbarer Gegenanspruch aus §§ 684 S. 1, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Denn die Zahlung der Beklagten an die Stadt N hat die Kläger nicht von einer Verbindlichkeit befreit.

Ob dies der Fall ist bestimmt sich gem. § 267 BGB danach, ob aus Sicht der Zahlungsempfängers die Zahlung mit dem Willen geleistet wurde, die Verpflichtung eines Dritten zu tilgen. Vorliegend war der Beklagten die Kontokarte mit dem Bemerken übersandt worden, sie solle das (gesamte) Kontoguthaben an die Stadt N auskehren. Aus Sicht der Stadt N war die Zahlung als Erfüllung dieser Aufforderung zu sehen. Dass sie diese Zahlung für die Erben des Verstorbenen, also für die Beklagten, vornehmen würde, ergab sich weder aus der Zahlungsaufforderung noch aus der Zahlung. Ohne Erfüllungswirkung der Zahlung richtet sich ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch aber nicht gegen den Schuldner, sondern gegen den Gläubiger (vgl. Palandt-Heinrichs § 267 Rn. 8).

d)

Im Übrigen tritt die Kammer auch der Auffassung des Amtsgerichts bei, dass selbst im Falle einer Tilgungswirkung - die etwa durch eine nachträgliche Tilgungsbestimmung der Beklagten herbeigeführt worden sein könnte - die Beklagte mit einem Bereicherungsanspruch nicht die Aufrechnung erklären könnte. Denn die Erklärung der Aufrechnung (nicht: die Auskehrung des Kontoguthabens) verstieße gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, weil es sich bei dem Kondiktionsanspruch nicht um eine bankmäßig erworbene Gegenforderung handeln würde. Zwar wird in der Rechtsprechung vertreten, dass eine Bank, die gegen den Willen des Kunden dessen Steuerschulden begleicht, die Rückgriffsforderung aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung mit dem Kunden erworben habe (OLG München v. 26.03.1991 - 18 U 6302/90 - WM 1991, 1415 m.w.N.). Dem folgt die Kammer aber jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht. Denn die Auskehrung des Kontoguthabens an die Stadt N stand - wenn sie mit Fremdtilgungswirkung erfolgt sein sollte - in keinem Zusammenhang mit der geschäftlichen Beziehung zwischen der Beklagten und dem Erblasser. Mit der Auszahlung des Kontoguthabens nutzte die Beklagte vielmehr ihre faktischen Zugriffsmöglichkeiten auf Habenpositionen des Erblassers aus, ohne dazu von diesem ermächtigt worden zu sein (vgl. OLG Saarbrücken v. 12.09.2000 - 7 U 972/99-240 - WM 2002, 2241). Ließe man diesbezüglich eine Aufrechnung zu, würde man der kontoführenden Bank das Ermessen übertragen, welche Forderungen ein Schuldner begleicht und welche nicht. Steht, wie vorliegend, in Rede, dass nicht alle Forderungen beglichen werden können, würde dies im Ergebnis dazu führen, dass die Bank durch ihre Fremdtilgung einem Gläubiger den Vorzug vor anderen Gläubigern einräumen und ihn befriedigen würde, ohne dass ein Vollstreckungstitel vorzuliegen brauchte.

Der Einwand der Beklagten, dass die Kläger ihrerseits treuwidrig handeln würden, weil sie den Ausgleich einer unbestrittenen Forderung der Stadt N zu verhindern suchten, greift dagegen nicht. Denn die Kläger haben substantiiert vorgetragen, dass sie das Kontoguthaben zu anderen Zwecken, nämlich zur Begleichung von Kosten der Nachlasspflegschaft, eingesetzt hätten. Unabhängig von der Frage, in welcher Höhe die letztgenannten Kosten angefallen sind und welche Kostenposition im Falle einer Insolvenz vorrangig wäre, ist es jedenfalls nicht treuwidrig, wenn die Kläger selbst entscheiden möchten, welche der Kostenpositionen sie freiwillig ausgleichen und gegen welche sie Einwendungen erheben, die ggf. in einem gerichtlichen Verfahren zu klären sind. Wenn die Beklagte eine ursprünglich der Stadt N zustehende Forderung gegen die Kläger erworben haben sollte, steht ihr frei, diese ggf. in einem gerichtlichen Verfahren gegen die Kläger durchzusetzen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711. Die Revision war zuzulassen, da das vorliegende Vorgehen der Beklagten nach Auskunft der Parteien in einer Vielzahl von Fällen in der Praxis vorgenommen wird und die dazugehörigen Rechtsprobleme, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.