VG Köln, Beschluss vom 01.07.2009 - 34 K 4172/08.PVL
Fundstelle
openJur 2011, 69123
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag zu 1. wird abgelehnt.

Im übrigen wird der Beteiligte verpflichtet, dem Antragsteller in regelmäßigen Abständen, mindestens halbjährlich, in anonymisierter Form Listen über die Zahl der BEM-pflichtigen Verfahren, die Zahl der angebotenen Gespräche, die Zahl der abgelehnten Gespräche und die Zahl der durchgeführten Gespräche mit Handlungsbedarf/ohne Handlungsbedarf zur Verfügung zu stellen.

Gründe

Die Beteiligten streiten über den Umfang der Informations- und Beteiligungsrechte des Antragstellers im Zusammenhang mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX.

Im Zuge der Novellierung des SGB IX wurde der Begriff des „Betrieblichen Eingliederungsmanagements" neu eingeführt. Es ist durchzuführen, wenn der Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. § 84 Abs. 2 SGB IX hat folgenden Wortlaut:

„Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93 (Anmerkung: Personalvertretung), bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt."

Für den Bereich der Finanzverwaltung sind die Modalitäten, wie mit diesem betrieblichen Eingliederungsmanagement umzugehen ist, durch Erlass vom 06.11.2006 näher geregelt. Zum Verfahren bestimmt dieser Erlass, dass die Dienststellenleitung zunächst festzustellen hat, ob eine Arbeits- oder Dienstunfähigkeit von mehr als 6 Wochen innerhalb von 12 Monaten vorliegt. Sobald dies der Fall ist, hat der Dienststellenleiter mit der betroffenen Person Kontakt aufzunehmen und ihr ein Widereingliederungsgespräch anzubieten. Dabei ist auf die Ziele der Bestimmung sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Sodann ist dem Beschäftigten eine Frist von mindestens 2 Wochen einzuräumen, um zu entscheiden, ob er von dem Gesprächsangebot Gebrauch machen möchte. Für den Zustimmungsfall ist ihm die Option eingeräumt, eine oder mehrere Personen seines Vertrauens hinzuzuziehen.

Mit Schreiben vom 21.05.2008 wandte sich der Antragsteller wie folgt an den Beteiligten: Bereits im Vierteljahresgespräch am 10.01.2008 sei die Handhabung des BEM erörtert worden. Dabei sei von der Personal- und Schwerbehindertenvertretung auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 SGB IX hingewiesen worden, wonach diese Vertretungen darüber wachen, ob der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Dies sei nur möglich, wenn den Vertretungen die entsprechenden Informationen bekannt gegeben würden. Die Vertretungen seien vor der Aufforderung an die Beschäftigten, ob sie einem BEM zustimmen, zu beteiligen. Dies sei leider bis heute nicht geschehen. Man bitte nunmehr, der Personalvertretung die erforderlichen Unterlagen aus der Vergangenheit zur Verfügung zu stellen und künftig die Beteiligung sicherzustellen.

Mit Schreiben vom 04.06.2008 antwortete der Beteiligte: Der Aufforderung des Antragstellers, den Personalrat bereits vor dem Beginn von Maßnahmen zu beteiligen, könne man nicht entsprechen. Im Verfahren zur betrieblichen Eingliederung könne der Betroffene jederzeit die Unterstützung der betrieblichen Interessenvertretung begehren. Er könne auch jederzeit darauf bestehen, dass die Interessenvertretung - aus welchen Gründen auch immer - gerade nicht informiert werden solle. Um sicherzustellen, dass der Betroffene dieses höchst persönliche Wahlrecht unbeeinflusst und ohne durch eine Vorabinformation der Personalvertretung vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein auch ausüben könne, halte man eine Information der Personalvertretung vor der Einladung zum Gespräch und vor der Durchführung des ersten Gesprächs, in dem man über den Umfang der Rechte und Möglichkeiten informieren könne, für unzulässig. Sofern der Betroffene - wie in der Vergangenheit mehrfach praktiziert - Wert auf eine frühzeitige Einschaltung der Personalvertretung aus eigener Veranlassung lege, könne er dies ungehindert in diesem frühen Stadium durch eigenes aktives Beteiligen tun. Die frühzeitige Information der Personalvertretung ohne die bewusste Ausübung einer Entscheidung durch den Betroffenen habe unstreitig die Bekanntgabe höchst sensibler persönlicher Daten zur Folge. Diese Daten seien durch das Datenschutzgesetz des Landes NRW besonders geschützt. Diese Schutzrechte habe man zu beachten. Eine Verletzung sei nur mit Einwilligung des Betroffenen und damit erst nach dem ersten Gespräch möglich. Auch aus dem Wortlaut von § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX („zuvor") ergebe sich, dass vor der Klärung von Maßnahmen zwischen Arbeitgeber und Interessenvertretung die betroffene Person auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen sei. Eine frühzeitige Information vor diesem Gespräch sei daher schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ausgeschlossen. Eine Weitergabe der Daten sei auch nach Auffassung der Landesdatenschutzbeauftragten nicht zulässig. An diese Auffassung sei man gebunden, bis sie entweder aufgegeben oder durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben werde. Auf Beschwerde eines Betroffenen müsste die Oberfinanzdirektion den Beteiligten rügen und eine künftige Handhabung untersagen, wenn eine Information über die Krankheitsentwicklung frühzeitig an die Personalvertretung gegeben worden sei. Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Berlin und Hamburg seien im Land Nordrhein-Westfalen angesichts der feststehenden anderweitigen Auffassung der Landesdatenschutzbeauftragten nicht anwendbar.

Daraufhin hat der Antragsteller am 21.06.2008 das vorliegende Verfahren anhängig gemacht, zu dessen Begründung seine Prozessbevollmächtigten vortragen:

Die Rechte des Personalrats beschränkten sich nicht auf die förmlichen Beteiligungsrechte sowie die allgemeinen Aufgaben, die im LPVG NRW geregelt seien. Der Personalrat habe darüber hinaus Aufgaben und Beteiligungsrechte aufgrund sondergesetzlicher Normen, hier des § 84 Abs. 2 SGB IX. Das gesamte Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements - beginnend mit der Erfassung des in Betracht kommenden Personenkreises über die Unterrichtung desselben über die gegebenen Möglichkeiten, die Auswertung der Rückantworten, bejahendenfalls das Angebot und die Durchführung der Wiedereingliederungsgespräche und, falls der entsprechende Wunsch durch den Mitarbeiter geäußert werde, die Beteiligung der Interessenvertretung und/oder der Schwerbehindertenvertretung - sei nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX von dem Personalrat zu überwachen. Der Beteiligte, differenziere nicht exakt zwischen den einzelnen Schritten des Verfahrens, wie sie § 84 Abs. 2 SGB IX vorschreibe. Die Überwachungsaufgabe der Interessenvertretung aus § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX beziehe sich auf das Verfahren insgesamt. Der Personalrat habe daher zu überwachen, ob der Dienstherr das Fehlzeitenquorum des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zutreffend und vollständig erfasse und überwache, ob er jeden hiernach in Betracht kommenden Beschäftigten ordnungsgemäß und unter korrektem Hinweis auf die gegebenen Möglichkeiten unterrichte, ob er die jeweilige Rückmeldung des Beschäftigten zutreffend erfasse und umsetze und ob er den Wunsch des Beschäftigten, die Interessenvertretung zu dem alsdann zu führenden Wiedereingliederungsgespräch zuzuziehen, ordnungsgemäß respektiert umsetze. Er habe darüber hinaus, wenn ein solcher Wunsch von den Beschäftigten positiv geäußert worden sei, das Recht, an den zu führenden Gesprächen teilzunehmen. Die gleichen Rechte und Aufgaben habe im Übrigen die Schwerbehindertenvertretung, wenn ein Behinderter betroffen sei. Die von dem Beteiligten angesprochene und erforderliche Zustimmung des Betroffenen beziehe sich erst und allein auf das letztgenannte Element, nämlich das Wiedereingliederungsgespräch und die sich hieraus womöglich ergebenden Maßnahmen. Werde die Zustimmung nicht erteilt, bleibe aber die Überwachungsaufgabe des Personalrats, zu kontrollieren, ob der Dienstherr das Wiedereingliederungsgespräch tatsächlich anbiete und die danach in Betracht kommenden Maßnahmen ergreife und umsetze. Die Überwachungsaufgabe sei unbeschränkt und beziehe sich auf das gesamte Verfahren des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements. Sie sei nicht von der Zustimmung der jeweils betroffenen Person abhängig. Der Personalrat könne die ihm zugedachte Überwachungsaufgabe jedoch nur dann erfüllen, wenn er zuverlässig über jeden Fall, der den Tatbestand des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX erfülle, unterrichtet werde sowie darüber, welche Schritte der Dienstherr in Konsequenz aus solcher Feststellung ergriffen habe. Der Personalrat sei daher im Rahmen seiner Aufgabenstellung darauf angewiesen, dass er vollständig und lückenlos über jeden einzelnen der von § 84 Abs. 2 SGB IX vorgezeichneten Schritte unterrichtet werde. Die von der Dienststelle angeführten datenschutzrechtlichen Erwägungen stünden dem nicht entgegen. Abgesehen davon, dass die den Beteiligte bindenden Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX bundesrechtlichen Ursprungs seien und damit gegenüber landesrechtlichen Bestimmungen vorrangig seien, bleibe jedenfalls zu konstatieren, dass hier dem Personalrat ausdrücklich Aufgaben zugewiesen seien, die nicht erfüllt werden könnten, wenn nicht insoweit die für die Überwachung notwendigen Informationen ohne Ansehen der betroffenen Person erteilt würden. Entsprechende Fragestellungen seien bereits mehrfach Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen in anderen Bundesländern geworden. Der Antragsteller stütze sich insoweit auf die bekannt gewordenen Entscheidungen des VG Berlin vom 04.04.2007 und des VG Hamburg vom 11.11.2006. Die genannten Entscheidungen bestätigten den Rechtsstandpunkt des Antragstellers voll und ganz.

Der Antragsteller beantragt,

1. festzustellen, dass die Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller auch ohne Zustimmung der jeweils betroffenen Beschäftigten

2.

- zeitnah mitzuteilen, welche Beschäftigten der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren

- ihm eine Kopie des Anschreibens an den Betroffenen oder seine Vertreter, mit dem dieser über die Möglichkeiten eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, das dabei einzuleitende Verfahren und die Rechte des Betroffenen informiert wird, zur Verfügung zu stellen

- sowie ihm die daraufhin ergehende Antwort des Beschäftigten, mit dem dieser das Angebot annimmt oder ablehnt, insoweit zur Verfügung zu stellen, als dies zur Ausübung der Überwachungsfunktion des Personalrates nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX erforderliche ist,

3. den Beteiligten zu verpflichten, dem Personalrat im Zusammenhang mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX zeitabschnittsbezogen folgende Informationen zukommen zu lassen:

4.

- Zahl der BEM-pflichtigen Verfahren

- Zahl der angebotenen Gespräche

- Zahl der abgelehnten Gespräche

- Zahl der durchgeführten Gespräche mit Handlungsbedarf/ohne Handlungsbedarf.

Was den Antrag zu 2 anbelange, so knüpfe der Personalrat an die Regelungen des Erlasses des Finanzministeriums vom 06.11.2006 an. Unter Ziffer 5 sei dort angesprochen, dass im Interesse eines Erfahrungsaustausches die dort angesprochenen Daten erhoben werden sollten. Sie würden demgemäss in Erfüllung der Vorgaben der vorgesetzten Behörden ohnehin gesammelt und bei der Dienststelle vorliegen. Der Antragsteller begehre insoweit nichts anderes, als diese Daten ebenfalls zu erhalten. Er erachte auch den besagten statistischen Überblick für sachgerecht und geboten, wenn es darum gehe, der Überwachungsaufgabe aus § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX nachzukommen.

Der Beteiligte beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Zur Begründung führt der Beteiligte aus: Der Antragsteller habe auf die geforderten Informationen keinen Anspruch. Insbesondere folge eine gesetzliche Befugnis zur Datenweitergabe nicht aus § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX. Die Weitergabe von krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten Beschäftigter, für die ggf. Maßnahmen des BEM in Frage kämen, an den Antragsteller würde eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstellen, die nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 DSG NRW zulässig wäre. Jeder Umgang öffentlicher Stellen mit personenbezogenen Daten, also auch eine Datenverarbeitung in Form der Weitergabe der in Rede stehenden Daten der Beschäftigten an den Antragsteller ohne Einwilligung der Betroffenen bedürfe als Eingriff in ihr aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitetes Recht auf informationelle Selbstbestimmung wie auch in ihr Grundrecht auf Datenschutz nach Art. 4 Abs. 2 der Landesverfassung einer bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlage. Der Schutz der personenbezogenen Daten sei zwar nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen seien aber nur in überwiegendem Interesse der Allgemeinheit aufgrund eines Gesetzes zulässig. Sie bedürften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die hinreichend klar formuliert sei, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang des Eingriffs für die Betroffenen erkennbar bestimmen lasse und die damit den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrten. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX erhalte keine bereichsspezifische Befugnisregelung zur Weitergabe der Daten von Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen seien, an den Antragsteller. Dessen Funktion, darüber zu wachen, dass der Beteiligte die ihm obliegenden Verpflichtungen erfülle, könne nach dem Regelungskontext der Norm, die den Arbeitgeber zur datenschutzkonformen Ausgestaltung des BEM-Verfahrens verpflichte, allenfalls zu einer Beteiligung im jeweiligen Einzelfall führen. Der von dem Antragsteller vertretenen Ansicht, er habe das gesamte Verfahren zu überwachen, könne nicht gefolgt werden. In der von dem Antragsteller begehrten Ausprägung der Information würde dies z.B. bei einem Betroffenen, der das BEM-Gespräch mit dem Arbeitgeber ohne Beteiligung der Personalvertretung führen wolle, zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass der Antragsteller sogar gegen den ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen unter Umständen detaillierte Informationen über ihn erhalte. Der Gesetzgeber wolle das BEM gemäß § 84 SGB IX maßgeblich von einem einvernehmlichen vertrauensvollen Zusammenwirkung mit den betroffenen Beschäftigten getragen sehen, die der Maßnahme zustimmen und sich an jedem Verfahrensschritt freiwillig beteiligen sollen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Zielrichtung liefe es zuwider, die in Rede stehenden Daten aller in Frage kommenden Beschäftigten zuvor ohne ihre Zustimmung dem Antragsteller mitzuteilen. Abgesehen davon, dass für eine solche Datenverarbeitung die erforderliche bereichsspezifische normenklare Gesetzesgrundlage fehle, sei sie darüber hinaus nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. So sei kein Raum für die Annahme, dass etwa ein Personalrat die in Rede stehenden Informationen über alle Beschäftigten benötigen solle, um bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein BEM ein solches anzustoßen. Diese Verpflichtung obliege dem an Recht und Gesetz gebundenen Arbeitgeber, der das BEM den betroffenen Beschäftigten vorzustellen und anzubieten habe. Allein ihm gegenüber wäre die Zustimmung zu erklären, an dem BEM teilzunehmen. Folglich könne auch nur der Arbeitgeber beurteilen, ob - neben den in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX genannten Arbeitsunfähigkeitszeiten - die sonstigen Voraussetzungen für eine Teilnahme an Maßnahmen im Rahmen des BEM vorlägen. Eine Befugnis zur Weitergabe der in Rede stehenden Daten lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt begründen, sie beträfen allenfalls den Randbereich der Persönlichkeitssphäre. Der den Beschäftigtendatenschutzvorschriften verpflichtete Arbeitgeber sei nicht befugt, durch internen Aushang von Arbeitsplänen darin enthaltene Fehlzeiten von Mitarbeitern dienststellen- oder betriebsintern allen Beschäftigten bekannt zu geben, sondern allenfalls dazu, diese Daten weiterzugeben, soweit es die Aufgabenerfüllung (etwa zur Unterrichtung von Fachvorgesetzten oder Vertretungskräften) erfordere. Bereits deshalb könne nicht überzeugen, dass eine dem offenbar entgegenstehende (möglicherweise nur geduldete) Praxis, wie sie der von dem Antragsteller zitierten Entscheidung des VG Hamburg zugrundegelegen habe, zu der beschäftigungsdatenschuztrechtlich zweifelhaften Bewertung führen solle, intern ohnehin bekannte Fehlzeiten von Beschäftigten seien - in Folge eines unwidersprochen gebliebenen Vortrags in der mündlichen Verhandlung - minder schutzwürdig. Im weiteren hat sich der Beteiligte auf die Ausführungen des VG Düsseldorf im Beschluss vom 20.10.2008 - 34 K 3001/08.PVL - gestützt, den er zur Grundlage seiner Rechtsansicht macht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat nur in dem tenorierten Umfang Erfolg.

Der Antrag zu 1. ist nicht begründet.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass ihm ohne Zustimmung der Betroffenen die Namen der Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, die an diese Beschäftigten gerichteten Anschreiben und deren Antworten mitgeteilt werden. Dahingehende Informationsansprüche kann der Antragsteller weder auf § 65 Abs. 1 LPVG NRW noch auf § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX stützen. Die Kammer folgt insoweit dem VG Düsseldorf,

vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2008 - 34 K 3001/08.PVL -,

das überzeugend ausgeführt hat:

„1. Informationsansprüche einer Personalvertretung des Landes gegen die Dienststelle des Landes können sich allein aus dem Landespersonalvertretungsgesetz ergeben. Rechtsgrundlage ist § 65 Abs. 1 LPVG. Die Vorschrift beinhalte ein Unterrichtungsrecht, soweit es zur Durchführung der Aufgaben der Personalvertretung erforderlich ist. Begrenzt wird die Unterrichtung, soweit es um personalaktenfähige Tatsachen geht. Sie dürfen nur mit Zustimmung des Beschäftigten und nur von den von ihm bestimmten Mitgliedern des Personalrats eingesehen werden (§ 65 Abs. 3 LPVG). Darüber hinaus kann einem uneingeschränkten Unterrichtungsrecht das persönliche Recht eines Beschäftigten auf Verfügung über die seine Person betreffenden Daten (Art. 2 Abs. 1GG) entgegen stehen.

Die Unterrichtung erfolgt in Zusammenhang mit den Beteiligungsrechten, aber auch zur Wahrnehmung der allgemeinen Aufgaben der Personalvertretung, hier insbesondere der Pflicht, darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze durchgeführt werden (§ 64 Nr. 2, 1. Fall LPVG).

2. Es kann offen bleiben, ob der Antragsteller der mit den Anträgen zu 1. und 2. bezeichneten Informationen bedarf, um der ihm gesetzlich nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX obliegende Überwachungspflicht zu genügen. Ein unbeschränkter, also von der Zustimmung der betroffenen Beschäftigten unabhängiger Anspruch auf Mitteilung von Langzeiterkrankten scheitert jedenfalls an den Persönlichkeitsrechten der Beschäftigten.

2.1 Die uneingeschränkte Unterrichtung des Antragstellers über diejenigen namentlich zu benennenden Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, verstößt gegen § 65 Abs. 3 Satz 1 LPVG. Die Dokumentation der Arbeitsunfähigkeit und ihrer Dauer ist materiell Teil der Personalakten. Der auch im Personalvertretungsrecht geltende materielle Personalaktenbegriff (vgl. Cecior, Dietz, Vallendar, Lechtermann, Klein, Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein- Westfalen, Band I, § 65 Rdn. 24) erfasst alle Personaldaten, die inhaltlich in die Personalakte aufgenommen werden müssen. Das sind alle den Beschäftigten betreffenden Vorgänge, die mit seinem Dienst- oder Arbeitsverhältnis in einem inneren Zusammenhang stehen (BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 1989, 2 B 129/88, NJW 1989, 1942). Dazu gehören die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und erst recht der Umstand einer langfristigen oder wiederholten Arbeitsunfähigkeit, die geeignet ist, ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB 9 auszulösen. Die Mitteilung einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit unter namentlicher Benennung des betroffenen Beschäftigten verschafft dem Antragsteller Einsicht in die Personalakte, was ohne Zustimmung des Beschäftigten verboten ist.

2.2 Das uneingeschränkte Informationsrecht der Personalvertretung wird zudem durch das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Beschäftigten ausgeschlossen. Die Unterrichtung des Personalrates ist im Sinne von § 65 Abs. 1 Satz 1 LPVG nicht erforderlich, wenn sie unverhältnismäßig in die Rechte der Beschäftigten eingreift (Cecior u.a., a.a.O., § 65 Rdn. 9). Der Umstand einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit, der besondere Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben und vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung künftiger erneuter Arbeitsunfähigkeit auslösen kann, zählt zu den persönlichen Daten und Lebenssachverhalten, die ohne Zustimmung der Betroffenen Dritten nicht bekannt gegeben werden dürfen. Das vorrangige Interesse der Beschäftigten hat seinen Niederschlag in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB 9 gefunden, der das Eingliederungsmanagement selbst (und damit die Einbeziehung auch der Personalvertretung in das Verfahren) von der Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person abhängig macht. Für die Information der Personalvertretung im Vorfeld und im Nachhinein gilt das Zustimmungserfordernis erst Recht. Das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfordert es, es allein ihm zu überlassen, sich den Angeboten des § 84 SGB 9 vollkommen zu verschließen, die Folgen der Langzeiterkrankung im unmittelbaren Kollegen- und Vorgesetztenkreis zu regeln und jede innerdienstliche Ausweitung über das unvermeidbare Bekanntwerden hinaus zu verhindern, um unter keinen Umständen und niemandem erklären oder gar rechtfertigen zu müssen, warum das Eingliederungsmanagement nicht in Anspruch genommen worden ist.

3. Aus § 84 Abs. 2 SGB 9 ergibt sich nicht anderes. Zum einen enthält diese Vorschrift keine eigenen Regelungen über die Unterrichtung des Personalrates. Ihr kommt lediglich klarstellende Funktion in Ergänzung zu § 64 LPVG zu, der die Personalvertretung ohnehin verpflichtet, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu Gunsten der Beschäftigten, hier § 84 Abs. 2 Satz1 SGB 9, zu überwachen. Ein systematischer Bezug zu § 65 LPVG, der die Unterrichtungsansprüche der Personalvertretung für die Durchführung aller seiner Aufgaben enthält, lässt sich nicht herstellen. Zudem ist der Bund kompetenzrechtlich gehindert, Informationsansprüche nach dem Landespersonalvertretungsgesetz innerhalb von Landesbehörden zu regeln. Die Gesetzgebungskompetenz für den öffentlichen Dienst der Länder liegt bei den Ländern (Art. 70 GG). Als personalvertretungsrechtliche Rahmenvorschrift nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG a.F. mit unmittelbare Geltung in den Ländern ist § 84 SGB 9 nicht erlassen worden. Die Rahmenkompetenz des Bundes ist zudem zum 31. August 2006 entfallen, Art. 75 GG ist aufgehoben worden. Was früher an Rahmenvorschriften des Bundes für den Bereich der Länder erlassen worden war (vgl. § 107 ff. BPersVG) ist mittlerweile mit Inkrafttreten der Neuregelung des Landespersonalvertretungsgesetzes NRW am 17. Oktober 2007 gegenstandslos geworden (Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG). Die von dem VG Hamburg in seiner Entscheidung vom 10. November 2006, 23 FB 17/06, PersR 2007, 130-132 angenommene (zweifelhafte) Spezialität von § 84 Abs. 2 SGB 9 gegenüber § 68 Abs. 2 Satz 3 BPersVG (der bundesrechtlichen Bestimmung zur Beschränkung des Informationsrechtes der Personalvertretung bei Personalaktendaten) kann im Verhältnis zu einem landesrechtlichen Personalvertretungsgesetz nicht bestehen."

Im Ergebnis ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2008 - 60 PV 9.07 -; VG Aachen, Beschluss vom 25.09.2008 - 16 K 836/08.PVL; VG München, Beschluss vom 12.11.2008 - M 20 P 08.3530 -; andere Ansicht VG Hamburg, Beschluss vom 10.11.2006 - 23 FB 17/06 -; VG Berlin, Beschluss vom 04.04.2007 - 61 A 28.06 -; vergleiche in diesem Zusammenhang auch LArbG Hamburg, Beschluss vom 21.05.2008 - H 3 TaBV 1/08 -.

Dem Antragsteller steht aber ein Anspruch auf die mit dem Antrag zu 2. begehrten Auskünfte in anonymisierter Form zu. Sein dahingehendes Begehren kann der Antragsteller auf § 65 Abs. 1 LPVG NRW i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX stützen. Die dem Antragsteller nach der letzteren Vorschrift zustehenden Überwachungsaufgaben sind einerseits Ausprägung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 LPVG NRW, andererseits besondere Ausformung der allgemeinen Überwachungsaufgaben der Personalvertretung, wie sie in § 64 Abs. 1 Nr. 2 LPVG NRW formuliert sind, wonach der Personalrat darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden. Damit die zuständige Personalvertretung diese Aufgaben angemessen wahrnehmen kann, ist sie rechtzeitig und umfassend zu unterrichten; ihr sind sämtliche zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, § 65 Abs. 1 LPVG NRW. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Beteiligte dem Antragsteller nach Überzeugung der Kammer die mit dem Antrag zu 2. erstrebten Unterlagen zur Verfügung stellen muss, damit dieser den ihm im Zusammenhang mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement auferlegten Überwachungsaufgaben nachkommen kann,

vgl. in diesem Zusammenhang OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2008 - 60 PV 9.07 -; VG München, Beschluss vom 12.11.2008 - M 20 P 08.3530 -.

Dieses Ergebnis, dass der Antragsteller nach Auffassung der Kammer einerseits Anspruch auf die mit dem Antrag zu 2. begehrten Informationen in anonymisierter Form hat, während ihm andererseits kein Anspruch auf die mit dem Antrag zu 1. erstrebten personenbezogenen Daten vor Zustimmung der Beschäftigten zusteht, ist das Ergebnis der zu einem Ausgleich zu bringenden gegenläufigen Interessen der Beschäftigten, die einem betrieblichen Eingliederungsmanagement unter Beteiligung der Personalvertretung (noch) nicht zugestimmt haben, einerseits und den Interessen der Personalvertretung an der Überwachung der (kollektiven) Maßnahme andererseits,

vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2008 - 60 PV 9.07- .

Dass der Beteiligte die mit dem Antrag zu 2. begehrten Informationen nicht leisten kann, ist weder - insbesondere in Ansehung von Ziff. 5 des Erlasses des Finanzministeriums NRW vom 06.11.2006 - P 2023 - 1 - II A 3/P 1815 - 1 - II A 2 - ersichtlich noch hat der Beteiligte dies dargetan.

Für eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsverfahren kein Raum.

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