OLG Köln, Beschluss vom 30.06.2008 - 16 Wx 263/07
Fundstelle
openJur 2011, 58221
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 T 228/07
Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.) wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 17.10.2007 - 3 T 228/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter gleichzeitiger Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Aachen vom 30.05.2007 - 69 XVII P 764 - wird dem Beteiligten zu 1. für den Zeitraum seiner Betreuungstätigkeit vom 16.12.2005 bis zum 26.08.2006 eine Vergütung in Höhe von 16.240,- € und Auslagenersatz in Höhe von 1.155,42 € festgesetzt.

Der Anspruch richtet sich gegen die Beteiligten zu 2. und 3. als Erbinnen der Betroffenen.

Die weitergehenden Vergütungsanträge vom 26.04.2006, 20.05.2006 und 02.10.2006 werden abgelehnt.

Im übrigen werden die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 1. und der Beteiligten zu 2. und 3. - diese im vollen Umfang - zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die inzwischen verstorbene Betroffene wurde Betreuung angeordnet. Nachdem zunächst ein anderer Rechtsanwalt als Berufsbetreuer eingesetzt war, wurde nach dessen Entlassung der Beteiligte zu 1. als Berufsbetreuer bestellt. Daneben war zeitweise noch eine weitere Rechtsanwältin als Ergänzungsbetreuerin eingesetzt. Im Dezember 2005 wurde der Beteiligte zu 1. als Berufsbetreuer entlassen und anschließend als ehrenamtlicher Betreuer bestellt. Der Beteiligte zu 1. verlangt Vergütung und Aufwendungsersatz für den Zeitraum 13.12.2005 bis zum 06.09.2006 mit drei verschiedenen Anträgen. Er legt dem eine Abrechnung auf Stundenbasis zugrunde, die im wesentlichen den Abrechnungen der Berufsbetreuer aufgrund des § 1836 Abs. 2 BGB a.F. entspricht und die mit insgesamt rund 21.500,- € endet; ferner macht er für eine Reise nach G zur Begutachtung eines dort liegenden Ferienhauses der Betroffenen ein anwaltliches Honorar nach der RVG in Höhe von fast 6.000,- € geltend.

Das Amtsgericht hat eine Vergütung von rund 1000,-€ auf der Basis des VBVG und Aufwendungen einschließlich der anwaltlichen Gebühr in Höhe von 6.894,-€ festgesetzt, die sich gegen die Erbinnen richten. Die Beschwerdekammer hat eine Vergütung von 7.000 € als angemessen angesehen, jedoch nur eine Auslagenersatz in Höhe von 996,05 € zugebilligt, da es keine Grundlage für eine Abrechnung anwaltlicher Gebühren gesehen hat. Gegen diese Entscheidung richten sich die vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 1. sowie der Erbinnen.

II.

Beide sofortigen weiteren Beschwerde sind infolge ihrer Zulassung statthaft (§§ 69e S. 1, 56 g Abs. 5 S. 2 FGG) und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1. teilweise Erfolg, während die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. unbegründet ist. Die Entscheidung des Landgerichts hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Überprüfung stand (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

1.

Dem Beteiligten zu 1. steht als ehrenamtlicher Betreuer aufgrund der besonderen Umstände dieser Betreuung ein Vergütungsanspruch nach §§ 1908 i,1836 Abs. 2 BGB in Höhe von netto 14.000,- € netto gegenüber dem Nachlass der Betroffenen zu; ferner kann er Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen erlangen. Beide Beträge sind um die MWSt zu erhöhen, die damals 16 % betrug.

Rechtsfehlerfrei ist der Ansatz des Landgerichts, dass auch dem ehrenamtlichen Betreuer in Einzelfällen eine angemessene Vergütung zu gewähren ist, die in der Höhe über den Vergütungssätzen für Berufsbetreuer nach dem VBVG liegen kann. Die Möglichkeit der Vergütung für einen ehrenamtlichen Betreuer in Einzelfällen sieht das Gesetz in den §§ 1908 i Abs.1, 1836 Abs. 2 BGB vor.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Bestellung des Beteiligten zu 1. zum ehrenamtlichen Betreuer, die am 15.12.2005 erfolgte, bestandskräftig und damit für die Vergütungsentscheidung bindend ist. Die Frage, ob die damalige Entscheidung verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob sie in der Sache gerechtfertigt ist, kann dahin stehen. Selbst eine verfahrensfehlerhafte Bestellung hätte nicht deren Nichtigkeit, sondern allenfalls deren Anfechtbarkeit zur Folge. Das Entsprechende gilt für die Beurteilung der sachlichen Rechtmäßigkeit dieser im Ermessen des Vormundschaftsgerichts stehenden Entscheidung. Da eine Anfechtung nicht erfolgt und diese inzwischen - auch abgesehen vom Zeitablauf - wegen des Todes der Betreuten nicht mehr zulässig ist, sind die Vorinstanzen mit Recht von dieser Entscheidung ausgegangen.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht vorliegend "besondere Gründe" im Sinne des § 1836 Abs. 2 BGB angenommen hat, die ausnahmsweise die Vergütung des ehrenamtlichen Betreuers rechtfertigen. Hierzu hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass zum einen für die Betroffene ein nicht unerhebliches Vermögen, das im wesentlichen aus verschiedenen in- und ausländischen Immobilien bestand, zu verwalten war, daneben noch nennenswerte laufende Einkünfte vorlagen, zum anderen die Betroffene aber auch beträchtliche Schulden hatte. Des Weiteren war die Betreuung wegen der Persönlichkeit der Betreuten und ihrer privaten Situation anspruchsvoll. Diese besondere Situation, die einen erhöhten Betreuungsaufwand erforderte und nicht mit dem Regelfall einer Betreuung vergleichbar war, haben sowohl das Vormundschaftsgericht in vorangegangenen Entscheidungen wie auch die früheren Betreuer (Rechtsanwalt S und Rechtsanwältin O) wiederholt betont. Schließlich hat sich dieser Aufwand in der Höhe der Vergütung der damaligen Berufsbetreuer einschließlich des Beteiligten zu 1, als dieser noch als Berufsbetreuer bestellt war, niedergeschlagen, wobei diese Honorierungen nicht nach den Vorgaben des VBVG erfolgten, so beispielsweise in den Vergütungsentscheidungen des Amtsgerichts vom 03.03.2005, 26.04.2005 und 30.05.2005.

Die für einen ehrenamtlichen Betreuer zu bemessende Vergütung soll angemessen sein und den Umfang, vor allem den Zeitaufwand, und die entstehenden Schwierigkeiten berücksichtigen. Der Senat ist ebenso wie das Landgericht der Ansicht, dass die im Ermessen des Gerichts stehende Vergütung nicht nach oben durch die Pauschalsätze des VBVG begrenzt wird. Hierzu schließt sich der Senat der dementsprechenden Meinung des OLG Karlsruhe an (vgl. OLG Karlsruhe vom 01.03.2007, FamRZ 2007,184 = NJW-RR 2007,1084), die auch im Schrifttum vertreten wird (vgl. Palandt/Diedrichsen, BGB, 67.Aufl., § 1836 Rz. 6 ff; Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 Rz. 9; Bienwald, FamRZ 2006,1302; ähnlich Maier in Jurgeleit, Betreuungsrecht, § 1836, Rz. 16 ff; anders Fröschle, Betreuungsrecht 2005, Rz. 673 f). Die Änderung der Rechtsprechung zur Höhe der Vergütung für ehrenamtliche Betreuer, wie sie vom OLG Karlsruhe mit dem Beschluss vom 01.03.2007 vollzogen worden ist, überzeugt mit Blick auf die Veränderungen der Betreuervergütung durch die Regelungen des VBVG. Während vor dessen Inkrafttreten (am 01.07.2005) die Berufsbetreuer ihre Tätigkeit nach Zeitaufwand abgerechnet und hierzu in der Regel den Zeitaufwand im einzelnen aufgeschlüsselt haben, sieht die neue gesetzliche Regelung Pauschalierungen je nach Situation des Betreuten und Dauer der Betreuung vor. Die Sätze basieren auf vorangegangen Erhebungen zum Zeitaufwand eines Berufsbetreuers, die als Durchschnittswerte zur Grundlage der Pauschalwerte in das Gesetz aufgenommen wurden. Ausgangspunkt ist die berufliche Situation des Berufsbetreuers, der im Regelfall eine Mehrzahl von Betreuungen führt. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass sich der unterschiedliche Zeitaufwand für die verschiedenen Betreuungen durch die Vielzahl der Fälle ausgleicht. Hierauf hat das OLG Karlsruhe zu Recht und mit weiteren Nachweisen hingewiesen. Den dortigen Überlegungen, dass die Sätze des VBVG für den ehrenamtlichen Betreuer, der normalerweise nur eine Betreuung übernommen hat, nicht maßgeblich sein können, tritt der Senat bei. Denn die dem VBVG zugrunde liegende Mischkalkulation wird der besonderen Situation eines Einzelbetreuers nicht gerecht. Der Schlussfolgerung des OLG Karlsruhe, dass eine Begrenzung der Vergütung im Vergleich zur Berufsbetreuervergütung nicht sachgerecht sein kann, ist deshalb zuzustimmen. Diese Grundsätze können im vorliegenden Fall angewandt werden, da der Antragsteller nicht als Berufsbetreuer tätig war oder ist und seine Angabe, es habe sich um den für ihn einzigen Betreuungsfall gehandelt, dem Kenntnisstand des in Betreuungssachen seit langem tätigen Senat entspricht.

Der Beschluss des Landgerichts ist allerdings insoweit nicht ohne Rechtsfehler, als er nicht erkennen lässt, welche Erwägungen für die Ermessensentscheidung zur Höhe der Betreuervergütung maßgebend waren.

Zwar hat das Landgericht mit zutreffender Begründung den Zeitraum vom 16.12.2005 bis zum 26.08.2006 zu Grunde gelegt. Der Senat geht ebenfalls von diesem Zeitrahmen aus. Es fehlen indes nähere Darlegungen, wieso die Kammer zu einer Vergütung in Höhe von 7.000,- € gelangt, obwohl der Beteiligte zu 1. eine erhebliche höhere Vergütung unter konkreter Darlegung der von ihm geleisteten Dienste verlangt. Dieses Versäumnis führt zur Aufhebung hinsichtlich der Vergütungsfestsetzung. Der Senat kann selbst in der Sache entscheiden, weil keine weiteren Feststellungen getroffen werden müssen (vgl. BayObLG, FamRZ 2004, 1138).

Wie erwähnt, legt der Senat ebenfalls den Zeitraum vom 16.12.2005 bis 26.08.2006 zugrunde. Der Antragsteller hat nicht konkret dazu vorgetragen, dass nach dem Tod der Betroffenen noch unaufschiebbare Tätigkeiten angefallen sind. Für die Bemessung der Vergütung ist entweder ein Pauschalbetrag in Betracht zu ziehen oder es ist auf den Zeitaufwand des Betreuers abzustellen (vgl. Jürgens, a.a.O.). Vorliegend scheidet nach Meinung des Senats ein Pauschalbetrag aus, da es sich nach der nicht bestrittenen Aufstellung des Beteiligten zu 1. in seinen beiden Anträgen vom 26.04.2006 und vom 02.10.2006 um vielfältige, verschiedenartige Tätigkeiten über einen Zeitraum von ca. 8 Monaten handelt, für die ein Pauschalbetrag kaum ermittelbar wäre. Vielmehr ist eine Entschädigung in Hinblick auf den Zeitaufwand sachgerecht (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O.). Diesen hat der Beteiligte zu 1. mit insgesamt 321,85 Stunden angegeben, wie das Landgericht festgestellt hat. Dem liegen genaue Tätigkeitsangaben mit präzisen Zeitangaben zugrunde, denen die Erbinnen nicht konkret entgegen getreten sind. Die Angaben des Beteiligten zu 1. sind schlüssig und entsprechen von Zeitaufwand dem, was bereits die früheren Betreuer für ihre Tätigkeit in dieser Betreuungssache als Aufwand geltend gemacht haben. Wenngleich eine genaue Stundenabrechnung bei der Vergütung des ehrenamtlichen Betreuers nicht geboten ist, so erscheint es dem Senat dennoch angemessen, im vorliegenden Fall die Anzahl der geltend gemachten Stunden als wesentlichen und für die Beteiligten transparenten und kontrollierbaren Bemessungsfaktor anzusetzen. Als Stundensatz gibt der Antragsteller 46,02 € an, das VBVG sieht als Höchstsatz für einen Berufsbetreuer 44,- € vor. In Hinblick darauf, dass der Höchstsatz des VBVG schon die MWSt. enthält, der ehrenamtliche Betreuer diese jedoch gesondert verlangen kann (Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rz. 10), erscheint dem Senat die Tätigkeit mit einem Gesamtbetrag von 14.000.- € netto für die ermittelte Stundenzahl von 321,85 als sachgerechte Entgeltung. Der dem rechnerisch zugrunde liegende Stundensatz liegt geringfügig unter dem Höchstsatz des VBVG und dem verlangten Stundensatz. Ein gewisser Abschlag verbunden mit einer Abrundung des Betrages entspricht indes der gesetzlich offenen Regelung für eine Ermessensentscheidung zu einer ausnahmsweise Vergütung der ehrenamtlichen Tätigkeit.

Da der Antragsteller als Rechtsanwalt umsatzsteuerpflichtig ist, kann er zusätzlich die darauf entfallende MWSt. in Höhe von - damals - 16 % verlangen, so dass sich ein Gesamtbetrag von 16.240,- € ergibt.

2.

Der Beteiligte zu 1. kann darüber hinaus Auslagenersatz in Höhe von 1.155,42 € verlangen.

Dieser Anspruch folgt aus §§ 1908 i, 1835 BGB. Zu den Grundlagen sowie den Beträgen im einzelnen verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insofern zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Gründe des landgerichtlichen Beschlusses, in dem die einzelnen Beträge aufgeführt werden. Diese ergeben die Nettosumme von 996,05 €.

Auch in diesem Zusammenhang spielen die Höchstbeträge der Vergütung nach dem VBVG keine Rolle, obgleich die dort vorgesehenen Beträge nicht nur die Tätigkeitsvergütung, sondern auch die Aufwendungen des Betreuers enthalten. Dem Senat erscheint jedoch eine Begrenzung des Aufwendungsersatzes des ehrenamtlichen Betreuers auf die in §§ 4 und 5 VBVG enthaltenen Pauschbeträge aus den vom OLG Karlsruhe dargelegten Gründen gesetzeswidrig (vgl. OLG Karlsruhe vom 01.03.2007, a.a.O.)

Der Nettobetrag von 996,05 € ist wiederum um die MWSt. zu erhöhen, so dass sich der Endbetrag auf 1.155, 42 € beläuft.

3.

Soweit das Landgericht den Ersatz der Anwaltsvergütung in Höhe von 5.898,37 € gemäß dem Antrag vom 20.04.2006 abgelehnt hat, ist diese Entscheidung rechtsfehlerfrei. Die Beschwerdekammer hat hierzu eingehend und zutreffend ausgeführt, dass keine spezifisch anwaltliche Tätigkeit des Antragstellers anlässlich der G-Reise im April 2006 entfaltet wurde. Der Senat nimmt auf diese Überlegungen Bezug.

Soweit mit dem Antrag vom 20.04.2006 im Übrigen auch Aufwendungsersatz verlangt wird, ist dieser erstattungsfähig und bereits in dem oben erwähnten Nettobetrag von 996,05 € enthalten; die Aufschlüsselung i.e. ergibt sich aus der Darstellung im Beschluss des Landgerichts.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Es entspricht der Billigkeit, dass beide Rechtsmittelführer ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (vgl. Zimmermann in Keidel/Kuntze, FGG, 15. Aufl., § 13 a Rdnr. 34 und FN 125).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 25.130,74 €; davon entfallen auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.: 19.182,34€ (5.898,37€ + 13.283,97€), auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3.: 5.948,40 €.