OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.03.2007 - 16 B 236/07
Fundstelle
openJur 2011, 48166
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch den Senat führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.

Die Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus.

Allerdings lässt sich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts aus Art. 7 Abs. 5 der 3. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126 EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein) für den vorliegenden Fall nichts Einschlägiges entnehmen. Insbesondere ergibt sich aus dessen letztem Satz keine Rechtsgrundlage für die hier in Streit stehende Maßnahme des Antragsgegners. Nach dem 1. Halbsatz haben die Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis sorgfältig darauf zu achten, dass eine Person die Anforderungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels erfüllt (und damit etwa einen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaates hat). Nach dem 2. Halbsatz wenden sie ihre nationalen Vorschriften für die Aufhebung oder den Entzug der Fahrerlaubnis an, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung des Führerscheins nicht vorgelegen haben. Diese Befugnis ist indes, wie sich durch den Bezug des Personalpronomens "sie" auf die den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaaten ergibt, nur diesen, dagegen nicht dem Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes eingeräumt. Noch eindeutiger ergibt sich dies aus der französischen bzw. englischen Originalfassung. Hier heißt es auch grammatikalisch zweifelsfrei, dass der Staat, der die Fahrerlaubnis erteilt hat, ermächtigt sein soll, seine nationalen Vorschriften anzuwenden. Dies wäre somit Tschechien, nicht hingegen die Bundesrepublik Deutschland.

Ungeachtet dessen geht die Interessenabwägung jedoch zu Lasten des Antragstellers aus. Der Senat geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass Ordnungsverfügungen, mit denen inländische Behörden unter Berufung auf fortbestehende und vom Fahrerlaubnisinhaber nicht ausgeräumte Zweifel an seiner Fahreignung das Gebrauchmachen von einer EU-Fahrerlaubnis in Deutschland untersagen, nicht offensichtlich rechtswidrig sind, wenn sich die Umstände des Erwerbs der ausländischen Fahrerlaubnis bzw. das Sichberufen auf europarechtliche Freizügigkeitsverbürgungen als missbräuchlich darstellen.

Vgl. Beschluss vom 13. September 2006 - 16 B 989/06 -, Blutalkohol 43 (2006), 507, sowie Juris.

Hieran hat der Senat vor kurzem auch in Ansehung der - soweit ersichtlich - neuesten Entscheidung des EuGH zu diesem Themenkomplex

EuGH, Beschluss vom 28. September 2006

- C-340/05 - (Rechtssache Kremer), DAR 2007, 77, außerdem veröffentlicht unter http://curia.eu (aufrufbar über "Aktuelles" und "Suchformular")

festgehalten.

OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 16 B 178/07 - (m. w. N. zur Rechtsprechung des EuGH).

Hierin hat der Senat ausgeführt, der EuGH habe auch in der Rechtssache Kremer nach wie vor nicht zu den unter dem Schlagwort des "Führerscheintourismus" zusammengefassten zahlreichen Missbrauchsfällen Stellung bezogen. Hierbei gehe es nicht um das Gebrauchmachen von europarechtlichen Freizügigkeitsrechten. Vielmehr nutzten die Betroffenen ohne erkennbare Bindungen zum Ausstellerstaat lediglich die nach wie vor bestehenden Unzulänglichkeiten im innereuropäischen Informationsaustausch, um die regelmäßig strengeren fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften ihres Heimatstaates zu umgehen und dabei ggf. auch die Fahrerlaubnisbehörden des Ausstellerstaates über die vormalige Fahrerlaubnisentziehung bzw. die einer Wiedererlangung der Fahrerlaubnis im Heimatstaat entgegenstehenden Eignungsbedenken zu täuschen. Daher sehe der Senat weiterhin keinen Anlass, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, die dem im Grundsatz auch vom EuGH anerkannten Verbot der missbräuchlichen Inanspruchnahme europarechtlicher Freizügigkeitsverbürgungen und unabweisbaren Sicherheitsinteressen des Straßenverkehrs Rechnung trage.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, an der der Senat weiterhin festhält, mag der vom Verwaltungsgericht hervorgehobene Verstoß des Antragstellers gegen das Wohnsitzerfordernis (Art. 7 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 9 der Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG vom 29. Juli 1991) es für sich gesehen nicht rechtfertigen, der tschechischen Fahrerlaubnis des Antragstellers die Anerkennung zu versagen. Im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung ist dieser Verstoß aber jedenfalls als ein wesentliches Element des dem Antragsteller vorzuhaltenden Missbrauchsverhaltens zu berücksichtigen. Umstände irgendwelcher Art, die vorliegend ausnahmsweise ein dem Antragsteller günstigeres Ergebnis rechtfertigen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.