OLG Hamm, Beschluss vom 17.04.2008 - 15 W 415/07
Fundstelle
openJur 2011, 58116
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 23 T 610/07
Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts vom 29.08.2007 werden aufgehoben, letzterer insoweit, als die Entlassung des Beteiligten zu 3) aus dem Betreueramt angeordnet worden ist.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amts-gericht zurückverwiesen.

Im Wege der einstweiligen Anordnung wird der Beteiligte zu 3) vorläufig aus dem Amt des Betreuers entlassen.

Gründe

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29, 69g Abs.4 S.1 Nr.3 FGG an sich statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 3) folgt bereits daraus, dass seine erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs.1 FGG. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3) ausgegangen. In sachlicher Hinsicht hält die Entscheidung der rechtlichen Prüfung hingegen nicht in allen Punkten stand.

Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Landgericht § 1908b Abs.1 S.3 BGB als mögliche Grundlage für den hier zu beurteilenden Betreuerwechsel herangezogen hat. Die von dem Beteiligten zu 3) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Er verkennt insbesondere, dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum dahingehend genutzt hat, den Grundrechtsschutz des Betroffenen auf der Ebene des Einzelfalls zu sichern, indem auch der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung dem Wohl des Betreuten untergeordnet ist, auch ein auf § 1908b Abs.1 S.3 BGB gestützter Betreuerwechsel also stets die Feststellung der Eignung des neuen Betreuers voraussetzt.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht die Eignung des Beteiligten zu 2) bejaht hat. Die von dem Beteiligten zu 3) hierzu in zweiter Instanz erhobenen Beanstandungen hat die Kammer geklärt. Rechtsfehler werden insoweit nicht geltend gemacht, noch sind sie sonst ersichtlich.

Auf einer ungenügenden Sachaufklärung beruht die landgerichtliche Entscheidung allerdings insoweit, als das Vorbringen des Beteiligten zu 3) Anlass bot, der Frage nachzugehen, ob die Bestellung des Beteiligten zu 2) tatsächlich eine nachhaltige Umstellung der Betreuung auf eine ehrenamtliche Führung erwarten lässt. Die rechtliche Relevanz dieser Frage ergibt sich aus Folgendem:

Nach Aktenlage ist es offenkundig, dass das Amtsgericht die Abberufung des Beteiligten zu 3) wegen mangelnder Eignung (§ 1908b Abs.1 S.1 BGB) ins Auge gefasst hatte, und sodann auf den Abberufungsgrund des § 1908b Abs.1 S.3 BGB "ausgewichen" ist, offenbar da es sich hiervon einen geringeren Verfahrensaufwand versprach. Dies ist rechtlich nicht unzulässig, da die Abberufungsgründe des § 1908b Abs.1 BGB in keinem Rangverhältnis zueinander stehen, das dem Gericht eine bestimmte Prüfungsreihenfolge vorgeben würde. Allerdings muss in einem solchen Fall die ehrenamtliche Führung der Betreuung langfristig gesichert erscheinen. Ein Betreuerwechsel mit dem Ziel einer nur kurzfristigen Umstellung auf eine ehrenamtliche Betreuung und alsbaldiger Rückkehr zur berufsmäßigen Betreuungsführung wäre eine auch unter fiskalischen Gesichtspunkten unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Betroffenen, dem mit der Kontinuität der Betreuung in aller Regel am ehesten gedient ist. Hinzu kommt, dass in den Fällen, in welchen eine Ablösung des bisherigen Betreuers wegen Bedenken gegen seine Eignung ins Auge gefasst wird, es eine sachwidrige Umgehung des § 1908b Abs.1 S.1 BGB darstellen würde, wenn die Ablösung auf S.3 der Vorschrift gestützt werden könnte, obwohl absehbar ist, dass dessen Voraussetzungen allenfalls kurzfristig vorliegen.

Nach dem Akteninhalt bestanden konkrete Anhaltspunkte für eine absehbare Rückkehr zur berufsmäßigen Betreuungsführung, denen das Landgericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) hätte nachgehen müssen. Der Beteiligte zu 3) hat in seinem Schreiben vom 06.11.2007 mit dem ausdrücklich Antrag auf entsprechende Beweiserhebung behauptet, die Beteiligte zu 4) habe dem Beteiligten zu 2) zugesagt, künftig als Berufsbetreuer tätig werden zu können, wenn er zunächst einige Betreuungen ehrenamtlich übernehme. In dieselbe Richtung deutet das Vorbringen des Beteiligten zu 2) in seinem Schreiben vom 20.10.2007, in dem er auf seine abgeschlossene Berufsausbildung als Diplom-Sozialpädagoge sowie darauf hingewiesen hat, die vorliegende Betreuung sei nicht die erste, die er übernommen habe. Daraus ergeben sich deutliche Anhaltspunke, dass der Beteiligte zu 2) zumindest beabsichtigt, künftig Betreuungen als Teil seiner Berufstätigkeit zu führen. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 VBVG liegt eine berufsmäßige Führung der Betreuung bereits dann vor, wenn zu erwarten ist, dass dem Betreuer in absehbarer Zeit Betreuungen in

einem solchen Umfang übertragen werden, dass er sie nur im Rahmen seiner

Berufsausübung führen kann. Liegen die Voraussetzungen der Vorschrift vor, hat der Beteiligte zu 2) Anspruch darauf, dass die Berufsmäßigkeit der Führung der Betreuung gem. § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB festgestellt wird und ihm sodann ein Vergütungsanspruch nach dem VBVG zusteht. Zu vermeiden wäre eine solche Feststellung nur dann, wenn das Amtsgericht wiederum eine andere Person als ehrenamtlichen

Betreuer bestellt.

Die abschließende Sachentscheidung muss deshalb durch weitere tatsächliche Feststellungen vorbereitet werden, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht treffen kann. Der Senat hat von dem ihm zustehenden Ermessen dahin Gebrauch gemacht, die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil damit gerechnet werden muss, dass über eine Entlassung des Beteiligten zu 3) auch aufgrund der allgemeinen Vorschrift des § 1908b Abs. 1 S. 1 BGB entschieden werden muss. Dazu sind jedoch in dem vorliegenden Verfahren noch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen worden.

Mit der Zurückverweisung an das Amtsgericht hat der Senat eine vorläufige Entlassung des Beteiligten zu 3) im Wege der einstweiligen Anordnung verbunden, die auf § 69f Abs. 3 FGG beruht. Die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Vorschrift sieht der Senat im Hinblick darauf als gegeben an, dass der Beteiligte zu 3) nach dem

Akteninhalt über mehrere Jahre seiner Berichtspflicht gegenüber dem Vormundschaftsgericht trotz vielfacher Erinnerungen nicht nachgekommen ist. Seinem

eigenen Vorbringen im Schreiben vom 06.11.2007 zufolge ist es in dem Zeitraum ab April 2006 zu einem Zusammenbruch seines Betreuungsbüros mit teilweise katastrophalen Schäden für die Betroffenen gekommen. Bei seiner Entscheidung hat das Vormundschaftsgericht maßgebend das Wohl des Betroffenen in den Blick zu nehmen, während es auf die Ursachen des finanziellen Zusammenbruchs in dem privaten Bereich des Beteiligten zu 3) nicht ankommt.

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