VG Köln, Urteil vom 08.11.2007 - 6 K 2135/05
Fundstelle
openJur 2011, 55246
  • Rkr:
Tenor

Der Gebührenbescheid vom 29.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 9.3.2005 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtli-chen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Tatbestand

Aufgrund einer als „Gestattungsvertrag im Gesundheitswesen" bezeichneten Vereinbarung vom 30.9.2003 installierte die Klägerin bei der Beigeladenen ein sog. „Patiententelefon- und Patienten-Fernsehsystem" für insgesamt 175 Fernsehgeräte. Nach Ziffer 1 dieses Vertrages gestattet die Beigeladene der Klägerin, das System einzurichten und selbst oder durch Dritte zu betreiben. Nach den Ziffern 2.1 und 2.2 ist die Klägerin verpflichtet, das System in den Patientenzimmern betriebsbereit auf- zustellen und danach in betriebsbereitem Zustand zu halten. Nach Ziffer 2.3 schließt die Klägerin „mit den Patienten einen separaten Vertrag über die Nutzung des Sys- tems zu den jeweils geltenden Preisen und Allgemeinen Bestimmungen für die Nut- zung des Systems" und nach Ziffer 2.4 stellt die Klägerin „sicher, dass die Fernseh- geräte bei der GEZ angemeldet werden". Nach Ziffer 3 ist die Beigeladene u.a. ver- pflichtet, ein funktionsfähiges Leitungsnetz zur Verfügung zustellen und sicherzustel- len, dass alle Arbeiten am System nur durch die Klägerin oder mit deren Zustimmung ausgeführt werden. Ferner weist die Beigeladene öffentlich auf das Patiententelefon- und Fernsehsystem und die „Allgemeinen Bestimmungen hin, sowie darauf, dass keine privaten Fernsehgeräte und keine Funktelefone im Pflegebereich durch die Patienten genutzt werden dürfen". Zudem verpflichtet sich die Beigeladene, pro Wahlleistungspatient die tägliche Grundgebühr für die Nutzung des Systems zu er- statten, soweit diese Patientengruppe die Gebühren nicht selbst zahlt.

Nach dem „Nachtrag zum Gestattungsvertrag [...] vom 24.3.2004" überträgt die Klägerin der Beigeladenen „das Eigentum der im C. und der Kinderklinik C1. installierten TV-Geräte und Cockpits zum 12.3.2004". Die Beigeladene wird die installierten TV-Geräte und Cockpits der Klägerin „im Rahmen und für die Dauer des bestehenden Gestattungsvertrages unentgeltlich zur Nutzung überlassen".

Ende 2003 leitete der Beklagte eine Prüfung der Rundfunkgebührenpflicht für die zu installierenden Fernsehgeräte ein und schrieb sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene an. Die Beigeladene erklärte hierauf im Rahmen eines Befreiungsver- fahrens am 24.3.2004, dass die in ihrem Krankenhaus befindlichen 175 Hörfunk- und Fernsehgeräte „von dem Rechtsträger der Einrichtung oder von der Einrichtung selbst dem betreuten Personenkreis ohne besonderes Entgelt zur Verfügung gestellt" würden, in der „Einrichtung keine Vermietung von Rundfunk- und/oder Fernsehgerä- ten durch Fremdfirmen" erfolge und „die Möglichkeit des Empfangs von Rundfunk- und/oder Fernsehsendungen nicht mit der Verpflichtung zur Abnahme anderer Leis- tungen (z. B. Telefon) verknüpft" sei.

Der Betrieb des Systems wurde am 1.4.2004 aufgenommen.

Der Beklagte teilte der Klägerin und der Beigeladenen daraufhin nach Prüfung des Gestattungsvertrages mit Schreiben vom 11.8.2004 mit, dass er die 175 Fernsehgeräte in den Patientenzimmern auf die Klägerin als Rundfunkteilnehmerin angemeldet habe.

Die Klägerin widersprach der vom Beklagten vorgenommenen Anmeldung der Fernsehgeräte mit Schreiben vom 30.8.2004. Zur Begründung führte sie aus, die Programmhoheit und die tatsächliche Nutzung der Empfangsgeräte obliege dem einzelnen Patienten bzw. der Beigeladenen. Allein der Beigeladenen komme eine Weisungsbefugnis im Hinblick auf die Nutzung der Empfangsgeräte zu. Sie entscheide, ob und welche Zimmer mit Empfangsgeräten ausgestattet würden, ob die Geräte zu bestimmten Ruhezeiten auszuschalten seien, welche Programme empfangen werden könnten und ob die Patienten über das Fernsehsystem mit klinikeigenen Informationen versorgt würden.

Daraufhin setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin mit Gebührenbescheid vom 29.12.2004 Rundfunkgebühren für 175 Fernseh- bzw. Videogeräte am Standort der Beigeladenen für den Zeitraum April 2004 bis Dezember 2004 in Höhe von insgesamt 25.436,25 EUR fest.

Hiergegen erhob die Klägerin am 31.1.2004 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9.3.2005 zurückwies. Zur Begründung führte er aus, nach den vertraglichen Vereinbarungen sei zwar das Krankenhaus Betreiber der Anlage einschließlich des Fernsehsystems. Das Krankenhaus sei jedoch nicht in der Lage, eine eigene Benutzungsregelung zu treffen. Zum einen habe sich das Krankenhaus gegenüber der Klägerin verpflichtet, dass die Patienten keine privaten Fernsehgeräte mit auf die Zimmer bringen könnten. Zum anderen würden die Gebühren, die die Patienten für die Nutzung der Telekommunikationsanlage zu entrichten hätten, von der Klägerin festgelegt. Insoweit könne das Krankenhaus keine eigene Nutzungsregelung treffen. Die formale Eigentumsübertragung der TV- Geräte und des Cockpits auf die Klinik beinhalte keine wesentlichen Änderungsaussagen zu den o.a. Passagen des Gestattungsvertrages.

Die Klägerin hat am 8.4.2005 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie ergänzend aus, der Widerspruchsbescheid sei schon mangels Gewährung rechtlichen Gehörs rechtswidrig, denn er sei ergangen, bevor der Widerspruch habe begründet werden können. Die angefochtenen Bescheide seien aber auch materiell rechtswidrig, weil die Klägerin die in Rede stehenden Fernsehgeräte nicht zum Empfang bereit halte und deshalb nicht Rundfunkteilnehmerin sei. Regelmäßig halte der ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit, der über die Nutzungsmöglichkeit tatsächlich und auf Dauer verantwortlich bestimmen könne. Dabei sei es unerheblich, wer Eigentümer des Gerätes sei, d.h. wer nach den Regeln des Zivilrechts über den Gegenstand verfügen dürfe. Ausreichend sei vielmehr das Innehaben der rechtlichen bzw. rechtlich gesicherten tatsächlichen Verfügungsgewalt über das Rundfunkempfangsgerät. Diese Verfügungsgewalt habe hier beim Beigeladenen gelegen. Das Krankenhaus sei zum Besitz der Geräte berechtigt gewesen und damit auch in der Lage, die Geräte für seine Zwecke und nach seinem Willen zu nutzen. Unerheblich sei dabei, wer letztlich den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Betrieb der Rundfunkempfangsgeräte ziehe. Selbst wenn das Krankenhaus keinerlei Nutzen ziehen würde, bliebe es Rundfunkteilnehmer. Die Geräte seien auf Wunsch des Krankenhauses installiert. Die Klägerin halte die Geräte zwar instand, habe aber keinerlei Befugnis zu Weisungen über Programmwahl, Einschaltzeiten, Lautstärke und sachgemäße Bedienung. All das liege faktisch in den Händen des Krankenhauses. Dieses bestimme, ob und welche Zimmer mit Empfangsgeräten ausgestattet würden. Die Klinik habe dementsprechend eine Nutzungsanordnung über die Ruhezeiten erlassen und ferner selbst darüber entschieden, welche Programme in die sog. Black Box eingespeist würden und von den Patienten empfangen werden könnten. Dem entspreche auch die Erklärung der Klinik vom 24.3.2004.

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid vom 29.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.3.2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt und vertieft seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Die Beigeladene hat sich in der Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie der Verfahren 6 K 1648/05 und 6 K 2136/05 und die in diesen Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 29.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.3.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht zu Rundfunkgebühren für 175 Fernsehgeräte am Standort der Beigeladenen für den Zeitraum April 2004 bis Dezember 2004 herangezogen.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV) vom 31.8.1991 (GVBl. NRW S. 408) in der jeweils maßgeblichen Fassung hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelung des § 5 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgerätes jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Rundfunkteilnehmer ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält.

Hiervon ausgehend waren die Voraussetzungen für die Heranziehung der Klä- gerin zu Rundfunk- und Fernsehgebühren durch den angefochtenen Bescheid nicht erfüllt, da die Klägerin hinsichtlich der in den Patientenzimmern des von der Beigeladenen betriebenen Krankenhauses vorgehaltenen Fernsehgeräte nicht Rundfunkteilnehmerin im Sinne der genannten Vorschriften ist.

Das Bereithalten eines Rundfunkgerätes zum Empfang stellt einen tatsächlichen Zustand dar. Nach der Rechtsprechung ist daher für die Frage, wer Rundfunkteilnehmer ist, maßgeblich, wer die rechtlich gesicherte tatsächliche Verfügungsmacht über das Empfangsgerät besitzt, wer also die Möglichkeit hat, das Gerät zu nutzen, d.h. insbesondere über seinen Einsatz und die Programmwahl tatsächlich und verantwortlich zu bestimmen.

Vgl. nur Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 2.3.2007 - 19 A 3253/04 -, NWVBl. 2007, S. 270 m.w.N.; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Urteil vom 7.8.1992 - 14 S 2371/90 -, VBlBW 1993, S. 11.

Unerheblich ist demgegenüber - wie sich auch der Vorschrift des § 2 Abs. 3 RGebStV entnehmen lässt -, wer Eigentümer des Gerätes ist, wer also nach den Regeln des Zivilrechts über den Gegenstand verfügen darf.

Vgl. nur VGH BW, Urteil vom 7.8.1992 - 14 S 2371/90 -, VBlBW 1993, S. 11.

Gemessen hieran hatte vorliegend nicht die Klägerin, sondern die Beigeladene die rechtlich gesicherte tatsächliche Verfügungsmacht über die streitgegenständlichen Fernsehgeräte inne. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den insoweit allein maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen. So bestimmt nicht die Klägerin, sondern die Beigeladene, in welchen Patientenzimmern des von ihr betriebenen Krankenhauses überhaupt Fernsehgeräte vorgehalten werden und zu welchen Zeiten diese Geräte genutzt bzw. nicht genutzt werden dürfen. Die Lösung etwaiger Kollisionsfälle bei widerstreitenden Interessen der Patienten obliegt ebenfalls der Beigeladenen. Schließlich bestimmt die Beigeladene nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin auch, welche Programme in die sog. Black Box eingespeist werden, d.h. von den im Krankenhaus bereitgehaltenen Fernsehgeräten überhaupt empfangen werden können.

Dass die Entscheidung, ob, wann und mit welchem Programm ein vorhandenes Fernsehgerät im Rahmen der durch die Beigeladene vorgegebenen Regelungen eingeschaltet wird, letztlich vom Patienten getroffen wird, der das Fernsehgerät während seines Krankenhausaufenthaltes nutzt, ist demgegenüber ohne Belang. Denn die Patienten kommen - wie sich der Vorschrift des § 2 Abs. 3 RGebStV entnehmen lässt - aufgrund der regelmäßig nur kurzzeitigen Miet- bzw. Nutzungsdauer schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität nicht als Rundfunkteilnehmer in Betracht.

Vgl. auch VG Münster, Urteil vom 13.10.2006 - 7 K 652/00 -; außerdem OVG Koblenz, Urteil vom 23.3.1994 - 12 A 11840/93 -, NVwZ-RR 1995, S. 291, betreffend Hotelgäste; Naujock, in: Hahn/Vesting (Hrsg.), Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 1 RGebStV, Rn. 34.

Die zwischen der Klägerin und der Beigeladenen in dem Gestattungsvertrag getroffenen Regelungen führen zu keiner anderen Beurteilung. Denn auf den Willen der Vertragsparteien kommt es für die Frage der Rundfunkteilnehmereigenschaft nicht an. Wer Rundfunkteilnehmer ist, bestimmt sich gemäß den Regelungen des RGebStV nach den tatsächlichen Verhältnissen und kann vom Rundfunkteilnehmer nicht durch zivilrechtlichen Vertrag mit einem Dritten bindend gegenüber der jeweiligen Landesrundfunkanstalt übertragen werden.

Vgl. VG Münster, Urteil vom 13.10.2006 - 7 K 652/00 -.

Auf dieser Grundlage ist es nicht entscheidungserheblich, dass - nach dem Gestattungsvertrag - die Klägerin Betreiberin der Anlage ist, dass sie mit den Patienten einen separaten (und ggfs. gebührenpflichtigen) Vertrag über die Nutzung des Systems abschließt und dass sie die Anmeldung der Fernsehgeräte bei der GEZ sicherstellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit nicht selbst dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen.