OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.10.2008 - 8 A 3743/06
Fundstelle
openJur 2011, 65659
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 8 K 1/04
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 23. August 2006 geändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 4. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises Coesfeld vom 3. Dezember 2003 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf straßenverkehrsrechtliches Einschreiten gegen die verkehrsbedingte Lärm- und Abgasbelastung an seinem Wohnhaus M. in E. -C. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im Óbrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu ¾ und der Kläger zu ¼.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt das straßenverkehrsrechtliche Einschreiten des Beklagten zur Minderung der Lärm- und Abgasbelastung an dem X.----------weg (M. ) in E. -C1. . Er ist Eigentümer des an dem Weg gelegenen Hauses M. in E. . Das Anwesen befindet sich 2,4 km nordwestlich des Ortsteils C1. in einem im Norden von der B., im Süden von der M1.------straße, im Westen von der K und im Osten von der M2. umgrenzten Bereich. Östlich des Wohnhauses gabelt sich der Weg und der X.----------weg geht in südöstlicher Richtung ab. Von diesem zweigt im weiteren Verlauf der X.----------weg ab, der in südlicher Richtung zum Erholungsgebiet "C2. T." führt. Die X1.----------wege - ehemalige Interessentenwege - stehen seit 1986 im Eigentum der Gemeinde.

Der C3. T. entstand aufgrund des in den Jahren 1977 und 1978 auf dem landwirtschaftlichen Betrieb T1. erfolgten Sandabbaus. Mit Baugenehmigung vom 11. Dezember 1979 wurde dort zunächst im Nebenerwerb eine Pension eröffnet, die mit Genehmigung vom 11. November 1981 in einen Speise- und Beherbergungsbetrieb umgewandelt wurde. Ab diesem Zeitpunkt war das Grundstück verkehrsmäßig nicht mehr von Süden über den X.----------weg, sondern von Norden über die X1.----------wege erschlossen.

Am 1. April 1987 wurde der Bebauungsplan "Erholungsgebiet C3. T." öffentlich bekannt gemacht. Dieser erfasst die beiden miteinander verbundenen Baggerseen und deren Uferbereich, den ehemaligen Hof T1. und die nördlich davon gelegene Reithalle sowie eine westlich davon gelegene, als öffentlicher Parkplatz ausgewiesene Fläche. Die Haupterschließung der Gesamtanlage erfolgt ausweislich der Begründung von Norden über den N.-----weg , wie die X1.----------wege in ihrer Gesamtheit bezeichnet werden.

Jedenfalls ab 1996 wurde auf dem ehemaligen Hof T1. erneut ein Speise- und Beherbergungsbetrieb geführt, der seit Mai 1999 als "C4. G. " firmiert. Das Angebot der "C4. G.", das neben der Beherbergung und Verköstigung der Gäste auch die Durchführung von Veranstaltungen sowie Thementagen oder - wochenenden umfasst, richtet sich gezielt an Motorradfahrer. Es wird neben der Unterbringung in Zimmern auch die Möglichkeit angeboten, auf dem Betriebsgelände zu zelten. Die "C4. G." wirbt mit einem Internetauftritt für ihr Angebot.

Seit 1998 beschwerte sich der Kläger über die mit der Zunahme des Verkehrs an seinem Wohnhaus verbundenen Belästigungen durch Lärm und Abgase insbesondere durch den Motorradverkehr von und zur "C4. G.".

Der Beklagte lehnte einen Antrag des Klägers vom 31. August 2000, die X1.------- ---wege auf den landwirtschaftlichen Verkehr zu beschränken, unter dem 9. Oktober 2000 ab. Die nach Zurückweisung seines Widerspruchs vom Kläger hiergegen erhobene Klage hatte aus prozessualen Gründen keinen Erfolg.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2003 forderte der Kläger den Beklagten zur sofortigen Beendigung des aus seiner Sicht unzumutbaren Zustandes auf dem X.----------weg auf. Die "C4. G." sei mit Wissen und Wollen des Beklagten ein Treffpunkt für Motorradfahrer geworden. Täglich bis zu 5000 Motorradfahrer würden aufgrund der Hinweisschilder über einen Weg geführt, dem der Rechtscharakter einer Straße nicht zukomme. Dies stelle eine erhebliche, unzumutbare Störung seines Grundstücks mit Lärm und Abgasen dar.

Mit Bescheid vom 4. September 2003 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf verkehrsregelndes Einschreiten gegen den Motorradverkehr zur "C4. G." auf dem X.----------weg ab. Die Entscheidung über das Einschreiten stehe in seinem Ermessen; ein Anspruch des Klägers komme nur dann in Betracht, wenn die Sperrung des X2.----------weges für den öffentlichen Verkehr die einzig richtige Entscheidung darstelle, was nicht der Fall sei. Ob und inwieweit eine verkehrsregelnde Maßnahme zu treffen sei, hänge zum einen davon ab, ob der Verkehrslärm dem Betroffenen zuzumuten sei, zum anderen davon, ob der Weg funktionsgerecht oder funktionswidrig in Anspruch genommen werde. Im Rahmen der Prüfung, ob alternative Zufahrtsmöglichkeiten bestünden, seien die Belange des Straßenverkehrs und die Interessen der Anlieger anderer Straßen, ihrerseits vor übermäßigem Verkehr verschont zu bleiben, der als Folge verkehrslenkender Maßnahmen durch die Verlagerung des Verkehrs eintreten könne, in Rechnung zu stellen. Dies zu Grunde gelegt, könne der Kläger die begehrte straßenverkehrsrechtliche Regelung nicht verlangen. Der Verkehrslärm sei ihm zuzumuten. Die behauptete Verkehrsbelastung sei nicht nachgewiesen. Eine Gesundheitsgefährdung, die erst bei einem Dauerschallpegel ab 75 dB(B. ) angenommen werden könne, sei nicht erkennbar. Die Nutzung des Weges sei funktionsgerecht. Es handele sich zwar nicht um eine für den öffentlichen Verkehr gewidmete Straße, sondern um einen seit 1986 im Eigentum der Stadt E. stehenden Privatweg. Als tatsächlich-öffentlicher Weg unterliege er jedoch dem Straßenverkehrsrecht. Der öffentliche Verkehr könne geduldet werden, weil der Weg einer Zweckbindung nicht mehr unterliege. Dass die Verkehrssicherheit gewährleistet sei, ergebe sich aus einem Bericht der Kreispolizeibehörde D. vom 13. November 2002. Eine alternative Verkehrsführung komme nicht in Betracht. Die Zufahrt zur "C4. G." erfolge auch über die M2. . und M2. . durch die Ortslage von C1. . Diese Verteilung schaffe einen angemessenen Ausgleich zwischen den Belangen aller Anlieger. Bei einer Sperrung des X2.----------weges würde der gesamte Ziel- und Quellverkehr der "C4. G." durch die Ortslage geführt, was für die dortigen Anlieger eine einseitige, rechtswidrige Belastung darstellen würde. Die Erschließung der "C4. G." von der M2. scheitere an den hohen Kosten. Der Kläger müsse sich auch die Vorbelastung seines Grundstücks durch die Autobahn entgegenhalten lassen. Zudem liege das Grundstück im Außenbereich, weshalb dem Kläger eine höhere Lärmbelastung als im allgemeinen Wohngebiet zuzumuten sei. Nach alledem rechtfertige die Abwägung der Vor- und Nachteile selbst bei unterstellter Unzumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung das Absehen von verkehrslenkenden Maßnahmen.

Am 15. September 2003 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er könne - anders als die Anwohner der M2. und der M2. - nicht allein auf straßenverkehrsrechtliche Rechtsgrundlagen verwiesen werden. Kreisstraßen hätten schon nach ihrer gesetzlichen Funktion den überörtlichen Verkehr aufzunehmen, während der X.----------weg für den öffentlichen Verkehr nicht zugelassen worden sei. Die Erschließung der "C4. G." sei unzureichend, da eine Erschließung über Privatwege nicht in Betracht komme. Der Beklagte müsse sich diesen Planungsfehler zurechnen lassen.

Den Vorschlag des Landrates des Kreises D1. vom 29. September 2003, Anfang Mai 2004 eine Verkehrszählung auf dem X.----------weg durchzuführen, lehnte der Kläger am 1. Oktober 2003 verbunden mit der Anregung ab, eine Verkehrszählung bereits an dem unmittelbar folgenden Wochenende durchzuführen, an dem eine Großveranstaltung der "C4. G." geplant sei.

Der Landrat des Kreises D1. macht sich die Ermessenserwägungen des Beklagten zu Eigen und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2003 zurück.

Am 1. Januar 2004 hat der Kläger Klage erhoben.

Er hat geltend gemacht, die von der Verkehrsnutzung des X2.----------weges ausgehende Lärm- und Abgasbelästigung sei für ihn und seine Familie nicht mehr zumutbar. 80 % des Ziel- und Quellverkehrs von und zur "C4. G." werde über den X.----------weg geführt. Verkehrslärm dieses Ausmaßes sei nur auf rechtlich- öffentlichen Wegen ortsüblich, der X.----------weg sei jedoch ein Privatweg. Der Verkehr sei auch funktionswidrig. Der X.----------weg sei vom Bebauungsplan "C3. T. " nicht für die Erschließung der Freizeitanlage vorgesehen, da seine Belange anders als die Belange anderer Anlieger nicht in die Abwägung eingestellt worden seien. Eine Erschließung sei ohne Widmung auch gar nicht möglich, weil ansonsten das Erfordernis förmlicher Straßenplanung unterlaufen werden könnte. Seit 1996 gehe die Nutzung der Freizeitanlage über die Festsetzungen im Bebauungsplan hinaus. Er könne nicht nachvollziehen, warum die Erschließung nicht auch von Süden in Betracht komme. Der Beklagte habe den Verkehr auf dem X.------ ----weg ohne Rechtsgrundlage zugelassen. Die Hinweisschilder, die den Verkehr zur "C4. G." über diesen Weg leiteten, seien daher rechtswidrig, da der Privatweg als Ortsumgehungs- und Entlastungsstraße missbraucht werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Verfügung des Beklagten vom 4. September 2003 und den Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises D1. vom 3. Dezember 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Durchgangsverkehr an dem X.--- -------weg durch das Zeichen 260 mit dem Zusatz "Anlieger frei" zu unterbinden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, es sei eine bloße Vermutung des Klägers, dass 80% des Ziel- und Quellverkehrs über den X.---------- weg liefen. Der Bebauungsplan sehe die Erschließung der Freizeitanlage auch über diesen Weg vor. Die Nutzung der Wege sei infolge der Duldung durch die Stadt E. als deren Eigentümerin auch zulässig, der Verkehr daher funktionsgerecht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. August 2006 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die tatbestandlichen Vorgaben für ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO lägen nicht vor. Es fehle auf der Grundlage des klägerischen Vortrags an hinreichend konkreten Anhaltspunkten für ein Überschreiten der hier maßgeblichen Grenzwerte der 16. BImSchV. Eine für den Kläger günstigere Entscheidung sei auch dann nicht geboten, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO zugunsten des Klägers zugrunde gelegt würden. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden. Den Interessen des Klägers an einer Unterbindung der Verkehrsbelastung vor seinem Wohnhaus sei zu Recht im Rahmen der gebotenen Abwägung gegenüber den berechtigten Interessen der Anlieger der Straßen innerhalb der Ortslage ein geringeres Gewicht zugemessen worden.

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung führt der Kläger ergänzend aus: Die 16. BImSchV sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts vorliegend als Orientierungshilfe nicht heranzuziehen. Dies komme nur bei rechtlich-öffentlichen Wegen in Betracht. Die Nutzung für den öffentlichen Verkehr sei bei einem X.----------weg , der der Erschließung landwirtschaftlicher Flächen und dem Anliegerverkehr diene, nicht ortsüblich und daher funktionswidrig. Die Interessen der Anwohner anderer Straßen stünden unter Folgenbeseitigungsgesichtspunkten dem Begehren des Klägers nicht entgegen. Der Sachverhalt sei zudem nicht ausreichend aufgeklärt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 23. August 2006 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seiner Verfügung vom 4. September 2003 und des Widerspruchsbescheids des Landrates des Kreises D1. vom 2. Dezember 2003 zu verpflichten, den Verkehr zur "C4. G." am Wohnhaus des Klägers M. in E. -C1. durch Verkehrszeichen zu unterbinden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt ergänzend vor: Die Durchführung einer Verkehrszählung lehne er weiter ab, weil davon auszugehen sei, dass der Kläger das Ergebnis nicht akzeptiere. Selbst die tatbestandlichen Vorgaben des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO unterstellt, komme eine Sperrung des X3.---------weges wegen der Folgewirkungen in anderen Bereichen, insbesondere der Ortslage C. , ohnehin nicht in Betracht. Alternative Erschließungsmöglichkeiten für die "C4. G." befänden sich derzeit im Stadium der Rahmenplanung.

Die Berichterstatterin hat am 26. September 2008 die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses des Ortstermins wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verfahrens- und Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte seinen Antrag auf straßenverkehrsrechtliches Einschreiten gegen die verkehrsbedingte Lärm- und Abgasbelastung auf dem X.----------weg unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 4. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises D1. vom 3. Dezember 2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 9 StVO für ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten des Beklagten liegen hinsichtlich der durch den Zu- und Abgangsverkehr der "C4. G." verursachten Verkehrsimmissionen vor, vgl. dazu unter 1. Die vom Beklagten getroffene Entscheidung erweist sich als ermessensfehlerhaft, vgl. dazu unten 2. b). Der geltend gemachte Anspruch auf Unterbindung des Verkehrs zur "C4. G." steht dem Kläger indessen nicht zu, vgl. dazu unten 2 c).

1. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten oder den Verkehr umleiten. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO verlangt zudem für Beschränkungen des fließenden Verkehrs, dass die Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen auf Grund besonderer Umstände zwingend geboten ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist eine Gefahrenlage erforderlich, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt.

Vgl. zu § 45 Abs. 9 StVO: BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 - 3 C 23.00 -, NJW 2001, 3139; OVG Bremen, Urteil vom 10. November 1998 - 1 BA 20/97 -, VRS 98 (2000), Nr. 21, 53 ff.

a) § 45 Abs. 1 StVO ist grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit gerichtet. Der Einzelne hat nur dann einen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde gerichteten Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten, wenn eine Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 45 Abs. 1 StVO umfassen nicht nur die Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Dazu gehört auch der Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen, insbesondere soweit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO Anordnungen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen vorsieht. Soweit die Bestimmung gegen derartige grundrechtsgefährdende oder billigerweise nicht mehr zuzumutende Verkehrseinwirkungen schützen will, kann ein öffentlichrechtlicher Individualanspruch eines Straßenanliegers gegeben sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234; BayVGH, Urteil vom 18. Februar 2002 - 11 B 00.1769 -, VRS 103 (2002), Nr. 12, 34 ff.

b) Ein Einschreiten zum Schutz vor Verkehrsimmissionen setzt nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO nicht voraus, dass gesetzlich bestimmte Schall- oder Schadstoffgrenzwerte überschritten werden; maßgeblich ist vielmehr, ob die Verkehrsimmissionen Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234.

Die Vorschriften der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) können bei der Beurteilung der zumutbaren Lärmbelästigung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO jedoch als Orientierungshilfe herangezogen werden, weil sie ganz allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck bringen, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung anzunehmen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1993 - 11 C 45.92 -, DVBl 1994, 758; BayVGH, Urteil vom 18. Februar 2002 - 11 B 00.1769 -, VRS 103 (2002), Nr. 12, 34 ff.; OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2006 - 8 B. 4840/05 -, NWVBl 2007, 272.

Die Lärmwertberechnungen nach der 16. BImSchV tragen der linienförmigen Ausbreitung der Verkehrsimmissionen Rechnung und berücksichtigen die durch Pegelspitzen geprägte, typische Geräuschcharakteristik des Straßenverkehrslärms.

c) Eine Orientierung an den Richtwerten der 16. BImSchV wird den lärmrelevanten Besonderheiten allerdings umso weniger gerecht, je mehr der Verkehr sich im Einzelfall in atypischer Weise von dem auf öffentlichen Straßen üblicherweise auftretenden Verkehr unterscheidet.

Auf Hauptverkehrsstraßen werden die Lärmimmissionen ganz überwiegend von Personen- und Lastkraftwagen verursacht. Diese Immissionen treten im fließenden Verkehr tags und nachts auch mehr oder weniger regelmäßig auf.

Diese tatsächlichen Gegebenheiten spiegeln sich auch im Regelwerk der 16. BImSchV wider. Grundlage der Berechnung der Mittelungspegel nach § 3 der 16. BImSchV i.V.m. der Anlage 1 zu der 16. BImSchV und den maßgeblichen Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen - Ausgabe 1990 - (RLS-90, VkBl. 1990, lfd. Nr. 79) ist die Verkehrsstärke in Kraftfahrzeugen je Stunde. Neben dem Anteil der Lkw am Gesamtverkehr werden noch die Straßenoberfläche, die zulässige Höchstgeschwindigkeit, der Einfluss von Steigungen und Gefällen sowie die erhöhte Störwirkung von lichtzeichengeregelten Kreuzungen und Einmündungen eingestellt. Jahreszeit- oder witterungsbedingte Abweichungen im Kraftfahrzeugaufkommen bleiben dagegen außer Betracht, da sie im Regelfall über das Jahr hinweg gesehen von untergeordneter Bedeutung sind und im fließenden Verkehr untergehen. Dies gilt insbesondere auch für den - Schwankungen unterliegenden - Anteil der Motorräder am Gesamtverkehr.

Zwar beträgt der Anteil der motorisierten Zweiräder mit 5,6 Millionen gemessen am Kraftfahrzeugbestand des Jahres 2005 mit 56,2 Millionen bereits etwa 10% und ist damit seit 1991 um 49% angestiegen.

Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2006 (Hrsg): Verkehr in Zahlen 2006/2007, rech. im Internet unter www.umweltbundesamt- umweltdeutschland.de/umweltdaten, Stichwort "Kraftfahrzeugbestand".

Motorräder werden indes regelmäßig nicht ganzjährig genutzt. Vielfach werden sie als Freizeitobjekt und dann bevorzugt im Sommerhalbjahr, an Wochenenden und bei Sonnenschein benutzt. Auch im Berufsverkehr erfolgt der Einsatz meist saisongebunden.

Allerdings haben Motorräder nicht nur deutlich schlechtere Abgaswerte als Personenkraftwagen, sie sind ihrer Lautstärke nach auch eher mit Lastkraftwagen zu vergleichen. Sie weisen darüber hinaus eine vom Betroffenen als besonders lästig empfundene Geräuschstruktur auf. Merkmale der Belästigung sind die Auffälligkeit, die Rauhigkeit des Klanges, die Frequenzzusammensetzung und die Informationshaltigkeit des Geräuschs. Bei Beschleunigungsvorgängen wird der Lärm von Motorrädern zudem wegen des besonders hohen Einflusses der Gaswechselgeräusche (Ansaug- und Auspuffgeräusche) als deutlich unangenehmer empfunden als der von Personen- oder Lastkraftwagen. Von Bedeutung für die Beurteilung der Lästigkeit ist ferner die Ballung des Motorradaufkommens an klimatisch schönen Wochenenden, Feiertagen und in Ferienzeiten, die auf die Erwartungshaltung der sich dann verstärkt im Freien aufhaltenden und Erholung suchenden Anlieger trifft, sowie die Vermeidbarkeit des Geräuschs.

Vgl. die Dokumentation des Bundesumweltministeriums "Motorrad und Umwelt", S. 15, S. 30 ff. und S. 44 ff., sowie Kühne, Lärmprobleme mit motorisierten Zweirädern in: Lärmbekämpfung, Bd. 3 (2008) Nr. 5.

Je nachdem, ob der Motorradanteil im Gesamtverkehr - wie im Regelfall - untergeht oder - in atypischer Weise - in den Vordergrund tritt, kann neben der uneingeschränkten oder modifizierten Heranziehung der 16. BImSchV auch in Betracht kommen, von deren Anwendung abzusehen, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen. Die rechnerische Berücksichtigung des Motorradanteils entsprechend dem Lkw-Anteil im Rahmen der Anwendung der 16. BImSchV kann zwar bei der Beurteilung der Lärmbelastung selbst bei einem überproportional hohen Motorradanteil am Gesamtverkehr an einer Hauptverkehrsstraße je nach Sachlage noch einen zuverlässigen Anhalt für den Grad der Belästigung bieten. Selbst eine derart modifizierte Anwendung der 16. BImSchV wird der spezifischen Lästigkeit des Motorradlärms allerdings umso weniger gerecht, je höher der Anteil der Motorräder am Gesamtverkehr im Einzelfall ist. Die akustische Situation am Immissionsort ist jedenfalls bei einem Verkehrsaufkommen, das sich ausschließlich oder ganz überwiegend aus Motorrädern zusammensetzt, mit einem Mittelungswert nicht mehr angemessen beschrieben. Die Heranziehung der 16. BImSchV scheidet dann insgesamt aus.

Im Rahmen der Prüfung, welcher Verkehrslärmschutz rechtlich und zulässig im Einzelfall geboten ist, sind ferner andere Besonderheiten des Einzelfalles maßgeblich. So ist auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit sowie auf das Vorhandensein bzw. das Fehlen einer bereits gegebenen Lärmvorbelastung abzustellen. Von Bedeutung für die Bewertung der Zumutbarkeit des Lärms ist insbesondere auch, ob der ihn auslösende Verkehr die betroffenen Straßen funktionsgerecht oder funktionswidrig in Anspruch nimmt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 2000 - 3 C 14.99 -, NJW 2000, 2121, vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234, und vom 27. August 1998 - 4 C 5.08 - NVwZ 1999, 523; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. Mai 1997 - 5 S 1842/95 -, NVwZ- RR 1998, 682.

Ein Anlieger hat nämlich grundsätzlich nur den Verkehr zu dulden, der der funktionsgerechten Inanspruchnahme der Straße dient.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 2000 - 3 C 14.99 -, NJW 2000, 2121; OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2006 - 8 B. 4840/05 -, NWVBl 2007, 272.

Letzteres gilt auch für die abgasbedingte Immissionsbelastung.

d) Gemessen an diesen Grundsätzen liegen die tatbestandlichen Vorgaben des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Abs. 9 StVO für ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten des Beklagten gegen die Verkehrsimmissionen vor, die aufgrund des Zu- und Abgangsverkehrs der "C4. G." an dem Wohnhaus des Klägers auftreten. Diese Immissionsbelastung ist dem Kläger schon deshalb nicht zumutbar, weil der X.--------- -weg insoweit nicht funktionsgerecht in Anspruch genommen wird.

Der auf einer Straße ablaufende Verkehr ist nicht mehr funktionsgerecht, wenn er sich nicht im Einklang mit dem Straßen- und Straßenverkehrsrecht befindet.

vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 - 3 C 14.99 -, NJW 2000, 2121.

Der Verkehr auf dem X.----------weg läuft den straßenrechtlichen Vorgaben zuwider.

Die straßenrechtliche Funktion des X3.---------weges , dem - wovon die Beteiligten zu Recht ausgehen - nicht die rechtliche Qualität einer öffentlichen Straße im Sinne des Straßenrechts, sondern eines Privatweges zukommt, bestimmt sich nach der Reichweite des mit Wissen und Wollen der Gemeinde als Eigentümerin zugelassenen Verkehrs. Als Teil des sog. Markenweges dient der Weg unter anderem der verkehrlichen Erschließung des im Bebauungsplan vom 1. April 1987 ausgewiesenen Erholungsgebiets "C3. T. " einschließlich der Erholungssondergebiete nach § 10 BauNVO. Der dieser Zwecksetzung zu Grunde liegende Planungswille der Gemeinde umfasst notwendig ihren Willen als Eigentümerin der Straße, den entsprechenden Verkehr zuzulassen, begrenzt diesen allerdings auch. Das von einem mit dem Planungswillen der Gemeinde nicht mehr zu vereinbarenden Betrieb hervorgerufene Verkehrsaufkommen ist daher auch straßenrechtlich funktionswidrig.

So liegt der Fall hier. Jedenfalls mit der Struktur, der Zweckbestimmung und dem Nutzungsumfang, den der Betrieb auf dem Gelände des ehemaligen Ferienhofes T1. beginnend mit seiner Eröffnung im Mai 1999 angenommen hat, ist der von der Gemeinde mit dem Bebauungsplan angestrebte Gebietscharakter auch bei Zugrundelegung eines weiten Gebietsrahmens aufgegeben worden.

Vgl. zu ähnlichen Konstellationen: OVG NRW, Urteil vom 5. Februar 1996 - 10 B. 944/91 - und Beschluss vom 8. Januar 2007 - 7 B 2521/06 -.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der Gebietscharakter und die Eigenart eines konkreten Erholungssondergebiets nach § 10 Abs. 1 BauNVO ist der Zweckbestimmung, die die Gemeinde gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 BauNVO im Bebauungsplan festgelegt hat, zu entnehmen. Neben der tatsächlichen Situation im Baugebiet sind in erster Linie die Planungsziele, die sich aus den textlichen und zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans selbst ergeben, maßgebend. Darüber hinaus ist zur Ermittlung des Planungswillens der Gemeinde sowie zur Auslegung der Festsetzungen auch die schriftliche Begründung des Bebauungsplans heranzuziehen. Ein Vorhaben widerspricht der Eigenart des Baugebiets dann, wenn es nach Art, Umfang oder Zweckbestimmung in einem nicht nur unwesentlichen Gegensatz zu der nach dem Bebauungsplan unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse angestrebten Struktur des betreffenden Gebiets steht.

Vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 10 BauNVO, Rn. 9 und 12; Bielenberg in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 15 BauNVO, Rn. 20 ff.

Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans "Erholungsgebiet C3. T. " vom 1. April 1987 sind in dem mit "SO 1" gekennzeichneten Baugebiet ausschließlich ein Pensionsbetrieb nebst Gast- und Speisewirtschaft, Surfschulungs- und Aufenthaltsgebäude einschließlich zugehöriger Nebenanlagen sowie Stellplätze und Garagen, jedoch ausschließlich für den durch die zugelassenen Nutzungen verursachten Bedarf, zulässig. Ausweislich der Begründung ist Ziel der Planung die Schaffung eines Naherholungsgebiets, das insbesondere der E1. Bevölkerung Gelegenheit zur Freizeitgestaltung und Kommunikation durch Wanderungen, Angelsport und Segel- bzw. Surfsport bieten soll.

Die "C4. G." weist im Gegensatz zu dieser Zweckbestimmung eine eindeutig überörtliche Zielrichtung auf. Sie spricht mit ihrem Angebot nicht die Erholung suchende Bevölkerung umliegender Ortschaften an, sondern umwirbt gezielt und ohne örtliche Präferenzen (Freizeit)Motorradfahrer, für die neben dem am Zielort beabsichtigten Gemeinschaftserlebnis auch das Fahrerlebnis als solches im Vordergrund der individuellen Freizeitgestaltung steht. Dieses abgeschlossene Kundensegment, und nicht - wie von der Planung gewünscht - die Nähe des Sees und die mit ihm verbundenen Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten, bestimmt auch die Struktur des Betriebes. Diese wird maßgeblich von dem auf die Freizeitinteressen des Kundenkreises abgestimmten Veranstaltungsprogramm geprägt, das Thementage und -wochenenden sowie Musikveranstaltungen auf einer Freiluftbühne umfasst und Eventcharakter aufweist. Dieser veränderten Zweckbestimmung ordnen sich der ursprüngliche Pensions- und Gaststättenbetrieb unter. Insoweit ist die Nutzung zudem nicht nur deutlich über das vom Bebauungsplan vorgesehene Maß hinaus intensiviert, sondern auch ihrer Art nach grundlegend verändert worden, und zwar ungeachtet der mit Nutzungsänderungsgenehmigung vom 9. Mai 2003 erfolgten letzten Erweiterung des Hotelbetriebes von 12 auf 21 Gästezimmer. Während im Nutzungsänderungsverfahren noch von einer Belegung der Zimmer mit 39 Betten ausgegangen wurde, werden nämlich auch Drei- und Vierbettzimmer sowie die gemeinschaftliche Unterbringung einer unbekannten Anzahl von Personen in einem sog. Matratzenlager angeboten. Dazu tritt mit dem Angebot entgeltlicher Übernachtungen in Zelten auf dem Betriebsgelände eine neue Nutzungsart, die es einer noch weit über die Hotelkapazität hinausgehenden Zahl von Kunden ermöglicht, das Veranstaltungs- und Freizeitangebot der "C4. G." wahrzunehmen.

Dem erweiterten Freizeit- und Übernachtungsangebot kommt auch bodenrechtliche Relevanz zu; denn mit ihm ist nicht nur eine - abwägungsbedürftige - Zunahme des Verkehrsaufkommens auf den Erschließungswegen verbunden, sondern mit Blick auf den deutlich überproportionalen Anteil der Motorräder am Gesamtverkehr auch eine qualitative Veränderung. Insoweit wird auf die Ausführungen oben unter 1. c) und unten unter 2. b) verwiesen.

2. Die ablehnende Entscheidung des Beklagte über den Antrag des Klägers auf straßenverkehrsrechtliches Einschreiten ist ermessensfehlerhaft. Der Kläger kann deshalb die Neubescheidung seines Antrags verlangen. Ein Anspruch auf Unterbindung des Verkehrs zur "C4. G." steht ihm jedoch nicht zu; das Ermessen des Beklagten ist insoweit nicht auf Null reduziert.

a) Für den Einzelnen folgt aus § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO auch dann grundsätzlich "nur" ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, wenn die Lärmbeeinträchtigungen so intensiv sind, dass sie etwa im Rahmen einer Planfeststellung Schutzauflagen auslösen würden. Denn bei straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen ist eine Gesamtbilanz vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Verhältnisse nur um den Preis gebessert werden können, dass an anderer Stelle neue Unzuträglichkeiten auftreten. Im Ergebnis würde sich die Gesamtsituation verschlechtern, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt oder wegen Änderungen von Verkehrsströmen noch gravierendere Lärmbeeinträchtigungen von Anliegern anderer Straßen drohen würden. Bei der Entscheidung über die Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen hat die zuständige Behörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens daher sowohl die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer zu würdigen als auch die Interessen der Anlieger anderer Straßen in Rechnung zu stellen, ihrerseits vor übermäßigem Lärm verschont zu bleiben, der als Folge verkehrsberuhigender oder verkehrslenkender Maßnahmen eintreten kann.

Die Straßenverkehrsbehörde darf von Maßnahmen umso eher absehen, je geringer der Grad der Lärmbeeinträchtigung ist, dem entgegen gewirkt werden soll. Auch bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen kann sie von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ermessensfehlerfrei absehen, wenn dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile gerechtfertigt erscheint. In einem solchen Fall müssen die der Anordnung verkehrsberuhigender oder verkehrslenkender Maßnahmen entgegenstehenden Verkehrsbedürfnisse und Anliegerinteressen allerdings schon von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese Belange ein Handeln der Behörde unterbleibt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 1999 - 3 B 105.99 -, NZV 2000, 386, und Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234; OVG NRW, Urteile vom 2. Dezember 1997 - 25 B. 4997/96 -, NWVBl 1998, 266, vom 1. Juni 2005 - 8 B. 2350/04 -, NWVBl 2006, 145, und vom 6. Dezember 2006 - 8 B. 4840/05 -, NWVBl 2007, 272.

Darüber hinaus hat die Straßenverkehrsbehörde zu prüfen, ob und welche Verkehrsregelungen, die den Verkehr zum Zwecke der Verkehrssicherheit oder -ordnung lenken oder beschränken sollen, zu dem angestrebten Zweck geeignet und erforderlich sind.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. April 1980 - 7 C 19.78 -, DVBl. 1980, 1045 und vom 27. Januar 1993 - 11 C 35.92 -, BVerwGE 92, 32; Beschluss vom 23. März 1990 - 3 B 25.90 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 B. 4997/96 -, NWVBl 1998, 266.

Bei Beurteilungspegeln, die die in den Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm - Lärmschutz-Richtlinien-StV vom 23. November 2007 - aufgeführten Richtwerte überschreiten, kann sich das Ermessen der Behörde zur Pflicht zum Einschreiten verdichten; eine Ermessensreduzierung auf Null ist aber auch dann nicht zwangsläufig gegeben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234; BayVGH, Urteil vom 18. Februar 2002 - 11 B 00.1769 -, VRS 103 (2002), Nr. 12, 34 ff.; OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 B. 4997/96 -, NWVBl. 1998, 266.

Das Gericht kann die Ermessensentscheidung nur darauf überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten und ob sie von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat , vgl. § 114 Satz 1 VwGO. Ein Ermessensfehler liegt dann vor, wenn das Ermessen überhaupt nicht ausgeübt wurde, wenn in die Entscheidung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den jeweiligen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Ermessenfehlerhaft ist ein Verwaltungsakt insbesondere, wenn die Behörde bei ihrem Handeln von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen, unvollständigen oder falsch gedeuteten tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgeht, Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck des zu vollziehenden Gesetzes oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften oder allgemeiner Rechtsgrundsätze dabei keine Rolle spielen können oder dürfen, oder umgekehrt wesentliche Gesichtspunkte außer acht lässt, die zu berücksichtigen wären. Dasselbe gilt, wenn sie sachfremde, nicht durch den Zweck des Gesetzes gedeckte Erwägungen anstellt.

b) Ausgehend von diesen Maßstäben weist die Ermessensentscheidung des Beklagten Ermessensfehler auf. Der Beklagte hat die schutzwürdigen Belange des Klägers nicht mit dem ihnen angemessenen Gewicht in die Abwägung eingestellt. Er hat zum einen verkannt, dass die Inanspruchnahme des X2.----------weges durch den Zu- und Abgangsverkehr der "C4. G." nicht mit seiner Funktion als Erschließungsstraße für das Baugebiet "Erholungsgebiet C3. T. " in Einklang steht und dem Kläger die entsprechende Lärmbelastung schon aus diesem Grunde unzumutbar ist.

Zum anderen hat der Beklagte dem ungewöhnlich hohen Motorradanteil an dem vor dem Wohnhaus des Klägers auftretenden Gesamtverkehr nicht Rechnung getragen, obwohl das objektive Gewicht des klägerischen Interesses an einer Unterbindung oder Verminderung des Erschließungsverkehrs der "C4. G." maßgeblich von der gerade mit dem Motorradverkehr verbundenen, oben unter 1. c) beschriebenen spezifischen Immissionsbelästigung bestimmt wird. Da der am Wohnhaus des Klägers auftretende Verkehr ganz überwiegend aus Motorrädern besteht, treten diese Besonderheiten auch massiv in den Vordergrund der Wahrnehmung. Dies gilt umso mehr, als dieser Verkehr auf das Jahresmittel gesehen zwar nur gelegentlich auftritt, dann aber, das berechtigte Ruhebedürfnis des Klägers in besonderer Weise tangierend, gehäuft an witterungsmäßig schönen Wochenenden und Feiertagen im Frühjahr und Sommer bis in den Herbst hinein. Der daneben noch stattfindende Verkehr ist dagegen von deutlich untergeordneter Bedeutung. Es wird vor diesem Hintergrund ausgehend von Lärmmessungen vor Ort einer einzelfallbezogenen Bewertung der konkreten Belastungssituation am Grundstück des Klägers bedürfen. In die Bewertung einfließen müssen neben der Art und der Intensität der Lärmimmissionen auch die Häufigkeit, der Zeitpunkt und die Dauer der Belästigungen sowie die Lärmvorbelastung durch die nahe gelegene Autobahn und der Ausbauzustand der Straße. Eine Orientierung an den Jahresmittelungswerten der 16. BImSchV scheidet allerdings bei der hier gegebenen Sachlage aus.

Ob den Interessen der Anlieger innerörtlicher Straßen und den sonstigen Verkehrsbedürfnissen gegenüber dem Interesse des Klägers an einer Verhinderung des funktionswidrigen und atypischen Verkehrs und seiner Auswirkungen ein überwiegendes Gewicht zukommt, lässt sich auf der Grundlage der bislang gewonnenen Erkenntnisse weder von vorneherein bejahen noch verneinen.

Der Beklagte hat - in Unkenntnis des mit Blick auf die funktionswidrige Inanspruchnahme des Weges erheblichen Gewichts des klägerischen Interesses - den Interessen der bei einer Änderung der Verkehrsströme möglicherweise betroffenen Anlieger innerhalb der Ortslage, insbesondere an der M2. . und der M2. Vorrang eingeräumt, ohne zuvor den Sachverhalt aufzuklären. Nur eine umfassende Sachaufklärung vermag jedoch zuverlässig Auskunft über das objektive Gewicht der widerstreitenden Interessen zu geben.

In diesem Zusammenhang bedarf es einer Prognose der konkreten Auswirkungen einer Verlagerung des bislang über den X.----------weg auf die M2. geführten Erschließungsverkehrs der "C4. G." auf die Verkehrssituation an den öffentlichen Straßen innerhalb der Ortslage C5. . Um den Grad der Schutzwürdigkeit der betroffenen Ortslagen bestimmen zu können, ist eine Einordnung in die Gebietsarten der Baunutzungsverordnung ebenso erforderlich wie eine Bestimmung der konkreten Straßenfunktion. Es wird zu ermitteln sein, inwieweit der Zu- und Abgangsverkehr der "C4. G." aufgrund der Hinweisbeschilderung zur Freizeitanlage "C3. T. " ohnehin schon durch den Ort über die K (O. Straße) und die M2. (E2. Straße) fährt und ob und in welcher Weise dieser Anteil sich durch den Wegfall der alternativen Zufahrt über den X.----------weg verändern würde. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, wie hoch der prognostizierte Anteil der Motorradfahrer am Gesamtverkehr auf den betroffenen öffentlichen Straßen ist. Je nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen wird bei der Heranziehung des Regelwerks der 16. BImSchV als Orientierungshilfe den lärm- und abgasspezifischen Besonderheiten des Motorradverkehrs angemessen Rechnung zu tragen sein. Geht der Motorradverkehr anteilmäßig - wie sonst bei Hauptverkehrsstraßen - im fließenden Verkehr unter, steht einer uneingeschränkten Heranziehung der 16. BImSchV nichts entgegen. Eine differenzierte Betrachtung ist allerdings dann geboten, wenn der Anteil der Motorräder infolge der verkehrslenkenden Maßnahmen überproportional hoch sein sollte.

Straßenverkehrsrechtlich ohne jeden Belang - und daher sachwidrig in die Abwägung eingestellt - ist der Umstand, dass bei einer veränderten Verkehrsführung mit einer Klageflut der Anlieger der Ortsdurchfahrt zu rechnen sei.

Dem Verpflichtungsbegehren des Klägers kann nicht entsprochen werden, weil die Sache nicht i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO spruchreif ist. Das Ermessen des Beklagten ist nicht in der Weise reduziert, dass nur die vom Kläger begehrte Entscheidung ergehen könnte. Dem Kläger steht selbst für den Fall, dass der Beklagte wegen eines überragenden Gewichts der klägerischen Interessen hinsichtlich des "Ob" des Einschreitens gebunden sein sollte, ein strikter Anspruch auf Unterbindung des Verkehrs zu "C4. G." nicht zu. Jedenfalls die Wahl des tauglichen Mittels steht auch dann im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kostenverteilung berücksichtigt zugunsten des Klägers, dass die Rechtsauffassung des Gerichts, unter deren Beachtung der Beklagte den Kläger zu bescheiden hat, den Spielraum des Beklagten, zu Lasten des Klägers zu entscheiden, in erheblichem Umfang einschränkt.

Vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, § 155, Rn. 17.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.