FG Köln, Urteil vom 17.06.2009 - 11 K 3017/05
Fundstelle
openJur 2011, 67229
  • Rkr:
Tenor

Unter Änderung des Haftungsbescheids für Steuerschulden der P GmbH aus Um-satzsteuer 2003 vom 27.05.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.06.2005 wird die Haftungssumme auf 7.298 € herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 47 % und dem Beklagten zu 53 % auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Haftung der Klägerin für Steuerschulden der P GmbH (im folgenden: GmbH) aus Umsatzsteuer 2003 sowie für Säumniszuschläge.

Die Klägerin war seit der Gründung der GmbH im Jahr 1988 deren alleinige Geschäftsführerin. Sie stellte am 23.12.2003 für die GmbH einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde am 09.02.2004 eröffnet. Die GmbH hatte am 27.05.2004 (Tag des Erlasses des Haftungsbescheides gegenüber der Klägerin) nach den Angaben im Haftungsbescheid u.a. die folgenden Rückstände:

Fällig am Betrag Säumniszuschläge bis zum 23.12.2003 Umsatzsteuer II/2003 11.08.2003 30,50 € Umsatzsteuer II/2003 28.10.2003 3.434,96 € 68,00 € Umsatzsteuer Juli 2003 11.09.2003 14,00 € Umsatzsteuer Juli 2003 28.10.2003 4.922,39 € 98,00 € Umsatzsteuer August 2003 16.10.2003 6.800,00 € 204,00 € Umsatzsteuer September 2003 10.11.2003 6.300,05 € 126,00 € Umsatzsteuer Oktober 2003 10.12.2003 706,50 € 52,50 € Umsatzsteuer Oktober 2003 16.01.2004 2.936,11 € - 25.100,01 € 593,00 €

Die Steuerschulden resultierten aus

der eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 2. Quartal 2003 sowie der im Anschluss daran eingereichten berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldung, die zu einer Umsatzsteuererhöhung führte der berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juli 2003 den eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August und September 2003 (später reduziert auf Grund von eingereichten berichtigten Voranmeldungen) der eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für Oktober 2003 sowie der anschließend eingereichten berichtigten Voranmeldung, die zu einer Steuererhöhung führte.

Die Inanspruchnahme der GmbH hatte keinen Erfolg. Der Beklagte teilte daraufhin der Klägerin die beabsichtigte Haftungsinanspruchnahme für den Zeitraum vom 11.08.2003 (Tag der ältesten Fälligkeit der Umsatzsteuer für das 2. Quartal bei fristgerechter Abgabe einer zutreffenden Voranmeldung) bis zum 23.12.2003 (Tag des Eigenantrags der Klägerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) mit und gab ihr gleichzeitig Gelegenheit, sich hierzu zu äußern, insbesondere auch Auskunft über die in diesem Zeitraum bei der Gesellschaft noch vorhandenen Mittel und über die eventuell erfolgte Befriedigung von Gläubigern zu erteilen. Hierzu hatte der Beklagte der Klägerin den hierfür vorgesehenen Berechnungsbogen übermittelt.

Nachdem sich die Klägerin weder in der Sache geäußert noch die geforderten Berechnungen aus den Geschäftsunterlagen vorgelegt hatte, erließ der Beklagte am 27.05.2004 einen Haftungsbescheid. Die Inanspruchnahme erfolgte nach §§ 191, 69, 34 AO i.V.m. § 35 GmbHG wegen Verletzung der der Klägerin als Geschäftsführerin einer GmbH auferlegten Pflichten, insbesondere der Verpflichtung, die von der GmbH geschuldeten Steuern pünktlich anzumelden und an das Finanzamt abzuführen.

Dabei nahm der Beklagte die Klägerin mit einer Quote von 70 % der rückständigen Beträge in Höhe von 25.693,01 €, d.h. in Höhe von 17.985,10 €, in Haftung (70 % von 25.693,01 € = 17.985,10 €). Zwar habe die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Ermittlung der Haftungsquote verletzt. Bei der deshalb gebotenen Schätzung sei aber davon auszugehen, dass der GmbH keine ausreichenden Mittel zur Deckung aller Schulden zur Verfügung gestanden hätten. Hierauf deute die bilanzielle Unterdeckung zum 31.12.2001 hin. Eine Schätzung der Haftungsquote mit 70 % sei deshalb sachgerecht.

Den daraufhin eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass es zu dem finanziellen Engpass der GmbH wegen des Ausbleibens sicher geglaubter Aufträge und mehrerer Kundeninsolvenzen gekommen sei. Darüber hinaus habe der Beklagte zeitweise die Konten gepfändet mit der Folge, dass keine Schulden hätten beglichen werden können.

In der am 24.6.2005 ergangenen Einspruchsentscheidung wurde die Haftungssumme i.H.v. 2.452,07 € gemindert. Denn am 18.03.2004 und damit vor Erlass des Haftungsbescheides seien Steuererstattungsansprüche der GmbH in Höhe von 3.502,96 € mit der Umsatzsteuerschuld (und den Säumniszuschlägen) für das 2. Quartal 2003 verrechnet worden, was allerdings bei Erlass des Haftungsbescheids nicht berücksichtigt worden sei. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet angesehen. Es verblieb bei einer Haftungssumme i.H.v. 15.533,03 € (17.985,10 € - 2.452,07 € = 15.533,03 €). Dies wurde wie folgt begründet:

Rechtsgrundlage des Haftungsanspruchs sei § 69 AO i.V.m. § 34 AO und § 35 GmbHG. Die Klägerin sei als alleinige Geschäftsführerin der GmbH als solche gesetzliche Vertreterin im Sinne des § 34 AO i.V.m. § 35 GmbHG. In dieser Eigenschaft sei die Klägerin verpflichtet gewesen, Steuererklärungen pünktlich einzureichen und fällige Steuern aus den von ihr verwalteten Mitteln zu entrichten.

Weiterhin liege eine Pflichtverletzung vor. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen Juli und Oktober 2003 seien offenkundig pflichtwidrig mit einer zu geringen Umsatzsteuerschuld vorgelegt worden. Die in der Folge eingereichten berichtigten Anmeldungen führten zu einer erheblich höheren Steuerfestsetzung. Darüber hinaus habe die Klägerin während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin die Rückstände auf Grund der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Juli bis Oktober 2003 aus den von ihr verwalteten Mitteln nicht beglichen. Durch diese Handlungsweise seien die Pflichtverletzungen in der Person der Klägerin als gegeben anzusehen. Hierbei sei auch zu beachten, dass die Pflicht zur Steuerentrichtung nicht erst bei Fälligkeit der Steuerschulden bestanden habe. Ein gesetzlicher Vertreter verletze die ihm auferlegten Pflichten schon dann, wenn er sich durch die Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise vorsätzlich oder grob fahrlässig außer Stande setzte, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung zu tilgen (BFH-Urteil v. 26.4.1984, V R 128/79, BStBl. II 1984, 776, BFH-Urteil v. 12.6.1986, VII R 192/83, BStBl. II 1986, 657).

Die Pflichtverletzung der Klägerin sei auch grob fahrlässig erfolgt. Grob fahrlässig handele nämlich derjenige, der die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande sei, in ungewöhnlich hohem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletze (BFH-Urteil v. 3.2.1983, IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324; BFH-Urteil v. 21.7.1989, III R 303/84, BStBl. II 1989, 960). Wegen der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen und der Nichtentrichtung der festgesetzten fälligen Steuern sei das Verhalten der Klägerin zumindest als grob fahrlässig und damit schuldhaft anzusehen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, für den Fall, dass die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung der Ansprüche sämtlicher Gläubiger ausreichten, die rückständigen Ansprüche des Beklagten im etwa gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten der privaten Gläubiger (BFH-Urteil vom 26.4.1984, V R 128/79, BStBl. II 1984, 776).

Zur Beantwortung der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin die privaten Gläubiger gegenüber dem Finanzamt vorrangig befriedigt habe, sei die Klägerin ergebnislos zur Mitwirkung aufgefordert worden. Daher sei es unerheblich, dass grundsätzlich dem Beklagten nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die Pflicht treffe, die bevorzugte Befriedigung anderer Gläubiger und die Höhe des Haftungsumfangs nachzuweisen. Nachdem die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung nicht nachgekommen sei, sei es dem Beklagten nicht ohne weiteres möglich, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der anteiligen Tilgung anzuwenden. Gleichwohl sei nach Lage der Akten und den Verhältnissen des Falles ein Abschlag von der Haftungssumme vorzunehmen.

Ausweislich der für das 2. Quartal 2003 sowie die Monate Juli bis Oktober 2003 eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe die Gesellschaft Nettoumsätze i.H.v. 330.828 € erzielt. Darüber hinaus seien in den Monaten November und Dezember 2003 wahrscheinlich weitere Umsätze erzielt worden. Daraus sei zu schließen, dass im Haftungszeitraum grundsätzlich ausreichend finanzielle Mittel vorhanden gewesen seien, um die rückständigen Steuern zumindest teilweise zu begleichen. Diesbezüglich spiele es auch keine Rolle, dass nach dem Vortrag der Klägerin eine Schuldenbegleichung der GmbH bereits wegen vorliegender Pfändung des Beklagten nicht möglich gewesen sei. Denn die Kontenpfändung des Beklagten, ausgebracht am 02.09.2003, sei am 12.09.2003 wieder aufgehoben worden. Eine erneute Kontenpfändung sei erst am 04.12.2003 erfolgt. Zur Abgeltung verbleibender Unsicherheiten hinsichtlich der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der GmbH in dem Haftungszeitraum, insbesondere auch auf Grund der bilanziellen Unterdeckung zum 31.12.2001, sei es sachgerecht, von einer Haftungsquote von 70 % auszugehen.

Weiterhin sei die Pflichtverletzung der Klägerin für den Steuerausfall auch ursächlich gewesen. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen Juli und Oktober 2003 seien zunächst mit zu geringen Beträgen abgegeben worden. Daher hätten die zutreffenden Steuerbeträge nicht rechtzeitig festgesetzt werden können. Bei rechtzeitiger Anmeldung der richtigen Beträge wäre die Fälligkeit hingegen in die Zeit der Kontenpfändung im September 2003 gefallen und die Steuerbeträge wären beitreibbar gewesen.

In die Haftung mit einzubeziehen seien die Steueransprüche, die in Folge schuldhafter Pflichtverletzung der Klägerin nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden seien. Dies treffe im Streitfall auf 70 % der im Haftungsbescheid aufgeführten Steuerbeträge zu. Der Haftungszeitraum beginne am 11.08.2003, dem Tag der ältesten Fälligkeit bei fristgerechter Abgabe der zutreffenden Anmeldung für Juli 2003. Der Haftungszeitraum ende mit dem 23.12.2003, dem Tag der Antragstellung der Klägerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Es sei davon auszugehen, dass ab dem 23.12.2003 keine ausreichenden Mittel zur Schuldentilgung mehr zur Verfügung gestanden hätten.

Die Umsatzsteuerrückstände für Oktober 2003 seien zwar erst am 16.01.2004 fällig geworden. Gleichwohl seien sie in den Haftungsbescheid einzubeziehen, da sie bei fristgerechter Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Oktober 2003 bis zum 10.12.2003 (Fristverlängerung), also noch innerhalb des genannten Haftungszeitraums, fällig gewesen seien.

Bei Rückständen i.H.v. 22.190,05 € (25.693,01 € - 3.502,96 €) betrage die Haftungssumme 15.533,03 € (70 % von 22.190,05 €).

§ 69 Satz 2 AO erweitere die Haftung grundsätzlich auch auf die Säumniszuschläge. Nach der Rechtsprechung des BFH sei die Inanspruchnahme wegen entstandener Säumniszuschläge nur dann unbillig, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuern wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung nicht möglich gewesen sei. Im Streitfall sei auch hinsichtlich der bis zum 23.12.2003 entstandenen Säumniszuschläge von einer Haftungsquote von 70 % auszugehen.

Schließlich erfolge die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin innerhalb der Ermessensgrenzen des § 191 AO i.V.m. § 5 AO:

Der Beklagte habe die Steuerschuldnerin (GmbH) erfolglos zur Zahlung der rückständigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis aufgefordert. Es seien ihr gegenüber alle erdenkbaren Vollstreckungsmaßnahmen zur Einziehung der Forderungen ergriffen worden. Diese seien jedoch letztlich ohne Erfolg geblieben. Im Übrigen sei der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der den Haftungsansprüchen zugrunde liegenden Steueransprüche im Hinblick auf die dem Steuergläubiger obliegende Aufgabe, geschuldete Abgaben nach Möglichkeit vollständig und ohne Verzug zu erheben, nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft (vgl. BFH-Urteil vom 29.09.1987, VII R 54/84, BStBl. II 1988, 176; BFH-Urteil v. 13.06.1997, VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4). Solche außergewöhnlichen Umstände seien weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.

Da die Klägerin im Haftungszeitraum alleinige Geschäftsführerin der GmbH gewesen sei, sei auch gerade die Inhaftungnahme der Klägerin ermessensgerecht. Nach Lage der Akten seien darüber hinaus keine weiteren Personen (z.B. weitere Geschäftsführer) erkennbar, die zur Haftung für die Steuerschulden der GmbH herangezogen werden könnten.

Mit der am 27.07.2005 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Begehren. Eine Haftung komme nicht in Betracht, weil ihr keine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Sie habe unter Aufwendung erheblicher privater Mittel lange Zeit versucht, den Verpflichtungen der Firma nachzukommen und eine mögliche Insolvenz abzuwenden. Noch im Oktober 2003 habe sie Mittel aus einer Erbschaft für Zwecke der GmbH eingesetzt. Ihr sei überdies von der Firma N GmbH, d.h. der Firma, die sie bei den umfangreichen Bauarbeiten am Rathaus in G, H Bau, als Subunternehmer eingesetzt habe, ständig Hoffnung gemacht worden, es könne nur noch Tage oder wenige Wochen dauern, bis die Stadt G das von ihr selbst produzierte Problem mit dem Konservator gelöst habe und die GmbH tätig werden könne. Außerdem habe sie dem Beklagten den Forderungsstand der GmbH gegenüber ihrem damaligen einzigen Auftraggeber, der Firma N GmbH, ausdrücklich mitgeteilt. Dadurch habe der Beklagte einen Betrag i.H.v. ca. 26.000 € pfänden können. Durch diese Mitteilung habe sie den Beklagten sogar überproportional im Vergleich zu anderen Gläubigern der GmbH bedacht. Dass die gepfändeten Beträge an den Insolvenzverwalter hätten herausgegeben werden müssen, spiele keine Rolle, zumal dem Beklagten auch schon mehrere Monate vor der ergriffenen Pfändungsmaßnahme im Dezember 2003 bekannt gewesen sei, dass die Firma N GmbH der einzige Auftraggeber der GmbH gewesen sei. Eine Pfändung habe auch zu einem vorherigen Zeitpunkt erfolgreich sein können. Da sie auf Grund der Ermöglichung der Pfändung ihren Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei, sei es unerheblich, ob sie zuvor Erklärungspflichten verletzt habe.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass vom Beklagten mehr zu verlangen sei als lediglich die Pfändung von 26.000 € gegenüber der Firma N GmbH. Es sei klar, dass die GmbH einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Oberstadtdirektor der Stadt G habe verfolgen können. Denn in der Tatsache, sich selbst die Baugenehmigung erteilt zu haben, die zum Auftrag der Firma N GmbH und damit auch zum Subunternehmerauftrag an die GmbH geführt habe, obwohl die Baugenehmigung auf Grund der Intervention des Konservators keinen Bestand hätte haben können, liege eine tiefgreifende Pflichtverletzung vor, die zu vertraglichen Schadenersatzansprüchen, wenn nicht sogar zu deliktischen Schadenersatzansprüchen führe. Der Insolvenzverwalter habe sich im Umfang der Betroffenheit der GmbH die Schadenersatzansprüche von der Firma N GmbH abtreten lassen und gegenüber dem Oberstadtdirektor der Stadt G verfolgen können. Die Verfolgung dieser Schadenersatzansprüche hätte dem Beklagten eine Erhöhung der Quote beschert, die einem teilweisen Verzicht auf die Anfechtung gleichgekommen wäre. Diese Durchsetzung der Ansprüche hätte der Beklagte anstoßen bzw. unterstützen sollen oder ggf. nach erfolgter Unterabtretung selbst verfolgen sollen.

Anders als vom Beklagten gefordert, könne sie keine genauen Angaben zu Umsätzen, Forderungen und Verbindlichkeiten zu bestimmten Zeitpunkten im Jahr 2003 machen. Sie sei durch die Insolvenz der GmbH wirtschaftlich völlig ruiniert und daher nicht in der Lage, das Jahr 2003 buchhalterisch und abschlusstechnisch aufarbeiten zu lassen. Sie könne also aus ihren Büchern den genauen Umsatz nicht mitteilen, der im Übrigen, da es nur einen Auftraggeber gegeben habe, auf das reduziert werden müsse, was die Firma N GmbH im Jahre 2003 an die GmbH gezahlt habe. Zu Gunsten der Klägerin sei überdies zu berücksichtigen, dass die GmbH die Ist-Versteuerung vereinbart habe und mit großen Außenständen in Insolvenz gegangen sei, was der Insolvenzbericht bestätige. Bei Auswertung des Insolvenzberichts müsste daher von Amtswegen zurückgerechnet werden.

Schließlich gingen die existierenden Steuerschulden der GmbH einzig und allein kausal und nachweislich auf einen schwerwiegenden Organisationsmangel bei dem Oberstadtdirektor der Stadt G zurück. Dieser habe Aufträge erteilt, die er in der zunächst vertraglich geforderten Frist überhaupt nicht vergeben konnte. Dadurch sei schließlich der Schaden bei der GmbH entstanden, der zur Insolvenz geführt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid für Steuerschulden der P GmbH aus Umsatzsteuer 2003 vom 27.05.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.06.2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hält an seiner schon im Einspruchsverfahren geäußerten Auffassung fest. Insbesondere liege entgegen der Auffassung der Klägerin ein Verschulden im Sinne der haftungsrechtlichen Vorschriften vor. Hieran vermöge auch der Hinweis auf die Anfechtung der Rechtshandlung (Vollstreckungsmaßnahme des Beklagten) und die Erstattung der Beträge auf Grund der Anfechtung nichts zu ändern. Die Auskehrung der gepfändeten Beträge hindere die Haftungsinanspruchnahme für diese Steuerbeträge grundsätzlich nicht. Die Pflichtverletzung der Klägerin, die in der ursprünglichen Nichtzahlung der bereits früher fälligen Beträge liege, wirke insoweit fort. Dies ergebe sich bereits aus dem Schadenersatzcharakter des § 69 AO. Die Nichtzahlung durch die Klägerin am Fälligkeitstag sei für den Schaden kausal.

Im Übrigen sei auf Grund der Anfechtungserklärung und der daran anschließenden Auskehrung an die Insolvenzmasse von Beginn an keine Tilgung eingetreten. Deshalb fehle es rechtlich an einer Zahlung, die Steueransprüche zum Erlöschen gebracht habe. Bei der Berechnung der Haftungssumme seien solche Zahlungen nicht zu berücksichtigen. Diese Beträge seien auch deshalb nicht zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen, da nur die im Haftungszeitraum geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen seien. Dieser habe jedoch bereits am 23.12.2003 und damit vor Eingang der Drittschuldnerzahlungen am 09.01.2004 geendet.

Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin dazu verpflichtet gewesen sei, dem Insolvenzverwalter alle Ansprüche der GmbH mitzuteilen. Wenn hier also tatsächlich die von ihr behaupteten Ansprüche gegenüber der Stadt G bestanden haben sollten, hätte es ihr oblegen, den Insolvenzverwalter entsprechend zu informieren. Ihr Versuch, diese Pflichten auf den Beklagten zu übertragen, der naturgemäß nicht über ausreichende Sachverhaltskenntnisse verfüge, um den Insolvenzverwalter ausreichend zu informieren, liege neben der Sache. Daneben bliebe es ihr unbenommen, das Insolvenzgericht zu informieren, sollte der Insolvenzverwalter seinen Verpflichtungen nicht ausreichend nachkommen. Eine Abwälzung entsprechender Handlungspflichten auf den Beklagten, der von dem behaupteten Sachverhalt keine näheren Kenntnisse besäße, sei abwegig.

Soweit die Klägerin schließlich versuche, dem Beklagten ein (Mit-)Verschulden an dem Steuerausfall anzulasten, sei anzumerken, dass der Beklagte durchgängig unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze versucht habe, die rückständigen Steuerschulden durch entsprechende Pfändungsmaßnahmen beizutreiben. Dieser Versuch der Klägerin sei abwegig und gehe ins Leere. Im Übrigen verkenne die Klägerin, dass sie selber dazu verpflichtet gewesen sei, die in Rede stehenden Steuerschulden pünktlich und in zutreffender Höhe anzumelden und im Anschluss daran durch Zahlungen auszugleichen. Auf mangelnde Vollstreckungsmaßnahmen könne sie sich schließlich auch allein auf Grund ihrer vorangegangenen Pflichtverletzungen nicht erfolgreich berufen. Dies ergebe sich aus § 219 Satz 2 AO.

Soweit sich die Klägerin gegen die Ausführungen zur Ermittlung der Haftungsquote wende, bleibe es ihr unbenommen, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten den weiterhin ausstehenden Berechnungsbogen mit vollständigen und schlüssigen Zahlen einzureichen. Da der Klägerin für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe gewährt worden sei, könne sie sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass es ihr aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, den zur Ermittlung einer Haftungsquote erforderlichen Berechnungsbogen einzureichen. Soweit sich die Klägerin auf "Umsatzsteuerrückforderungen" berufen würde, verkenne sie, dass eine Umsatzsteuerkorrektur gemäß § 17 UStG erst zum Zeitpunkt des endgültigen Forderungsausfalls vorzunehmen sei. So lange und so weit der Insolvenzverwalter also noch von einer Realisierung der offenen Forderungen ausginge, komme eine Korrektur nicht in Betracht. Im Übrigen wäre zu berücksichtigen, dass zugleich gemäß § 17 UStG Vorsteuerkorrekturen vorzunehmen wären, soweit Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht ausgeglichen werden können. Nach alledem sei nicht erkennbar, dass sich in der Summe Rückforderungen ergeben würden. Abschließend sei anzumerken, dass die Voraussetzungen der Haftungsnorm nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung zu beurteilen seien. Zahlungseingänge oder Verrechnungen nach Ergehen der Einspruchsentscheidung beeinträchtigten die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids nicht, da es insoweit auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ankäme.

Am 23.08.2007 führte der zuständige Berichterstatter einen Erörterungstermin durch (Protokoll: Blatt 134 ff. der Gerichtsakte). Innerhalb dieses Erörterungstermins wies der Berichterstatter darauf hin, dass im Streitfall allenfalls eine Haftung der Klägerin für einen Betrag i.H.v. ca. 1.500 € in Betracht komme. Dieser Betrag ermittele sich im Wege der nach der Rechtsprechung insoweit zulässigen Schätzung auf der Grundlage des Insolvenzeröffnungsgutachtens vom 21.01.2004 und den vom Vertreter des Beklagten übergegebenen Kontoauszügen. Dabei berücksichtigte er folgende Beträge:

(1) Bruttoumsätze der GmbH im Haftungszeitraum: 380.000 €

(2) noch offene Forderungen zum Zeitpunkt des Insolvenzeröffnungsgutachtens: 20.000 €

(3) Begleichung von Betriebsschulden der GmbH im Haftungszeitraum: 360.000 €.

(4) Gesamtverbindlichkeiten im Haftungszeitraum: ca. 780.000 €

(5) Begleichung von 360.000 €, d.h. i.H.v. 46 %.

(6) Steuerverbindlichkeiten im Haftungszeitraum: 26.693 €

(7) Umsatzsteuerverbindlichkeiten aus Voranmeldungen vor dem Haftungszeitraum: 7.318 €

(8) Abzug des Betrages, der auf den Voranmeldungszeitraum Oktober 2003 entfällt: 2.936,11 €.

(9) Relevante Umsatzsteuerschuld im Haftungszeitraum: 30.445 €

(10) Bezahlung von insgesamt: 12.354 €

(11) Anwendung der Quote i.H.v. 46 % auf die offenen Steuerschulden i.H.v. 30.445 €: 14.004 €

(12) Verbleibender Haftungsbetrag: 14.004 € abzüglich 12.356 € = 1.644 €

Auf Grund dieser Berechnungen wurde vom Berichterstatter vorgeschlagen, den Haftungsbetrag auf einen Betrag i.H.v. 1.500 € zu reduzieren.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte sich mit dieser Lösung einverstanden.

Der Beklagte stimmte indessen nicht zu: Zunächst sei zu Punkt (1) zu berücksichtigen, dass es sich bei den vorangemeldeten Umsätzen i.H.v. 380.000 € um den Nettobetrag gehandelt habe. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass der Klägerin im entsprechenden Zeitraum 440.800 € zur Verfügung gestanden hätten (= 380.000 € zuzüglich 16 % Umsatzsteuer). Daneben sei eine Reduzierung dieses Betrags um 20.000 € (siehe Punkt (2)) nicht möglich. Dieser Betrag resultiere aus den am Ende des Haftungszeitraumes noch offenen Forderungen. Es müsse auf der anderen Seite aber auch berücksichtigt werden, dass zu Beginn des Haftungszeitraums ebenfalls offene Forderungen bestanden hätten, die ggf. im Haftungszeitraum bezahlt worden seien und zu einer zusätzlichen Liquidität der Klägerin geführt hätten. Daher werde angeregt, die am Ende noch offenen Forderungen außen vor zu lassen und gleichzeitig die zu Beginn des Haftungszeitraums bestandenen Forderungen nicht weiter zu beachten. Soweit der Berichterstatter der Berechnung der Gesamtverbindlichkeiten unter Punkt (3) die Angaben im Insolvenzgutachten zugrunde gelegt habe, sei zu beachten, dass ein Teil der Verbindlichkeiten erst nach Ende des Haftungszeitraums entstanden sei. Denn schließlich sei der Geschäftsbetrieb über den Tag der Insolvenzantragstellung hinaus fortgeführt worden.

Anhand dieser Punkte werde im Übrigen deutlich, welche Unsicherheiten bei der Berechnung zu Gunsten der Klägerin in Kauf genommen worden seien. Deshalb sei der Beklagte weiterhin der Auffassung, dass eine exakte Berechnung anhand der vorliegenden Unterlagen nicht möglich sei und daher ein Sicherheitszuschlag erforderlich sei, um die unterlassene Mitwirkung der Klägerin abzudecken.

Im Übrigen komme er nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass die Umsatzsteuerschulden Oktober 2003, anders als auch von ihm im Erörterungstermin vertreten (vgl. Blatt 134 ff. der Gerichtsakte), nicht aus dem Haftungsanspruch ausgeschieden werden könnten. Im Urteil vom 27.02.2007 habe der BFH nämlich keine generalisierende Aussage getroffen, dass in Bezug auf Steuerschulden, die in einem Zeitraum von 3 Wochen vor Insolvenzantragstellung fällig geworden seien, keine Pflichtverletzung anzunehmen sei. Vielmehr heiße es im Leitsatz nur, dass in diesem Zeitraum ein die Haftung nach § 69 AO begründendes Verschulden ausgeschlossen sein könne. Zugleich führe der BFH in diesem Urteil aus, dass sich derjenige, der bei vorliegender Insolvenz erkenne, dass für das Unternehmen keine Sanierungsmöglichkeit mehr bestehe und trotzdem nicht unverzüglich einen Insolvenzantrag stelle, nicht auf den Grundsatz der Massesicherung und damit den 3-Wochen-Zeitraum wegen bestehender Pflichtenkollision berufen könne. Letzteres greife vorliegend ein. Die Klägerin habe bereits deutlich mehr als 3 Wochen vor der Insolvenzantragstellung am 23.12.2003 erkennen können, dass das Unternehmen nicht mehr dazu in der Lage gewesen sei, sämtliche Verbindlichkeiten zurückzuführen. Denn übereinstimmend kämen der Berichterstatter und der Beklagte (wenn auch mit unterschiedlichen Haftungsquoten) zu dem Ergebnis, dass die GmbH im Haftungszeitraum (Beginn August 2003) nicht sämtliche Verbindlichkeiten habe tilgen können. Es stelle jedoch einen Wertungswiderspruch dar, wenn man einerseits davon ausgehe, dass schon ab August 2003 nicht mehr ausreichend Liquidität vorhanden gewesen sei, andererseits aber davon ausgehe, dass die Klägerin erst Anfang Dezember 2003 die Zahlungsunfähigkeit und/oder die Überschuldung habe erkennen können.

Nach Auffassung des Beklagten seien durch Pfändungsmaßnahmen im September 2003 nur Umsatzsteuerschulden für das erste und zweite Quartal 2003 i.H.v. insgesamt 5.096,33 € und darauf entfallene Säumniszuschläge i.H.v. 70,50 € beigetrieben worden. Nach alledem seien die Steuerschulden für den Haftungszeitraum wie folgt zu berechnen:

Offene Steuerschulden laut Haftungsbescheid: 25.693 €

Zuzüglich Umsatzsteuer 1. und 2. Quartal 2003 -

ausgeglichen auf Grund einer Pfändung: 5.166 €

Zuzüglich durch Umbuchung der

Körperschaftsteuerguthaben ausgeglichenen Schulden: 4.960 €

Zu tilgende Steuerschulden insgesamt: 35.819 €

Davon seien insgesamt 10.126 € getilgt worden.

Soweit im Erörterungstermin vom Berichterstatter überlegt worden sei, dass bei seiner Berechnung noch kein Erlass von Säumniszuschlägen i.H.v. 50 % berücksichtigt worden sei, obwohl bei der Liquiditätslage der GmbH die Voraussetzungen sicherlich erfüllt gewesen seien, sei dem Folgendes entgegenzuhalten: Säumniszuschläge seien nach der Rechtsprechung des BFH nur dann teilweise zu erlassen, wenn sie ihren Zweck verloren hätten, als Druckmittel zur pünktlichen Steuerzahlung zu dienen. Da jedoch noch im September 2003 erfolgreich durch eine Pfändung Steuerschulden hätten beigetrieben werden können und die Gesellschaft auch in der Folge sonstige Verbindlichkeiten offensichtlich zumindest teilweise ausgeglichen habe, hätten die Säumniszuschläge zumindest bis zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung eine Druckmittelfunktion gehabt und seien daher zu Recht und in vollem Umfang einzubeziehen. Im Übrigen sei zu betonen, dass der Beklagte nur Säumniszuschläge bis zum Tag der Insolvenzantragstellung berechnet habe. Nach der Rechtsprechung des BFH sei es jedoch zulässig gewesen, auch die Hälfte der nach Insolvenzantragstellung verwirkten Säumniszuschläge in den Haftungsanspruch einzubeziehen (BFH-Urteil vom 19.12.2000, VII R 63/99). Eine weitere Minderung der hier geltend gemachten Säumniszuschläge komme daher nicht in Betracht.

Soweit der Berichterstatter im Erörterungstermin außerdem auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 31.01.2006 hingewiesen habe, führe dies im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zu einer für die Klägerin günstigeren Beurteilung. Denn das Finanzgericht habe keine Aussage dahingehend getroffen, dass in Insolvenzfällen generell eine Quote von (maximal) 50 % zu schätzen sei. Es habe nur in dem entschiedenen Einzelfall die vom Finanzamt geschätzte Haftungsquote von 50 % bestätigt. Die Auffassung, dass bei Insolvenzfällen generell eine Quote von 50 % angemessen sei, werde damit nicht getroffen.

Nachdem nach Durchführung des Erörterungstermins bekannt geworden sei, dass die Klägerin durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 30.08.2005 (Az. 585 Ds 258/05) wegen Urkundenfälschung verurteilt worden sei (Blatt 171 ff. der Gerichtsakte), komme es auf den Grundsatz der anteiligen Tilgung hinsichtlich eines wesentlichen Teils der Umsatzsteuerschulden gar nicht mehr an. Nach diesem Urteil habe die Klägerin eine am 16.11.2001 durch das Finanzamt R erteilte Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 48b EStG verfälscht (siehe Blatt 219 der Gerichtsakte). Die allgemeine Gültigkeit der Bescheinigung sei auf den Zeitraum 01.01.2002 bis zum 31.12.2002 bestimmt gewesen. Weitere Angaben zur Gültigkeit der Bescheinigung seien nicht vorgenommen worden. Bei dieser Bescheinigung habe die Klägerin unter der Rubrik Ort und Gewerk "H Bau, Rathaus G", bei der Firmenbezeichnung eine "N GmbH, ... Straße ..., ... G" und ein Kreuzchen bei der Rubrik "bis zum Abschluss der Arbeiten" eingefügt. Das auf diese Weise ergänzte amtliche Dokument habe sie der Firma N GmbH übergeben, die daraufhin keine Bauabzugssteuer einbehalten und abgeführt habe. Auf Grund dieser Freistellungsbescheinigung habe der Leistungsempfänger, die Firma N GmbH, davon ausgehen können, dass die Freistellungsbescheinigung für das Projekt "H Bau" unabhängig von dem auf der Bescheinigung ebenfalls angegebenen allgemeinen Gültigkeitszeitraum (01.01.2002 bis 31.12.2002) bis zum tatsächlichen Abschluss der Arbeiten an diesem Projekt gelte.

Dem Vortrag der Klägerin, die Firma N GmbH hätte die Freistellungsbescheinigung vom 16.11.2001 so verstehen müssen, dass diese nur bis zum 31.12.2002 Gültigkeit habe, könne nicht gefolgt werden. Zwar sei auf dieser Bescheinigung ein allgemeiner Gültigkeitszeitraum angegeben gewesen, der am 31.12.2002 geendet habe. Durch den von der Klägerin auf der Bescheinigung angebrachten Zusatz habe indes die Firma N GmbH davon ausgehen können und dürfen, dass die Bescheinigung unabhängig von der allgemeinen Gültigkeit für das Projekt "H Bau" auch über den 31.12.2002 gültig gewesen sei. Durch diesen Zusatz sei der Eindruck erzeugt worden, dass die Bescheinigung für das konkret angegebene Projekt und den ausdrücklich genannten Leistungsempfänger bis zum Abschluss der entsprechenden Arbeiten Gültigkeit gehabt habe.

Die Freistellungsbescheinigung vom 16.11.2001 sei mithin durch die Verfälschung für das Jahr 2003 ungültig. Deshalb hätte bei sämtlichen Zahlungen des Jahres 2003 durch die Firma N GmbH das Unterlassen der Einbehaltung und Abführung einer 15 %igen Bauabzugssteuer nicht auf diese Bescheinigung gestützt werden können.

Die Firma N GmbH sei erst ab dem 16.9.2003 berechtigt gewesen, die Bauabzugssteuer nicht einzubehalten und abzuführen. Dies ergebe sich aus den zusätzlich zur Bescheinigung vom 16.11.2001 übergebenen Freistellungsbescheinigungen, die nach Mitteilung der Firma N GmbH dieser von der GmbH ausgehändigt worden seien. Im Einzelnen:

Datum der Freistellungsbescheinigung Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung Eingang der Freistellungsbescheinigung bei der Firma N 16.11.2001 01.01.2002 - 31.12.2002 nach Verfälschung durch die Klägerin für das Projekt "H Bau" verlängert bis zum Abschluss der Arbeiten 16.10.2002 30.01.2003 30.01.2003 - 30.04.2003 15.07.2004 16.09.2003 16.09.2003 - 15.09.2004 22.09.2003

Der Zugang der Freistellungsbescheinigungen bei der Firma N GmbH vom 16.11.2001 und 30.01.2003 ergebe sich aus Aufdrucken auf diesen Bescheinigungen. Ausweislich der vorgelegten Kopien sei die Freistellungsbescheinigung vom 16.11.2001 per Fax am 16.10.2002 übermittelt worden. Die Freistellungsbescheinigung vom 30.01.2003 sei mit Fax vom 15.07.2004 übermittelt worden (vgl. Blatt 219, 220 der Gerichtsakte).

Da die Freistellungsbescheinigung vom 30.01.2003 der Firma N GmbH durch die GmbH erst am 15.07.2004 vorgelegt worden sei, hätte auch bei den Zahlungen im Zeitraum 30.01.2003 bis 30.04.2003 durch die Firma N GmbH Bauabzugssteuer einbehalten und abgeführt werden müssen. Denn der Leistungsempfänger könne nur vom Steuerabzug absehen, wenn der Leistende eine Freistellungsbescheinigung vorlege, noch bevor für die Bauleistung eine Gegenleistung erbracht worden sei. Die Freistellungsbescheinigung vom 16.09.2003 sei der Firma N GmbH zeitnah vorgelegt worden. Für den Zeitraum ab dem 16.09.2003 sei der Klägerin daher diesbezüglich kein schuldhaftes Verhalten anzulasten. Für den Zeitraum 01.05.2003 bis 15.09.2003 habe weder der Firma N GmbH eine andere Freistellungsbescheinigung als die verfälschte Bescheinigung vom 16.11.2001 vorgelegen, noch habe der Beklagte für diesen Zeitraum überhaupt eine Freistellungsbescheinigung ausgestellt.

Nach alledem habe die Firma N GmbH im Zeitraum 01.01.2003 bis 15.09.2003 Bauabzugssteuer einbehalten und abführen müssen. Denn ihr hätten bei Anweisung der entsprechenden Zahlungen keine (gültigen) Freistellungsbescheinigungen vorgelegen. Es sei, wie schon ausgeführt, unerheblich, dass objektiv eine Bescheinigung für den Zeitraum 30.01.2003 bis 30.04.2003 existiert habe. Denn diese sei nicht zeitnah übergeben worden.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass der Grundsatz der anteiligen Tilgung insoweit nicht zur Anwendung gelange. Wäre nämlich die Bescheinigung vom 16.11.2001 durch die Klägerin nicht verfälscht worden, so hätte für die Firma N GmbH kein Grund bestanden, im Zeitraum 01.01.2003 bis 15.09.2003 von der Einbehaltung und Abführung von Bauabzugssteuer abzusehen. Die Klägerin habe also letztlich die Abführung dieser Steuer für diesen Zeitraum i.H.v. 40.133 € (15 % von 267.553 €, Zusammenstellung vergleiche Blatt 221 der Gerichtsakte) durch das vorsätzliche Verfälschen der Freistellungsbescheinigung und die Übergabe an die Firma N GmbH vereitelt. Dies habe kausal dazu geführt, dass Verrechnungsmöglichkeiten, insbesondere der Ausgleich wesentlicher Teile der in den Haftungsbescheid einbezogenen Umsatzsteuerschulden, vereitelt worden sei.

Der in Rede stehende Betrag der Bauabzugssteuer für das Jahr 2003 belaufe sich nach dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 30.08.2005 auf 40.133,08 €. Da für das Jahr 2003 eine Körperschaftsteuerschuld i.H.v. 0,- € im Wege der Schätzung ermittelt worden sei, wäre dieses Guthaben auf Grund einbehaltener Bauabzugssteuer mit der Durchführung der Jahresveranlagung 2003 frei geworden und hätte zunächst gem. § 48c EStG mit rückständigen Lohnsteuerschulden (ca. 19.000 €) verrechnet werden können. Das danach verbliebene Guthaben i.H.v. ca. 21.100 € hätte dann gemäß § 226 AO auf die in Rede stehenden rückständigen Umsatzsteuerschulden angerechnet werden können.

Der erforderliche haftungsbegründende Kausalzusammenhang zwischen der hier gegebenen Urkundenfälschung (= vorsätzliche Verletzung der steuerlichen Pflichten) und dem Haftungsschaden sei vorliegend also teilweise auch darin begründet, dass durch die gefälschte Freistellungsbescheinigung und der damit verbundenen unterlassenen Einbehaltung und Abführung von Bauabzugsteuer Verrechnungsmöglichkeiten des Beklagten in Bezug auf die in Rede stehenden Umsatzsteuerschulden vereitelt worden seien (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.03.1991, BStBl. II 1991, 678). In diesem Fall erfolge die Haftungsinanspruchnahme unabhängig von dem Umfang der sonstigen Gläubigerbefriedigung insoweit uneingeschränkt, als bei pflichtgemäßem Verhalten die rückständigen Steuern durch Verrechnungen ausgeglichen worden wären. Sei die Freistellungsbescheinigung nicht verfälscht und daher Bauabzugssteuer einbehalten und an das Finanzamt R abgeführt worden, seien die in Rede stehenden Umsatzsteuerschulden bei Durchführung der Körperschaftsteuerveranlagung 2003 zumindest i.H.v. ca. 21.100 € ausgeglichen worden. Die Fälschung sei also letztlich kausal für den eingetretenen Steuerausfall. Da die Haftungsnorm des § 69 AO Schadenersatzcharakter habe, habe die Klägerin für diesen Steuerausfall im Haftungswege einzustehen. Danach wäre sogar die Annahme einer Haftungsquote von 100 % für einen wesentlichen Teil der Umsatzsteuerschulden zutreffend gewesen. In jedem Falle aber sei die durch das Finanzamt geschätzte Haftungsquote von 70 % und die festgelegte Haftungssumme von 15.533 € (diese sei deutlich geringer als das bei pflichtgemäßen Verhalten zur Verrechnung mit den Umsatzteuerschulden zur Verfügung stehende Guthaben) nicht zu beanstanden. Dies gelte selbst dann, wenn der Grundsatz der anteiligen Tilgung zur Anwendung gelange.

Die Frage, ob die Klägerin neben der Urkundenfälschung auch eine Steuerhinterziehung begangen habe, sei vorliegend nicht entscheidungserheblich. Insofern sei es auch unerheblich, dass das Verfahren wegen Steuerhinterziehung nach § 154a StPO eingestellt worden sei (vgl. Blatt 171 ff. der Gerichtsakte). Denn bereits die Urkundenfälschung sei ursächlich für den eingetretenen Steuerschaden. Der Beklagte habe bisher auch nie den Haftungsanspruch mit einer Steuerhinterziehung begründet. Denn der Haftungsbescheid werde ausschließlich auf § 69 AO gestützt. Auf Grund der Einstellung des Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung gemäß § 154a StPO sei keine abschließende Prüfung erfolgt, ob durch die Klägerin neben der Urkundenfälschung auch eine Steuerhinterziehung begangen worden sei.

Schließlich führten auch die Ausführungen der Klägerin zu ihren "umsatzsteuerlichen Vorstellungen," die sie sich bei der Verfälschung der Freistellungsbescheinigung gemacht haben wolle, zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Freistellungsbescheinigung finde ihre Grundlage im Einkommensteuergesetz und damit im Ertragssteuerrecht. Sie erfordere daher keine Überlegungen, die für die Umsatzbesteuerung von Relevanz seien. Der Zusammenhang bzw. die Verbindung zur Umsatzsteuer ergebe sich aus dem System der Anrechnung von einbehaltener Bauabzugssteuer. Soweit nämlich entsprechende Beträge durch den Leistungsempfänger an das Finanzamt abgeführt worden seien, würden diese entsprechend der in § 48c EStG festgelegten Reihenfolge angerechnet. Soweit danach noch ein Guthaben verbliebe, werde dieses mit den übrigen Steuerschulden nach allgemeinen Grundsätzen verrechnet. Im konkreten Fall wäre daher nach Anrechnung auf die rückständigen Lohnsteuerschulden eine Verrechnung mit den hier in Rede stehenden Umsatzsteuerschulden erfolgt. Auf Grund dieser Aufrechnungsmöglichkeit nach § 226 AO, die die Klägerin durch die Verfälschung der Freistellungsbescheinigung vereitelt habe, komme es auch nicht darauf an, dass die Umsatzsteuer nicht zu den durch § 48b EStG zu sichernden Steueransprüchen gehöre. Insoweit zu § 48b EStG ergangene Rechtsprechung (z. B. FG Hamburg v. 6.3.2003, II 47/03) sei daher auch unerheblich.

Zu der nach der Durchführung des Erörterungstermins bekannt gewordenen Verurteilung der Klägerin durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 30.08.2005 nimmt die Klägerin wie folgt Stellung: Es sei unzutreffend, sie sei für schuldig befunden worden, eine Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 48b EStG gefälscht zu haben. Diese sei lediglich verfälscht worden. Sie habe geglaubt, die Angaben in den freigebliebenen Rubriken ergänzen zu müssen. Sie habe also alles besonders gut machen wollen. Ihre Schuld sei gering gewesen, was auch in dem Urteil seinen Ausdruck gefunden habe. Die mitangeklagte Steuerhinterziehung sei gemäß § 154a StPO vom Strafgericht nicht weiter verfolgt worden. Eine Steuerhinterziehung habe auch nicht vorgelegen, weil eben keine Freistellungsbescheinigung gefälscht worden sei. Bei Vorlage der ergänzten Freistellungsbescheinigung habe sich die Firma N GmbH genauso verhalten, wie sie sich verhalten hätte, wenn die Beklagte die Freistellungsbescheinigung nur dahingehend verfälscht hätte, dass sie auf das Bauvorhaben "H Rathaus", G, beschränkt worden sei. Es sei daher unzutreffend, dass die Nichtabführung der Bauabzugssteuer an das beklagte Finanzamt durch eine Fälschung der Klägerin verursacht worden sei. Denn die Bauabzugssteuer sei auch bei Verwendung der allgemeinen Freistellungserklärung und ohne die Verfälschung durch die Klägerin nicht an den Beklagten abgeführt worden.

Im Übrigen fehle es auch an dem für § 69 AO schuldhaften Handeln der Klägerin. Da bei ihr keine absichtliche Steuerhinterziehung vorliege, fehle es an diesem Merkmal.

Soweit die Firma N GmbH bestimmte Eingangsdaten hinsichtlich der Freistellungsbescheide angebe, würden diese bestritten. Sie seien unglaubhaft. Nach dem 22.09.2003 seien keine freiwilligen Zahlungen der Firma N GmbH mehr erfolgt, weil diese wohl schon auf die Insolvenz der GmbH spekuliert habe. Zum Zeitpunkt des 15.08.2004 sei die GmbH schon ein halbes Jahr in Insolvenz gewesen.

Schließlich habe das Strafurteil des AG Köln bezüglich der Bauabzugssteuer keine Feststellung getroffen, sondern im Tatbestand die diesbezüglich unzutreffende Ansicht der Strafsachenstelle lediglich wiederholt.

Letztlich komme es für die Frage der Haftung für Umsatzsteuerschulden nicht auf die Verfälschung der Freistellungsbescheinigung durch die Klägerin an. Denn nach h. M. gehöre die Umsatzsteuer nicht zu den durch § 48b EStG zu sichernden Steueransprüchen.

Auf das Gutachten im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der GmbH vom 21.01.2004, vorgelegt durch die Klägerin mit Klagebegründung vom 30.09.2005, wird verwiesen (Blatt 34 ff. der Gerichtsakte).

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Beklagte hat die Klägerin dem Grunde nach zu Recht für die Umsatzsteuerverbindlichkeiten Juli bis Oktober 2003 der P GmbH sowie die Säumniszuschläge in Haftung genommen. Die Inanspruchnahme ist indes in der Höhe zum Teil zu Unrecht erfolgt.

1. Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

a) Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer, § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 GmbHG. Er muss für die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten sorgen und deshalb Steuererklärungen rechtzeitig und wahrheitsgemäß abgeben (§ 18 Abs. 1, 3 UStG). Aus der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt sich darüber hinaus die Verpflichtung, die fälligen Steuern aus den verwalteten Mitteln zu bezahlen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004, VII R 19/02, BStBl. II 2004, 967; BFH-Beschluss vom 16.02.2006, VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

Die Klägerin, die seit der Gründung der GmbH im Jahr 1988 deren alleinige Geschäftsführerin war, hat diese Pflichten verletzt.

In den Umsatzsteuervoranmeldungen für Juli und Oktober 2003 wurde eine zu geringe Umsatzsteuerschuld ausgewiesen. Die in der Folge eingereichten berichtigten Anmeldungen führten zu einer erheblich höheren Steuerfestsetzung. Dies lässt den Schluss zu, dass die zunächst abgegebenen Voranmeldungen nicht sorgfältig und vollständig erstellt worden sind. Außerdem hat die Klägerin die ihr als Geschäftsführerin obliegenden Pflichten zur rechtzeitigen Zahlung der von der GmbH geschuldeten Umsatzsteuerbeträge Juli bis Oktober 2003 nicht erfüllt.

b) Die Klägerin hat die ihr obliegenden Pflichten zumindest auch in grob fahrlässiger Weise und damit schuldhaft verletzt. Denn nach der Rechtsprechung des BFH indiziert die in der Nichtentrichtung von Steuern liegende Pflichtwidrigkeit den gegenüber dem Geschäftsführer zu erhebenden Schuldvorwurf (BFH-Beschluss vom 25.07.2003, VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540; BFH-Urteil vom 04.12.2007, VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521).

Soweit die Klägerin einwendet, sie habe auf Grund der Kontenpfändung durch den Beklagten keine Zahlungen leisten können, vermag dies am Vorliegen der schuldhaften Pflichtverletzung nichts zu ändern. Denn die vom Beklagten im Haftungszeitraum ausgebrachte Kontenpfändung vom 02.09.2009 wurde am 12.09.2003 schon wieder aufgehoben. Eine erneute Kontenpfändung erfolgte erst am 04.12.2003. Ebenso wenig entfällt der Schuldvorwurf, entgegen der Auffassung der Klägerin, weil sie dem Beklagten durch Nennung ihres Hauptauftraggebers die Möglichkeit der Pfändung eröffnet hat und der Beklagte tatsächlich (zunächst) einen Betrag in Höhe von 26.000,- € erhalten hat. Denn auf Grund der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter musste der Betrag vom Beklagten wieder herausgegeben werden. Die Steuerschuld ist nicht beglichen worden. Zwar führt die Zahlung der Steuerschuld regelmäßig zu ihrem Erlöschen und damit (insoweit) zur Beendigung des Steuerschuldverhältnisses. Bei Steuerfälligkeiten, die in insolvenzreife Zeit fallen, bleibt dieses Steuerschuldverhältnis aber selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt gemäß § 144 InsO, dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt. Die Beendigung des Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt (BFH-Urteil v. 11.11.2008, VII R 19/08, BStBl. II 2009, 342).

Letztlich ändert auch der Einwand der Klägerin am Schuldvorwurf nichts, dass die Zahlungsschwierigkeiten maßgeblich durch die Bauverzögerungen bei ihrem einzigen großen Auftrag 2003 und durch die Hinhaltetaktik der Firma N GmbH verursacht worden seien. Denn zum Einen hingen die Umsatzsteuerverpflichtungen auf Grund der Ist-Versteuerung der GmbH von den tatsächlichen Zahlungen des Auftraggebers ab. Zudem gehört es bei Zahlungsschwierigkeiten zu den Pflichten der GmbH, ihre Steuerschulden in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft. Ein Geschäftsführer, der hiergegen verstößt, handelt in der Regel, d.h., soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen, zumindest grob fahrlässig (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom 11.03.2004, VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579).

c) Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung der Klägerin und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens besteht allerdings nur teilweise ein adäquater Kausalzusammenhang aufgrund des haftungsbegrenzenden Grundsatzes der anteiligen Tilgung.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist u.a. bei der Haftung für Umsatzsteuer der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung zu beachten. Dieser besagt, dass der gesetzliche Vertreter nach §§ 69, 34 AO nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, in dem er bei der Tilgung der Gesamtverbindlichkeiten das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat (BFH-Urteil vom 12.06.1986, VII R 192/83, BStBl. II 1986, 657; BFH-Urteil vom 14.07.1987, VII R 188/82, BStBl. II 1988, 172; BFH-Urteil vom 27.02.2007, VII R 60/05, BStBl. II 2008, 508; BFH-Urteil vom 04.12.2007, VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521). Denn verlangt wird von einem GmbH-Geschäftsführer, dass er in Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu einer in etwa anteiligen Befriedigung des Finanzamts und der übrigen Gläubiger verwendet. Der zu fordernde Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt entfällt, wenn mangels ausreichender Zahlungsmittel auch bei fristgerechter Abgabe der Steueranmeldung die geschuldete Steuer nicht hätte an das Finanzamt abgeführt werden können.

Die Feststellungslast für eine nicht anteilige, sondern nachteilige Befriedigung des Finanzamts trägt dieses (BFH-Urteil vom 11.07.1989, VII R 81/87, BStBl. II 1990, 357). Der Haftungsschuldner hat jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht besteht die Verpflichtung, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen hat das Finanzamt die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege gem. § 162 AO die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (BFH-Urteil vom 27.02.2007, VII R 60/05, BStBl. II 2008, 508). Die Berechnung erfolgt überschlägig (vgl. BFH-Urteil vom 12.7.1988, VII R 108-109/87, BFH/NV 1988, 764, m. w. N.; Rüsken in Klein, § 69 AO Rz. 58). Eine ungerechtfertigte Weigerung des Haftungsschuldners, in seinem Wissensbereich liegende Auskünfte zu erteilen, kann das Finanzamt bzw. das Finanzgericht zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen (BFH-Urteil vom 25.05.2004, VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498; BFH-Urteil vom 04.12.2007, VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521).

bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Grundsatz der anteiligen Tilgung vorliegend anzuwenden.

Dem Beklagten ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BFH der Grundsatz der anteiligen Tilgung im Ergebnis nicht zum Tragen kommt, wenn durch die unterlassene oder verspätete Abgabe von Steueranmeldungen bzw. -erklärungen aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten vereitelt oder Aufrechnungsmöglichkeiten des Finanzamtes verhindert werden. Solche Pflichtverletzungen können nämlich in diesen Fällen einen gesonderten Kausalverlauf in Gang setzen. In Fällen bestehender Aufrechnungsmöglichkeiten spielt die (teilweise) Zahlungsunfähigkeit der Steuerschuldnerin (GmbH) deshalb keine Rolle, weil die Aufrechnungsmöglichkeit der Finanzbehörden unabhängig von der Zahlungsfähigkeit der GmbH besteht (vgl. nur BFH-Urteil vom 25.04.1995, VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97 m. w. N.; Rüsken in Klein, 9. Aufl., § 69 AO Rz. 60).

Allerdings folgt das Gericht dem Beklagten insoweit nicht, als er einen haftungsbegründenden Kausalzusammenhang zwischen der Urkundenfälschung und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Schaden annimmt. Hieran fehlt es nach Auffassung des Gerichts. Ob es sich bei der Urkundenfälschung um eine vorsätzliche Verletzung der steuerlichen Pflichten im Sinne von § 69 AO handelt, kann daher dahin gestellt bleiben.

Die für die Haftung nach §§ 34, 69 AO erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Schaden richtet sich nach der sog. Adäquanztheorie. Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen (BFH-Urteil vom 25.04.1995, VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97; Rüsken in Klein, 9. Aufl., § 69 AO Rz. 130).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dies ergibt sich vor allem aus dem zeitlichen Ablauf sowie der Verrechnungsreihenfolge des § 48c EStG. Die von der Klägerin nach dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 30.08.2005 begangene Urkundenfälschung erfolgte Ende 2001 / Anfang 2002. Der "Erfolg" bestand darin, dass nach der Durchführung der Körperschaftsteuerveranlagung 2003 der GmbH im März 2004 (Schätzung der Besteuerungsgrundlagen) wegen des fehlenden Einbehalts und der fehlenden Abführung der Bauabzugssteuer durch die Firma N GmbH kein Verrechnungsguthaben vorhanden war, das mit den noch offenen Umsatzsteueransprüchen Juli 2003 bis Oktober 2003 bzw. den offenen Säumniszuschlägen aufgerechnet werden konnte.

Bei der Verfälschung der Freistellungsbescheinigung war es für die Klägerin nicht vorhersehbar, inwieweit sich die Bescheinigung im Jahr 2003 überhaupt auswirkt, da der Umfang der Bauverzögerungen auf Grund des Abstimmungsbedarfs mit dem Konservator nicht absehbar war. Ebenso wenig dürfte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt damit gerechnet haben, dass für das Jahr 2003 die Körperschaftsteuer mit "0" geschätzt wurde.

Schließlich war die Urkundenfälschung auch deshalb weder allgemein noch erfahrungsgemäß dazu geeignet, die Verrechnung der Abzugsbeträge mit der Umsatzsteuer Juli bis Oktober 2003 zu verhindern, weil eine Verrechnung mit Umsatzsteuer nach § 48c EStG lediglich subsidiär in Betracht kommt. Zunächst sieht das Gesetz ausdrücklich eine Anrechnung auf Lohnsteuer, Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sowie auf vom Leistenden im Sinne der §§ 48, 48a EStG anzumeldende und abzuführende Abzugsbeträge vor (§ 48c Abs. 1 Satz 1 EStG). Erst dann ist unter Beachtung der Voraussetzungen des § 226 AO eine weitergehende Aufrechnung möglich (Ebling in Blümich, § 48c EStG Rz. 23). Dass die Umsatzsteuer im Zusammenhang mit der Bauabzugsteuer regelmäßig keine Rolle spielt, wird schließlich auch dadurch bestätigt, dass im Rahmen des § 48b EStG, d.h. bei Erteilung der Freistellungsbescheinigung, maßgeblich Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Lohn-, Einkommen- oder Körperschaftsteuer relevant sind. Dies folgt ebenfalls aus der Anrechnungsvorschrift des § 48c Abs. 1 EStG, die Umsatzsteuerschulden nicht erwähnt. Für diese gibt es eine eigenständige Sicherung über die Regelung des Übergangs der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger in § 13b UStG (FG Hamburg, Beschluss vom 06.03.2003, II 47/03, DStRE 2003, 928; vgl. auch FG Münster, Urteil v. 27.03.2007, 1 K 3554/06 S, DStRE 2008, 448; Ebling in Blümich, § 48b EStG Rz. 30). Eine Vernachlässigung steuerlicher Pflichten in Bezug auf die Umsatzsteuer kann lediglich Indiz für mangelnde Erfüllung steuerlicher Pflichten allgemein sein (FG Hamburg, Beschluss vom 06.03.2003, II 47/03, DStRE 2003, 928; Ebling in Blümich, § 48b EStG Rz. 30).

Auf Grund des fehlenden adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen der Urkundenfälschung durch die Klägerin und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Schaden kommt es nicht darauf an, ob die Firma N GmbH gegebenenfalls aus anderen Gründen zumindest zeitweilig vom Steuerabzug absehen konnte. So kann es offen bleiben, ob bzw. wann die Klägerin die Freistellungsbescheinigung vom 30.01.2003 der Firma N GmbH übermittelt hat und inwieweit sich eine erteilte, ggf. erst nachträglich übergebene Bescheinigung im Rahmen des Steuerabzugs auswirkt.

cc) Der Beklagte hat die Klägerin in Anbetracht des Grundsatzes der anteiligen Tilgung zwar nur prozentual für die Umsatzsteuerschulden der GmbH in Haftung genommen. Allerdings hält die Höhe der durch den Beklagten ermittelten Haftungssumme einer Überprüfung nicht stand.

Die Klägerin hat dem Beklagten den für die Errechnung der Tilgungsquote vorgesehenen Berechnungsbogen nicht übermittelt und ist daher ihren Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachgekommen. Gleichwohl ist die Anwendung eines Prozentsatzes in Höhe von 70 % auf die noch bestehenden Steuerschulden der GmbH zu pauschal. Es ist nicht ausreichend, lediglich die sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen (2. Quartal bis einschließlich Oktober 2003) ergebenden Nettoumsätze in Höhe von 330.828 € unter dem Aspekt zu berücksichtigen, dass ausreichend finanzielle Mittel vorhanden gewesen seien, um die rückständigen Steuern zumindest teilweise zu begleichen und den Aspekt in die Betrachtung mit einzubeziehen, dass schon zum 31.12.2001 bei der GmbH eine bilanzielle Unterdeckung vorhanden gewesen sei. Dies wird der Anforderung des BFH, dass im Schätzungswege die Quote festzustellen ist, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (BFH-Urteil vom 27.02.2007, VII R 60/05, BStBl. II 2008, 508), nicht gerecht. Da zudem weiteres Zahlenmaterial auf Grund des Insolvenzgutachtens und der Umsatzsteuervoranmeldungen zur Verfügung stand, ist die vorgenommene Schätzung auch nicht unter dem Aspekt zu rechtfertigen, dass die fehlende Mitwirkung zu einer unter Umständen nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigt. Schließlich wird bei der alleinigen Anwendung der Haftungsquote in Höhe von 70 % auf die "verbliebene" Steuerschuld der GmbH die Haftungssumme nicht zutreffend berechnet. Zum einen ist die Haftungsquote auf die Steuerverbindlichkeiten im Haftungszeitraum anzuwenden. Zum anderen sind die im Haftungszeitraum beglichenen Steuerschulden der GmbH abzuziehen (vgl. Nacke, Die Haftung für Steuerschulden, 2. Aufl. 2007, Rz. 113 f.).

dd) Das Insolvenzgutachten, die Umsatzsteuervoranmeldungen, die inzwischen Grundlage des Umsatzsteuerjahresbescheids 2003 geworden sind, und schließlich die vom Beklagten vorgelegten Kontoauszüge der GmbH bieten eine ausreichende Grundlage, die anteilige Haftungsquote überschlägig sowie die Haftungssumme zu berechnen.

In der Berechnung sind auch die vom Beklagten in die Haftung nach § 69 Satz 2 AO miteinbezogenen Säumniszuschläge bis zum 23.12.2003 zu berücksichtigen. Denn die Haftung für Säumniszuschläge ist ebenfalls in ihrer Höhe von den möglicherweise nur anteiligen Tilgungspflichten für die Steuerschulden abhängig (Rüsken in Klein, § 69 AO Rz. 15).

( Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum

Mangels konkreter Details zu den Verbindlichkeiten der GmbH zu Beginn des Haftungszeitraums und zum Zuwachs der Verbindlichkeiten während des Haftungszeitraums sind die Gesamtverbindlichkeiten vorliegend im Wege der Rückrechnung ausgehend von den Angaben im Insolvenzgutachten vom 21.01.2004 zu ermitteln. Auf der Grundlage des Insolvenzgutachtens ist von einer Summe in Höhe von 215.000 € an Verbindlichkeiten am Ende des Haftungszeitraums auszugehen, wobei Steuerverbindlichkeiten an dieser Stelle grundsätzlich nicht eingerechnet werden. Lediglich die Lohnsteuer, soweit sie im Haftungszeitraum nicht getilgt wurde, ist bei der Berechnung mit einzubeziehen (vgl. BFH vom 27.02.2007, VII R 60/05, BStBl. II 2008, 508; OFD Hannover vom 11.12.2008, juris). Die Beträge im Einzelnen ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle:

Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 45.000,- Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 75.000,- Verbindlichkeiten aus Miete/Leasing 0,- Löhne/Gehälter: (Sozialabgaben: 54.000,- Nettolöhne: 22.000,- Lohnsteuer: 15.000,-) 85.000,- Steuern 0,- Sonst. Verbindlichkeiten 10.000,- Kosten Insolvenzverfahren, Masseverbindlichkeiten 0,- Summe 215.000,-

Diese Werte sind im Vergleich zum Insolvenzgutachten teilweise abgeändert. Bei den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten ist ein Betrag i.H.v. 75.000 € anzunehmen, da insoweit davon auszugehen ist, dass die Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum fällig waren (245.000,- abzüglich 170.000,-). Verbindlichkeiten aus Miete und Leasing werden nicht berücksichtigt, da sie erst nach dem Haftungszeitraum angefallen sind. Bei den Löhnen und Gehältern ist ein Abzug vorzunehmen, da Lohn sowie Lohnsteuer für einen Monat erst nach dem Haftungszeitraum angefallen ist. Daher ist von dem im Insolvenzgutachten angesetzten Betrag in Höhe von 91.000 € ein Abschlag i.H.v. 6.000 € (5.000 € Nettolohn zuzüglich 1.000 € Lohnsteuer) abzuziehen. Steuerverbindlichkeiten sind bei diesem Berechnungspunkt gänzlich auszulassen. Schließlich bestanden im Haftungszeitraum auch noch keine Verbindlichkeiten für die Kosten des Insolvenzverfahrens. Ebenso bestanden noch keine Masseverbindlichkeiten, weshalb sie nicht zu berücksichtigen sind.

Zur Berechnung der Gesamtverbindlichkeiten ist zu dieser Summe der Betrag hinzu zu addieren, der an Zahlungen im Haftungszeitraum an die GmbH geflossen ist. Soweit nämlich diese Mittel nicht mehr vorhanden sind, ist davon auszugehen, dass sie zur Begleichung von Verbindlichkeiten verwendet wurden. Der Eingang von Zahlungen im Haftungszeitraum wird unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen ermittelt, da nach Angabe der Klägerin die GmbH der Ist-Versteuerung unterlag. Im Einzelnen handelt es sich für die Monate August bis Oktober 2003 um folgende Werte:

Monat Nettoumsätze Umsatzsteuer August 2003 62.000,- 9.920,- September 2003 41.370,- 6.619.- Oktober 2003 78.512,- 12.562,- Summe 181.882,- 29.101,-

Für die Monate November und Dezember 2003 wurden keine Voranmeldungen abgegeben. Da davon auszugehen ist, dass auch in diesen Monaten (bis zum 23.12.2003) Mittel zugeflossen sind, wird zum Ausgleich des ansonsten fehlenden Betrages der Betrag für den August zu 100 % herangezogen, obwohl der Haftungszeitraum erst am 11.08.2003 begonnen hat. Zusätzlich wird im Schätzungsweg ein Betrag i.H.v. 29.017 € (brutto) hinzuaddiert. Damit ergibt sich ein Zahlungszufluss für den Haftungszeitraum i.H.v. 240.000 €.

Die Gesamtsumme der Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum beläuft sich damit auf 455.000 €.

Schließlich werden bei dieser Berechnung aus Vereinfachungsgründen Forderungen sowohl zu Beginn als auch am Ende des Haftungszeitraums außen vorgelassen. Insoweit wird unterstellt, dass diese von der Höhe vergleichbar sind. Dies entspricht auch dem Vortrag des Beklagten.

( Steuerverbindlichkeiten im Haftungszeitraum

Weiterhin sind die Steuerverbindlichkeiten zu berechnen. Hierbei wird die Lohnsteuer nicht berücksichtigt.

Der Steuerbetrag laut Haftungsbescheid beläuft sich auf 25.693 €. Während des Haftungszeitraums ist Umsatzsteuer bzw. damit verbundene Nebenleistungen beglichen worden in folgender Höhe:

Datum Umsatzsteuer / Zahlungsweise Betrag 21.08.2003 Sondervorauszahlung/Scheckzahlung 898,00 21.10.2003 Juli 2003, Überw./Lastschr. 1.400,00 15.09.2003 1. Vj. 2003, DSZ 2.036,00 15.09.2003 2. Vj. 2003, DSZ 3.060,00 15.09.2003 SZ, DSZ 8,50 21.10.2003 SZ, Überw./Lastschr. 14,00 15.09.2003 SZ, DSZ 40,00 15.09.2003 SZ, DSZ 30,50 Summe 7.487,00

Aus der Addierung der beiden vorstehenden Beträge i.H.v. 25.693 € und 7.487 € ergibt sich der Betrag der Steuerverbindlichkeiten, der im Haftungszeitraum fällig war. Allerdings ist dieser Betrag noch um 1.350 € zu erhöhen. Denn um diesen Betrag wurde die Steuerschuld im Haftungsbescheid auf Grund einer am 18.03.2004 erfolgten Verrechnung verringert. Auch dieser Betrag war indes eine während des Haftungszeitraums fällige Steuerverbindlichkeit. Daher beläuft sich die Summe auf einen Betrag i.H.v. 34.530 €.

Soweit im Laufe des Gerichtsverfahrens streitig war, ob von dieser Summe der auf den Oktober 2003 entfallene Betrag zu kürzen sei, ist dies durch die Entscheidung des BFH vom 23.09.2008 (VII R 27/07, BStBl. II 2009, 129) geklärt. Denn nach diesem Urteil hält der BFH an seiner vorherigen Rechtsprechung zum sogenannten "Drei-Wochen-Zeitraum", von dem noch in der BFH-Entscheidung vom 27.02.2007 (VII R 67/05, BStBl. II 2009, 348) die Rede war, auf Grund der geänderten BGH-Rechtsprechung nicht mehr fest. Auf Grund der Entscheidung des BFH vom 23.09.2008 haftet die Klägerin auch für die Umsatzsteuer Oktober 2003.

( Haftungsquote

Zur Berechnung der Haftungsquote sind die Verbindlichkeiten zu den Zahlungen im Haftungszeitraum ins Verhältnis zu setzen. Verbindlichkeiten liegen vor i.H.v. 489.530 € (455.000 € + 34.530 €). Zahlungen im Haftungszeitraum sind erfolgt i.H.v. 247.487 € (240.000 € + 7.487 €). Dies ergibt eine Haftungsquote von ca. 50 %.

( Haftungssumme

Diese Quote ist nun abschließend auf den Betrag der im Haftungszeitraum fälligen Steuerverbindlichkeiten anzuwenden. Allerdings ist vor Anwendung der Haftungsquote von diesem Betrag i.H.v. 34.530 € noch ein Abzug vorzunehmen i.H.v. 4.960 €, da nach Ende des Haftungszeitraums in dieser Höhe eine Verrechnung mit Körperschaftsteuerguthaben der GmbH erfolgte. Die Verrechnung gerade an dieser Stelle des Berechnungsschemas beruht auf der Entscheidung des BFH vom 30.12.2004 (VII B 145/04, BFH/NV 2005, 665). Es verbleiben damit nach Abzug von 4.960 € noch 29.570 €. 50 % dieses Betrages ergeben 14.785 €. Als letzter Schritt ist von diesem Betrag noch der Wert der Zahlungen im Haftungszeitraum abzuziehen. Daraus ergibt sich die Haftungssumme i.H.v. 7.298 € (14.785 € ./. 7.487 €).

d) Schließlich sind die vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen nach § 191 i.V.m. § 5 AO nicht zu beanstanden.

e) Die Klägerin haftet mithin für Umsatzsteuerschulden der GmbH sowie angefallene Säumniszuschläge nach §§ 34, 69 AO in Höhe von 7.298 €.

2. Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Das Gericht misst der Rechtssache insbesondere auf Grund der gegebenen Besonderheiten des Sachverhalts keine grundsätzliche Bedeutung zu.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i. V. m. § 709 ZPO.