FG Düsseldorf, Beschluss vom 30.01.2009 - 5 V 3471/08 A(U)
Fundstelle
openJur 2011, 65020
  • Rkr:
Tenor

Die Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 vom 23.6.2008 werden ausgesetzt bis einen Monat nach Ergehen einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung.

Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens haben der Antragsgegner zu 96,5 v. H. und die Antragstellerin zu 3,5 v. H. zu tragen.

Der Streitwert wird auf 43.516,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob Getränkelieferungen der Antragstellerin nach Spanien nach Ungültigkeit einer zunächst gültigen Umsatzsteuer-Identifizierungsnummer - USt.-Id.-Nr. - des Lieferungsempfängers als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei zu belassen sind.

Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH einen Im- und Export-Handel, insbesondere mit in Dosen und Flaschen abgefüllten Softdrinks.

Seit dem Jahr 2005 unterhielt die Antragstellerin Geschäftsbeziehungen zu einer Firma "G" S.L. mit Sitz in Spanien und belieferte diese Firma mit Getränken. Zu Beginn dieser Geschäftsbeziehungen - am 11.5.2005 und am 13.7.2005 - ließ sich die Antragstellerin die von der Firma "G" mitgeteilte USt.-Id.-Nr. vom Bundeszentralamt für Steuern qualifiziert bestätigen.

Vom 2. Quartal 2005 bis April 2006 belieferte die Antragstellerin die Firma "G" mit Getränken und behandelte diese Getränkelieferungen als umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr.1 b) i.V.m. § 6 a Abs.1 Nr.1 Umsatzsteuergesetz - UStG -.

Die Getränkelieferungen wurden in Form von Reihenlieferungen abgewickelt.

Nach - unbestrittener - Darstellung der Antragstellerin wurden die Getränkelieferungen regelmäßig wie folgt abgewickelt: Die bei der spanische Firma "G" für den Ein- und Verkauf im Softdrinkbereich zuständige Mitarbeiterin habe per Fax an die Antragstellerin jeweils die Getränkelieferungen in Auftrag gegeben. Ebenfalls per Fax habe dann die Antragstellerin gegenüber der Firma "G" den Auftrag bestätigt, den gewünschten Liefertermin und die Lieferanschrift erfragt und eine Proformarechnung erteilt. Die Antragstellerin habe daraufhin die Speditionsfirma "A-GmbH" mit dem Transport beauftragt, welche die Ware bei der Lieferfirma der Antragstellerin in Empfang genommen und "frei Haus" an die benannten Abnehmerfirmen der "G" S.L. in Spanien ausgeliefert habe. Zu den Abnehmern der Firma "G", denen seitens dieser Firma Rechnungen mit spanischer Umsatzsteuer erteilt worden seien, habe die Antragstellerin selbst keine vertraglichen Beziehungen unterhalten.

Alle Vorgänge vom Auftragseingang über die Abwicklung des jeweiligen Auftrags bis zur Bezahlung der Ware durch die Firma "G" könne die Antragstellerin belegmäßig nachweisen und die Vorgänge seien außerdem vollständig buchmäßig erfasst.

Nach dem Auftreten von Zahlungsschwierigkeiten seitens der belieferten spanischen Firma stellte die Antragstellerin die Lieferungen im April 2006 ein und stellte beim Bundesamt eine erneute Anfrage zur Gültigkeit der von der Firma "G" mitgeteilten USt.-Id.-Nr.. Diese Nachfrage ergab die Ungültigkeit der USt.-Id.-Nr. bereits seit dem 10.11.2005.

Im Rahmen einer bei der Antragstellerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung, die ausschließlich die innergemeinschaftlichen Lieferungen der Antragstellerin zum Gegenstand hatte (Prüfungsbericht vom 31.3.2008) gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die Steuerfreiheit für die Getränkelieferungen an die Firma "G" in Spanien in der Zeit ab dem 10.11.2005 zu versagen sei, weil die Antragstellerin danach keinen vollständigen Buchnachweis mehr geführt habe. Hierzu gehöre nämlich auch die Aufzeichnung einer im Zeitpunkt der jeweiligen Lieferung gültigen USt.-Id.-Nr.. Ab dem 10.11.2005 habe die Firma "G" jedoch nicht mehr über eine gültige USt.-Id.-Nr. verfügt. Die Antragstellerin könne sich auch diesbezüglich nicht auf die positiven Bestätigungsanfragen berufen, die sie zu Beginn ihrer Geschäftsbeziehungen zu der Firma "G" beim Bundesamt für Finanzen gestellt habe, da ein Unternehmer, der die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen für sich in Anspruch nehmen wolle, sich bei jeder einzelnen Lieferung über die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Steuerfreiheit hierfür - und damit auch über die Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. - vergewissern müsse.

Der Antragsgegner, das Finanzamt - FA -, folgte den Feststellungen des Prüfers, änderte die zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 und versagte in den am 23.6.2008 ergangenen Änderungsbescheiden die Steuerfreiheit für die Getränkelieferungen an die spanische Firma "G" S.L. für die Zeit ab dem 10.11.2005.

Hiergegen hat die Antragstellerin Einspruch erhoben, über den das FA bislang noch nicht absachließend entschieden hat. Gleichzeitig hat die Antragstellerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der beiden Bescheide gestellt, den das FA mit Schreiben vom 21.8.2008 abgelehnt hat.

Zur Begründung ihres daraufhin gestellten gerichtlichen Aussetzungsantrages trägt die Antragstellerin vor:

Unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - EuGH - und des Bundesfinanzhofs - BFH - seien die Lieferungen an die Firma "G" in Spanien umsatzsteuerfrei zu belassen, auch nachdem deren mitgeteilte USt.-Id.-Nr. von den spanischen Finanzbehörden ungültig gestellt worden sei. Die Ungültigkeit der USt.-Id.-Nr. sei seitens der spanischen Behörden zu Unrecht verfügt worden, nachdem die Firma "G" wohl in Spanien ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Dies habe jedoch nichts an der Unternehmereigenschaft der Firma "G" geändert, die alleine Voraussetzung für die Erteilung einer USt.-Id.-Nr. sei. Außerdem vermutet die Antragstellerin, dass die USt.-Id.-Nr. der spanischen Firma erst im 1. Quartal 2006 rückwirkend für den 9.11.2005 aberkannt worden sei. Nach deutschen Maßstäben sei die Aberkennung der USt.-Id.-Nr. unzulässig erfolgt, weil die Firma "G", auch wenn sie ihren steuerlichen Verpflichtungen in Spanien nicht nachgekommen sei, hierdurch nicht ihre Unternehmereigenschaft eingebüßt habe. Aus diesem Grund habe den Abnehmern der Firma "G" in Spanien auch nicht der Vorsteuerabzug versagt werden können, wie die Antragstellerin auf eigenes Betreiben hin festgestellt habe.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass sämtliche Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen erfüllt seien. Die Waren seien unstreitig nach Spanien gelangt, bei der Abnehmerfirma habe es sich um eine Unternehmerin gehandelt und außerdem hätten die Lieferungen auch grundsätzlich der innergemeinschaftlichen Erwerbsbesteuerung unterlegen.

Die Antragstellerin beruft sich im übrigen auf ihre Gutgläubigkeit hinsichtlich der Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. und meint, es habe für sie keine Verpflichtung bestanden, sich bei jeder Lieferung erneut die Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. bestätigen zu lassen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Umsatzsteueränderungsbescheide 2005 in Höhe von 199.480,16 EUR (einschließlich der Zinsen zur Umsatzsteuer 2005) und 2006 in Höhe von 235.681,32 EUR (einschließlich der Zinsen zur Umsatzsteuer 2006) vom 23. 6.2008 von der Vollziehung auszusetzen.

hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das FA ist der Ansicht, dass die Antragstellerin sich deshalb nicht mit Erfolg auf die Steuerfreiheit der hier streitigen Getränkelieferungen berufen könne, weil sie den hierfür notwendigen Buchnachweis, zu dem auch gemäß § 17 c Abs.1 Satz 1 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV - die Aufzeichnung der gültigen USt.-Id.-Nr. des Abnehmers gehöre, nicht erbracht habe. Im vorliegenden Fall habe ab dem 9.11.2005 keine gültige USt.-Id.-Nr. der Firma "G" mehr bestanden.

Auf Gutgläubigkeit könne sich die Antragstellerin deshalb nicht berufen, weil sie sich regelmäßig - und nicht nur bei Beginn der Geschäftsbeziehungen - darüber habe vergewissern müssen, dass die von der Abnehmerfirma mitgeteilte USt.-Id.-Nr. weiterhin gültig sei.

II.

Der Aussetzungsantrag ist bezüglich der Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 2005 und 2006 unzulässig, im übrigen bezüglich der Steuernachforderungen zur Umsatzsteuer 2005 und 2006 in vollem Umfang begründet.

1. Soweit sich der Antrag auf die Zinsen zur Umsatzsteuer 2005 und 2006 bezieht, ist er unzulässig, weil die Antragstellerin nur geltend macht, dass die Umsatzsteuer für die Streitjahre nicht zutreffend festgesetzt worden sei. Gegen die hieraus resultierenden Zinsberechnungen sind jedoch keine gesonderten Einwendungen erhoben worden. Bezieht sich ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Umsatzsteuerbescheides nicht nur auf die Umsatzsteuerfestsetzung, sondern zugleich auf die Festsetzung der Zinsen zur Umsatzsteuer und wendet sich der Antragsteller gegen die letztgenannten Festsetzungen (Folgefestsetzung) nur mit den gegen die Umsatzsteuerfestsetzung vorgebrachten Einwänden, so ist der Antrag hinsichtlich der Folgefestsetzungen unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag der Antragstellerin besteht somit nicht (vgl. FG Düsseldorf, Beschluss vom 26.07.1995 14 V 3298/95 A(E), EFG 1995, 1073; FG München, Beschluss vom 12.04.2001 13 V 422/01, n. v.).

2. Im übrigen ist der Aussetzungsantrag zulässig und auch begründet, da der Senat ernstliche Zweifel an der Versagung der Steuerfreiheit für die Getränkelieferungen der Antragstellerin an die spanische Firma "G" S.L. in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden 2005 und 2006 hat.

Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Sachverhaltsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. Mai 1978 I R 50/77, Bundessteuerblatt - BStBl - II - 1978, 579; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 69 Anm. 77 f., m.w.N.).

Der Senat hat hiernach ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung der Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferungen an die spanische Firma "G", die seitens des FA ausschließlich mit der Ungültigkeit der dieser Firma erteilten USt.-Id.-Nr. ab dem 9.11.2005 begründet wird.

In seinem Urteil V R 59/03 vom 6. Dezember 2007 (a.a.O.) hat der BFH unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - EuGH - zu den Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen wie folgt ausgeführt:

"1. Eine - gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie - innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

a) Diese Vorschrift steht im Einklang mit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten u.a. die Lieferungen, die durch den Erwerber nach Orten außerhalb des Inlandes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt werden, der als solcher in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versandes oder der Beförderung des Gegenstandes handelt.

Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die innergemeinschaftliche Lieferung - in Übereinstimmung mit den nationalen Grundsätzen - neben den Anforderungen an den Abnehmer voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (EuGH-Urteile vom 27. September 2007 Rs. C-409/04, Teleos u.a., UR 2007, 774 Randnrn. 42, 70; vom 27. September 2007 Rs. C-184/05, Twoh, UR 2007, 782 Randnr. 23). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (EuGH-Urteil Teleos u.a. in UR 2007, 774 Randnrn. 69 ff.).

b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat (§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).

Dazu ist in § 17a Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV) geregelt worden, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).

Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen muss; die Voraussetzungen müssen gemäß § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV "eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen" sein (sog. Buchnachweis).

c) Zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat der EuGH ausgeführt:

"Hinsichtlich der Nachweise, die die Steuerpflichtigen für eine Mehrwertsteuerbefreiung zu führen haben, ist festzustellen, dass die Sechste Richtlinie keine Vorschrift enthält, die sich unmittelbar mit dieser Frage befasst. Sie bestimmt lediglich in Art. 28c Teil A erster Halbsatz, dass die Mitgliedstaaten die Bedingungen für die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen festlegen" (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813 Randnr. 24, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256, BFH/NV Beilage 2008, 34).

"Art. 22 der Sechsten Richtlinie regelt zwar bestimmte formelle Pflichten der Steuerschuldner in Bezug auf Aufzeichnungen, Rechnungen, Steuererklärungen und die der Finanzverwaltung vorzulegende Aufstellung. Nach Abs. 8 dieses Artikels können die Mitgliedstaaten jedoch weitere Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern ...

Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie erlassen dürfen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist ... Sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist" (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813 Randnrn. 25, 26, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256, BFH/NV Beilage 2008, 34).

Der Grundsatz der Neutralität erfordert es, dass "die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Anders verhielte es sich nur, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhinderte, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden" (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813 Randnr. 31, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256).

"Bei der Ausübung ihrer Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten ... die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, zu denen u. a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören" (EuGH-Urteil Twoh in UR 2007, 782 Randnr. 25).

d) Hieraus ergibt sich, dass die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. bereits Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Juli 2002 V R 3/02, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616, unter II. 2. b; vom 1. Februar 2007 V R 41/04, BFH/NV 2007, 1059, unter II. 2. b).

Die Nachweispflichten sind aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Soweit die bisherige Rechtsprechung (BFH-Beschlüsse vom 2. April 1997 V B 159/96, BFH/NV 1997, 629; vom 5. Februar 2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988; BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II. 2. a) von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, hält der Senat angesichts der dargelegten neueren Rechtsprechung des EuGH daran nicht mehr fest.

Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat.

Daraus folgt: Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der - formellen - Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte."

Nach dieser Rechtsprechung, welcher der Senat folgt, dürfte im vorliegenden Fall trotz Fehlens einer gültigen USt.-Id.-Nr. in der Buchführung und damit trotz insoweit unvollständigen Buchnachweises von der Steuerfreiheit der streitigen Exportgeschäfte auszugehen sein.

Der Senat unterstellt in diesem summarischen Verfahren die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin bezüglich der Durchführung der Getränkelieferungen, da der mitgeteilte Sachverhalt vom FA auch nicht weiter bestritten wurde. Hiernach ist davon auszugehen, dass die Getränkelieferungen - wie von der Antragstellerin dargelegt - in Form von Reihengeschäften an von der Firma "G" zuvor mitgeteilte Abnehmer mittels einer von der Antragstellerin beauftragten Spedition durchgeführt wurden und von der Antragstellerin auch ein - bis auf die Aufzeichnung einer im Zeitpunkt der Lieferungen gültigen USt.-Id.-Nr. - vollständiger Buch- und Belegnachweis i.S. der Vorschriften der UStDV erbracht wurde.

Es handelt sich hierbei um Versendungslieferungen, da zwischen der Antragstellerin und ihrer spanischen Abnehmerin - der Firma "G" - Lieferungen "frei Haus" vereinbart waren und nach den vorliegenden Unterlagen die Spedition offensichtlich auch von der Antragstellerin beauftragt wurde.

Davon ausgehend, dass somit - mit Ausnahme der Aufzeichnung einer gültigen spanischen USt.-Id.-Nr. der Abnehmerfirma - sämtliche Voraussetzungen des Buch- und Belegnachweises gemäß §§ 17a und 17c UStDV für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt erfüllt sind, hat der Senat angesichts der oben zitierten neueren Rechtsprechung des BFH und EuGH ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung der Steuerfreiheit für diese Lieferungen durch das FA.

Nach dem vom FA nicht bestrittenen Sachvortrag der Antragstellerin lagen mithin sämtliche Voraussetzungen des § 6a Abs.1 Nrn. 1 - 3 UStG für die Annahme steuerbefreiter innergemeinschaftlicher Lieferungen vor: Die Lieferungen erfolgten nachweislich im Wege der Versendung an einen anderen Unternehmer in einem EG-Mitgliedsland, die Lieferungen wurden seitens der Firma "G" für ihre unternehmerische Betätigung - nämlich zum Weiterverkauf innerhalb Spaniens - bezogen und der Erwerb der gelieferten Gegenstände unterlag auch grundsätzlich der Erwerbsbesteuerung in Spanien.

Aus diesen Gründen dürfte hier der vom BFH in seinem Urteil V R 59/03 (a.a.O.) aufgezeigte Ausnahmefall, dass nämlich trotz Nichterfüllung der - formellen - Nachweispflichten aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, einschlägig sein. Deshalb dürfte hier die Steuerbefreiung zu gewähren sein, auch wenn die Antragstellerin die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht vollständig erbracht hat.

Hiernach dürfte es auf die Frage des Vertrauensschutzes wegen Gutgläubigkeit gar nicht mehr ankommen.

Selbst wenn man aber - aufgrund des Fehlens des vollständigen Buchnachweises - unter Berufung auf die - durch das oben zitierte Urteil V R 59/03 vom 6. Dezember 2007 (a.a.O.) - überholte Rechtsprechung des BFH (u.a. BFH-Beschlüsse vom 2. April 1997 V B 159/96, BFH/NV 1997, 629; vom 5. Februar 2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988; BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II. 2. a) die Ansicht vertreten wollte, dass die in §§ 17a und 17c UStDV normierten Buch- und Belegnachweispflichten materielle Voraussetzungen für die Befreiung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung seien, so dürfte selbst dann der in § 6a Abs.4 UStG normierte Vertrauensschutzgedanke die Steuerfreiheit der hier streitigen Umsätze rechtfertigen:

Nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ist eine Lieferung, die der Unternehmer als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Diese Vorschrift dürfte hier - wenn man nicht schon die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung in diesem Sachverhalt ausnahmsweise auch ohne Aufzeichnung einer gültigen USt.-Id.-Nr. des Lieferungsempfängers als erfüllt betrachtet - einschlägig sein:

Zwar ist nach dem unstreitigen Sachverhalt davon auszugehen, dass die Firma "G" gegenüber der Antragstellerin zu Beginn der Geschäftsbeziehungen keinerlei unrichtige Angaben bezüglich ihres Unternehmens und der Gültigkeit der ihr erteilten USt.-Id.-Nr. gemacht hat, auf der die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung beruhen könnte. Unrichtige Angaben hinsichtlich der Gültigkeit der USt.-Id.-Nr. dürften der Firma "G" hier aber deshalb vorzuwerfen sein, weil es diese Firma in der Folgezeit nach dem 9.11.2005, nachdem die zunächst erteilte USt.-Id.-Nr. ungültig geworden war, es unterlassen hat, ihre Geschäftspartnerin, die Antragstellerin, auf die Ungültigkeit dieser USt.-Id.-Nr. hinzuweisen. Die fortdauernde weitere Benutzung der mittlerweile ungültigen USt.-Id.-Nr. dürfte insoweit inzident die falsche Angabe der Firma "G" beinhalten, die verwendete USt.-Id.-Nr. sei weiterhin gültig.

Entsprechend stellt sich die Frage, in welchem Umfang und mit welchem Aufwand die Antragstellerin die ihr von ihrer Abnehmerin mitgeteilten Angaben - in diesem Fall zur Erteilung der USt.-Id.-Nr. - überprüfen musste, um ihrer kaufmännischen Sorgfaltspflicht Genüge zu tun.

Vertritt man, wie offensichtlich hier das FA, die Ansicht, bei innergemeinschaftlichen Lieferbeziehungen müsse der inländische Unternehmer im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht sich vor jeder Lieferung von Neuem über die Gültigkeit der ihm von seinem Geschäftspartner mitgeteilten USt.-Id.-Nr. vergewissern, so spricht für diese Auffassung zwar, dass ein solches stetiges Abfrageerfordernis keinen besonderen zusätzlichen Aufwand erfordern würde, sondern in kürzester Zeit ohne weitere Kosten und Mühe durch Online-Abfrage beim Internetauftritt des Bundeszentralamtes für Steuern möglich ist (siehe: http://evatr.bffonline.de/eVatR/).

Auf der anderen Seite ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass im hier zu beurteilenden Fall für die Antragstellerin im Hinblick auf die Regelung des § 27a UStG zur Erteilung einer deutschen USt.-Id.-Nr. keinerlei Anlass dafür bestanden haben dürfte, an der Unternehmereigenschaft der Firma "G" in Spanien und damit an der einzigen hier maßgeblichen Voraussetzung für die Erteilung einer gültigen USt.-Id.-Nr. zu zweifeln. Denn alleine die Umsätze der Firma "G" aus den Geschäften, welche sie im Streitzeitraum mit der Antragstellerin einerseits und ihren eigenen Abnehmern in Spanien andererseits tätigte, weisen eindeutig auf die Unternehmereigenschaft der Firma "G" hin. Sollte der Firma "G" somit - wie die Antragstellerin aufgrund eigener Nachforschungen in Spanien behauptet, die Gültigkeit ihrer USt.-Id.-Nr. tatsächlich aufgrund der Nichterfüllung ihrer steuerlichen Pflichten entzogen worden sein und möglicherweise auch noch rückwirkend - so dürfte ein deutsches Unternehmen mit einer solchen Verwaltungspraxis in Anbetracht der deutschen Vorschrift des § 27a UStG zur Erteilung einer USt.-Id,.-Nr. und in Ansehung von Art. 22 Abs.1 c) Richtlinie 77/388/EWG wohl nicht rechnen müssen.

Hinzu kommt, dass weder aus den Vorschriften des UStG (§ 18e UStG) noch aus der Richtlinie 77/388/EWG dem Unternehmer explizit die Pflicht auferlegt wird, sich vor jedem innergemeinschaftlichen Umsatz über die Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. des Geschäftspartners zu vergewissern. Es wäre insoweit sicherlich aus Sicht der deutschen Exportwirtschaft sinnvoll, in diesem Bereich den Unternehmern seitens der Finanzverwaltung oder des Gesetzgebers klare Vorgaben hinsichtlich des Erfordernisses einer Gültigkeitsabfrage i.S. des § 18e UStG an die Hand zu geben, soweit man eine laufende Abfrage vor jeder einzelnen innergemeinschaftlichen Lieferung für erforderlich erachtet.

In diesem summarischen Verfahren neigt das Gericht der Auffassung zu, dass die Antragstellerin ihre kaufmännische Sorgfaltspflicht bereits durch die zweifache qualifizierte Abfrage der Gültigkeit der ihr mitgeteilten USt.-Id.-Nr. der Firma "G" zu Beginn der Geschäftsbeziehungen erfüllt hat. Hierdurch hat sie sich zu Beginn der Geschäftsbeziehung darüber vergewissert, dass ihr die spanische Abnehmerfirma zutreffend die ihr erteilte USt.-Id.-Nr. - und nicht z.B. die eines anderen Unternehmens - benannt hat. Hingegen gab es aus Sicht der Antragstellerin in Ansehung des deutschen Umsatzsteuerrechts und der Vorschriften der Richtlinie 77/388/EWG keinerlei Anhaltspunkte, in der Folgezeit an der weiteren Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. zu zweifeln, da das Fortbestehen der Unternehmereigenschaft der Firma "G" - als grundsätzliche Voraussetzung für die Erteilung einer USt.-Id.-Nr. - schon aufgrund ihrer eigenen Geschäftsbeziehung zu dieser Firma eindeutig ´vorlag. Denn dass eine Firma, die in dem hier entscheidungserheblichen Streitzeitraum Warenein- und -verkäufe in Millionenhöhe tätigt, unternehmerisch handelt, dürfte auf der Hand liegen. Deshalb gab es aus Sicht der Antragstellerin keinerlei Hinweise darauf, dass ihrer spanischen Geschäftspartnerin in dem hier streitigen Zeitraum die einmal erteilte USt.-Id.-Nr. wieder entzogen werden könnte, obwohl sich an deren Unternehmereigenschaft eindeutig nichts geändert hatte.

Anders wäre der Fall möglicherweise zu beurteilen, wenn ein Unternehmer lediglich vereinzelt Lieferumsätze an einen innergemeinschaftlichen Abnehmer erbringen würde, die aus sich heraus nicht - wie hier der Fall - bereits dessen Unternehmereigenschaft implizieren. In diesem - hier nicht einschlägigen - Fall wäre der Steuerpflichtige sicherlich im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht gehalten, sich jeweils über die Unternehmereigenschaft seines Geschäftspartners und die fortdauernde Gültigkeit der mitgeteilten USt.-Id.-Nr. zu vergewissern.

Das Gericht sieht somit die Voraussetzungen für die Annahme steuerbefreiter innergemeinschaftlicher Lieferungen in Anbetracht der oben zitierten BFH-Rechtsprechung als erfüllt an. Selbst wenn man in diesem Fall die jeweilige Aufzeichnung einer gültigen USt.-Id.-Nr. als materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung für erforderlich hielte, dürfte der Antragstellerin die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs.4 UStG zugute kommen.

Dem Aussetzungsantrag war daher - soweit er sich auf die Umsatzsteuernachforderungen und nicht auf die Zinsen bezieht - mit der Kostenfolge des § 136 Abs.1 Satz 1 FGO stattzugeben.

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