AG Euskirchen, Urteil vom 06.08.2009 - 4 C 401/08
Fundstelle
openJur 2011, 69369
  • Rkr:

1. In Fällen, in denen Behörden klassische Gefahrenabwehraufgaben wahrnehmen, insbesondere bei der Beseitigung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Straßenverkehr, z.B. bei der Beseitigung von Ölspuren etc., ist die Behörde verpflichtet, etwaige Kostenerstattungsansprüche im Wege eines öffentlichrechtlichen Leistungsbescheides geltend zu machen.

2. Darüber hinausgehende zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere solche nach §§ 677 BGB, § 823 BGB oder § 7 StVG stehen den Behörden nicht zu. Der Rückgriff auf diese Vorschriften ist gesperrt, da ihre Anwendung dazu führen würde, dass zwingende öffentlichrechtliche Vorschriften umgangen würden.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Erstattung von Ölspurbeseitigungskosten.

Am 16.03.2008 kam es in X-S auf der K 3 an der dort befindlichen Verkehrsinsel zu einem Verkehrsunfall. Dabei kollidierte das Fahrzeug der Beklagten zu 1), welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, mit der dort befindlichen künstlichen Verkehrsinsel, weil der Fahrer des Fahrzeuges die Fahrbahnverengung nach der Kurve zu spät bemerkt hatte. Bei dieser Kollision kam es zum Verlust von Motoröl. Die Leitstelle des Kreises F und der Feuerwehr der Gemeinde X beauftragte sodann die Klägerin, die einen Entsorgungsfachbetrieb betreibt, mit der Beseitigung der Ölspur. Diese setzte für die Reinigung eine Spezialreinigungsmaschine ein und erstellte unter dem 17.03.2008 eine Kostenrechnung über insgesamt 3.121, 16 € Brutto. Die Gemeinde X, die ursprünglich Rechnungsempfängerin, trat am 18.03.2008 die ihr zustehenden Ansprüche gegen die Beklagten erfüllungshalber an die Klägerin ab (Bl. 40 d.A.).

Die Klägerin behauptet, sie sei von der Gemeinde X konkret zur Durchführung einer aufwändigen Nassreinigung beauftragt worden. Sämtliche von ihr in Rechnung gestellten Kostenpositionen seien so tatsächlich angefallen, erforderlich gewesen und der Höhe nach angemessen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.121,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszins seit dem 09.04.2008 sowie als Nebenforderung weitere 302,10 € zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die von der Klägerin bei der Berechnung zugrundegelegte Größe der verunreinigten Fläche sei fehlerhaft berechnet. Diese sei tatsächlich viel geringer. Zudem sei die Durchführung einer Nassreinigung nicht notwendig gewesen, vielmehr sei eine Beseitigung der Ölspur auch nur mit Bindemittel möglich gewesen. Sämtliche Rechnungspositionen seien überhöht und unangemessen. Zudem bestünde zwischen der Klägerin und der Gemeinde X eine besondere Vergütungsvereinbarung, aufgrund derer die Klägerin der Gemeinde gegenüber eine deutlich geringere Summe in Rechnung stellen könnte. Mit Schreiben vom 13.07.2009 rügen die Beklagten erstmals die Wirksamkeit der Abtretung.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein entsprechender Zahlungsanspruch zu.

1)

Eigene Ansprüche der Klägerin scheiden mangels Vertragsverhältnisses aus. Auch ein Anspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag kommt nicht in Betracht, da die Klägerin einen ausdrücklichen Auftrag durch die Gemeinde X erhalten hatte.

2)

Auch aus abgetretenem Recht steht der Klägerin kein Anspruch zu. Denn der Gemeinde X standen gegen die Beklagten keine Ansprüche zu, die sie wirksam an die Klägerin hätten abtreten können.

a)

Unstreitig hatte die Gemeinde gegen die Beklagte zu 1) einen öffentlichrechtlichen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 3 FSHG. Hierbei handelt es sich jedoch um eine öffentlichrechtliche Forderung, welche im Wege eines öffentlichrechtlichen Kostenbescheides geltend zu machen war. Diese Befugnis kann nicht durch bloße Abtretung auf eine Privatperson wirksam übertragen werden (vgl. VG Düsseldorf vom 27.06.1980, Az. 6 K 4740/78 m.w.N). Ob öffentlichrechtliche Ansprüche jedenfalls dann abtretbar sind, nachdem sie von der jeweiligen Behörde durch Leistungsbescheid rechtskräftig geltend gemacht wurden (so jedenfalls BayOLG vom 25.02.2002, Az. 1Z RR 331/99), braucht hier nicht näher erörtert werden.

b)

Der Behörde standen gegen die Beklagten auch keine privatrechtlichen Ansprüche zu, welche sie an die Klägerin hätten abtreten können. Soweit die Gemeinde die beklagtenseits unstreitig fahrlässig verursachte Ölspur von der Straße beseitigen ließ, wären jedenfalls nach dem unmittelbaren Wortlaut der Normen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, § 823 BGB und § 7StVG in Verbindung mit § 3 PflVG denkbar. Diese Vorschriften sind jedoch im vorliegenden Falle nicht anwendbar, da ihre Anwendung zu einer Umgehung zwingender öffentlichrechtlicher Vorschriften führen würde.

aa)

Ölspurverunreinigungen stellen einen klassischen Unglücksfall im Sinne des § 1 FSHG bzw. eine klassische Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Soweit Gemeinden diese beseitigen lassen, üben sie dabei ihre hoheitliche Pflicht als Gefahrenabwehrbehörden aus. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinden sich dabei privater Unternehmen bedienen. Die Voraussetzungen, unter denen Gemeinden die Aufwendungen für ihr hoheitliches Tätigwerden auf Bürger übertragen können, sind in den öffentlichrechtlichen Vorschriften stark eingeschränkt und unterliegen diversen Restriktionen. Generell unterliegen Behörden bei sämtlichem hoheitlichen Handeln dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Soweit ihnen das Gesetz überhaupt gestattet, derartige Kosten per Verwaltungsakt auf den Bürger abzuwälzen, gelten für die Ausübung des eingeräumten Ermessens strenge Grundsätze, insbesondere ist die Behörde an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Die öffentliche Hand ist grundsätzlich verpflichtet, Gefahrenabwehrmaßnahmen in Eigenregie vorzunehmen. Insofern sind die Gemeinden und örtlichen Feuerwehren verpflichtet, grundsätzlich Material und Personal für derartige Gefahrenbeseitigungen selbst bereit zu halten und aufzuwenden. Die öffentlichrechtlichen Vorschriften sehen weiterhin konkret vor, welche Personen in solchen Fällen als "Störer" einzustufen sind und überhaupt in Anspruch genommen werden können. Nach § 41 Abs. 2 Nr. 1 FSHG darf der Verursacher, also der Fahrer nur hinsichtlich der Kosten in Anspruch genommen werden, wenn er vorsätzlich handelte. Sofern sämtliche Voraussetzungen für den Erlass eines Kostenbescheides vorlägen, wäre die Höhe der möglichen Forderung gemäß § 41 Abs. 3 FSHG beschränkt auf die Geltendmachung von "Kostenersatz", welcher durch eine Satzung zu regeln ist.

Dieses differenzierte öffentlichrechtliche System, welches enorme Restriktionen für ein Kostenerstattungsverlangen gegenüber dem Bürger vorsieht, würde durch die Anwendung der genannten zivilrechtlichen Vorschriften völlig unterlaufen. Nach den zivilrechtlichen Vorschriften kann, anders als im öffentlichen Recht, auch der Haftpflichtversicherer und der fahrlässig handelnde Fahrer in Anspruch genommen werden, es gibt keine Bindung an rechtsstaatliche Prinzipien, wie beispielsweise den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, es gibt keine Verpflichtung zur richtigen "Störer-Auswahl" zwischen mehreren Pflichtigen, "Schadensersatzansprüche" liegen deutlich über dem von einer Gemeinde forderbaren "Kostenersatz" und den Betroffenen steht kein Rechtsbehelf zur Seite, der dem Widerspruch im öffentlichen Recht ähnelt. Im Falle einer Abtretung eines solchen Anspruchs an das Reinigungsunternehmen entfällt dann auch die Ermessensbetätigung und die hoheitliche Überwachung des "ob und wie" einer angemessenen Anspruchsverfolgung.

bb)

Soweit sich der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung des BGH (Urteil vom 06.11.2007, Az: VI ZR 220/06) berufen hat, folgt das Gericht dem nicht. Soweit der BGH in diesem Urteil derartige Beseitigungskosten als erstattungsfähig ansah, ergibt sich aus dem Urteil erkennbar nicht, dass sich der BGH oder die Beteiligten des Verfahrens überhaupt Gedanken darüber gemacht haben, inwieweit privatrechtliche Vorschriften überhaupt anwendbar sind, ohne dadurch zwingendes öffentliches Recht zu umgehen. Insofern misst das Gericht dieser BGH-Entscheidung keine für den Fall maßgebliche Bedeutung zu. Außerdem hat der BGH in anderen Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen bereits zivilrechtliche Ansprüche wegen Umgehung öffentlichen Rechts abgelehnt (z.B. BGH vom 19.07.2007, Az: III ZR 20/07).

Das Gericht verweist hinsichtlich der grundlegenden Problematik auf die Entscheidung des VG Düsseldorf (Urteil vom 27.06.1980, Az. 6 K 4740/78). In dieser Entscheidung klagte ein privater Abschleppunternehmer auf Erstattung seiner Abschleppkosten. Das Verwaltungsgericht führte dort nachvollziehbar aus, dass der Gemeinde kein abtretbarer Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zustand, da hierdurch die zwingenden öffentlichrechtlichen Vorschriften umgangen würden. Das Verwaltungsgericht legte zudem dezidiert dar, weswegen derartige Kostenerstattungsansprüche ihrem Wesen nach öffentlichrechtlich seien.

In der Zivilrechtssprechung wurde dieses konkrete Problem bislang wenig erörtert, da sich die Gemeinden in der Vergangenheit selten vor ihrer Verantwortung drückten und versuchten, Hoheitsaufgaben zu umgehen und die umständliche Kosteneintreibung Privatunternehmern zu überlassen. Bislang ergingen diverse Urteile zu der Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag bei Kosten für Gefahrenabwehrmaßnahmen. Dazu wurde regelmäßig entschieden, dass diese unanwendbar seien, sofern dies zu einer Umgehung öffentlichrechtlicher Vorschriften führen würde (z. B. BGH vom 19.07.2007, Az. III ZR 20/07; Bundesverwaltungsgericht vom 25.11.1964, Az. I C 55/59; OLG Köln vom 05.06.2009, Az. 3 U 201/08 BSch; BayOLG vom 25.02.2002, Az. 1Z RR 331/99). Hauptargument war dort, dass Ansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dann nicht gegeben sind, wenn besondere Vorschriften (in diesen Fällen öffentlichrechtliche) das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln (BGH aaO., OLG Köln aaO.). Darüber hinaus ist auch allgemein anerkannt, dass die §§ 812 ff ihrem Wesen nach unanwendbar sind, wenn Leistungen ihrem Wesen nach öffentlichrechtlicher Natur sind (Palandt, 67. Aufl., vor § 812 Rn 20).

Die dortigen Argumentationen zum Vorrang öffentlichen Rechts lassen sich auch auf deliktische Schadensersatzansprüche (§ 823 BGB, § 7 StVG) übertragen. Denn gerade im Bereich des Deliktsrechts ist anerkannt, dass spezielle Vorschriften, z.B. die differenzierten Regelungen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, bei Eigentumsbeeinträchtigungen die Anwendbarkeit des Deliktsrechts sperren. Auch für diverse andere spezialgesetzliche Ansprüche besteht ein Vorrang vor dem Deliktsrecht, der je nach Ausgestaltung der Regelungen einen Rückgriff auf das Deliktsrecht einschränkt oder auch ganz verbietet (vgl. Palandt, vor § 823 Rn 7 ff. m.w.N.).

In Anlehnung daran hielte es das Gericht allenfalls für vertretbar, in Fällen vorsätzlichen Herbeiführens einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausnahmsweise die Anwendbarkeit von deliktischen Normen zu bejahen; ein solcher Fall liegt indes nicht vor.

Im Falle der Anwendung der §§ 823 BGB, 7 StVG würde sich im übrigen die Frage stellen, inwieweit das Verursachen einer Ölspur tatsächlich eine "Eigentumsverletzung" der Gemeinde X darstellt. Denn Eigentümer einer Straße ist regelmäßig der Träger der Straßenbaulast, vgl. §§ 10 ff StrWG NRW. Hier befand sich die Ölspur auf einer Straße namens "K 3", bei der es sich offenbar um eine Kreisstraße handelt (vgl. §§ 3, 4 Abs. 2 StrWG NRW), für welche nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 StrWG NRW der Kreis der Straßenbaulastträger ist. Es handelt sich auch nicht um eine Ortsdurchfahrt einer Gemeinde mit mehr als 80.000,00 Einwohnern (§ 44 StrWG NRW). Es spricht daher viel dafür, dass eine Eigentumsverletzung der Gemeinde X verneint werden müsste. Im Hinblick darauf, dass das Gericht die Sache auch so für entscheidungsreif hielt, hat es davon abgesehen, die Klägerin in dieser Hinsicht zu weiterem Sachvortrag (zu etwaigen Vereinbarungen mit dem zuständigen Ministerium o.ä.) aufzufordern.

Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 3.121,16 €.