VG Köln, Urteil vom 23.05.2007 - 10 K 4717/06
Fundstelle
openJur 2011, 47221
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 24.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 05.09.2006 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Unter dem 21.08.2001 beantragte der am 00.00.0000 in Nikolajew/frühere UdSSR geborene Kläger, der zu diesem Zeitpunkt die ukrainische Staatsangehörigkeit besaß, zusammen mit seiner Ehefrau bei dem Beklagten die Einbürgerung nach § 85 AuslG in den deutschen Staatsverband, wobei sich die Einbürgerung auch auf seinen am 24.03.1995 geborenen Sohn erstrecken sollte. Bei Antragstellung gab der Kläger unter anderem an, er beziehe Sozialhilfe und erklärte auf die Frage, welche Bemühungen er unternommen habe, um den Bezug von Arbeitslosenhilfe und/oder Sozialhilfe zu beenden, er habe mehrere nachgewiesene Arbeitsunfähigkeitsperioden wegen Gesundheitszustand gehabt, habe jedoch gleichwohl versucht umzuschulen. Schließlich erklärte der Kläger, dass er u.a. darüber informiert worden sei, dass falsche Angaben die Einbürgerung ausschließen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte der Kläger ärztliche Atteste vom16.11.1998, 17.06.1999 und 01.03.2000 vor, denen zufolge er unter zahlreichen Gesundheitsstörungen litt und in denen bescheinigt wurde, er könne aufgrund seiner Erkrankung für mehrere Monate bzw. zur Zeit keine körperlichen und geistigen Arbeiten verrichten.

Gemäß einer Aktennotiz vom 28.01.2002 ging der Beklagte davon aus, der Kläger und seine Ehefrau hätten den Bezug von Sozialhilfe nicht zu vertreten, weil der Kläger aus gesundheitlichen Gründen keine Beschäftigung ausüben könne und seine Ehefrau eine Ausbildung absolviere. Mit Urkunde des Beklagten vom 29.01.2002, den Klägern ausgehändigt am 28.02.2002 bürgerte der Beklagte den Kläger wie auch am gleichen Tage dessen Ehefrau und Sohn in den deutschen Staatsverband ein.

Durch einen Zeitungsartikel vom 22.05.2002 erfuhr der Beklagte, dass gegen den Kläger polizeiliche Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Ausländergesetz eingeleitet worden waren und dass bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers unter anderem in einem Tresor 50.000 Dollar sichergestellt worden waren. Am 07.03.2003 leitete die Staatsanwaltschaft Köln die von ihr gefertigte Anklageschrift vom 27.12.2002 -100 Js 147/01- dem Beklagten zu, mit der dem Kläger unter anderem vorgeworfen wurde, sich eines Betruges zum Nachteil der Stadt Köln als Trägerin der Sozialhilfe schuldig gemacht zu haben, weil er mindestens seit dem 01.01.2001 Sozialhilfe bezogen habe, obwohl er im genannten Zeitpunkt aus seiner Tätigkeit, Ukrainer und andere Osteuropäer mit Hilfe von Verpflichtungserklärungen und Reiseschutzpässen in die Schengen-Staaten einzuschleusen, über hohe Einkünfte verfügt habe, wobei er gewusst habe, dass er diese Einkünfte dem Sozialamt der Stadt Köln gegenüber habe anmelden müssen und dass er keinen Anspruch auf die Unterstützung gehabt habe. Am 12.02.2004 wurde dem Beklagten durch den zuständigen Staatsanwalt telefonisch mitgeteilt, der Kläger sei am 11.02.2004 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden, wobei seitens des zuständigen Staatsanwalts seinem Unverständnis Ausdruck verliehen wurde, wie es zu der Einbürgerung des Klägers gekommen sei. Am 20.02.2004 wurde der Beklagte auch seitens des Landgerichts Köln über die erfolgte Verurteilung des Klägers informiert. Am 22.07.2004 wurde dem Beklagten sodann das Urteil des Landgerichts Köln -109-32/02- übersandt, aus dem sich ergibt, dass der Kläger auch wegen Betruges zum Nachteil der Stadt Köln verurteilt worden ist. Das Gericht ging dabei unter anderem davon aus, dass das Sozialamt der Stadt Köln die Leistungen an den Kläger ab Juni 2001 eingestellt hätte, hätte der Kläger seine Vermögensverhältnisse wahrheitsgemäß angegeben. Die Leistung von Sozialhilfe erfolgte bis zum 31.12.2001. Mit Bescheid vom 13.11.2002 forderte das Sozialamt der Stadt Köln von dem Kläger die an ihn gezahlten Sozialhilfeleistungen zurück. Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch des Klägers ist bisher nicht beschieden worden. Das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.04.2004 ist rechtskräftig.

Nachdem das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 17.11.2004 an den Beklagten dessen Auffassung beigetreten war, der Kläger habe seine Einbürgerung erschlichen, teilte der Beklagte dem Kläger mit diesem am 17.02.2005 zugestellten Schreiben mit, er beabsichtige, die Einbürgerung des Klägers mit Wirkung für die Vergangenheit und für die Zukunft zurückzunehmen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Einbürgerung des Klägers sei rechtswidrig erfolgt. Der Kläger habe bei Antragstellung Sozialhilfe bezogen. Der Bezug von Sozialhilfe schließe die Einbürgerung grundsätzlich aus. Eine Ausnahme von dieser Regelung sei erfüllt, wenn der Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug nicht selbst zu vertreten habe. Nach den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Köln vom 09.02.2004 sei davon auszugehen, dass der Bezug von Sozialleistungen durch den Kläger zu Unrecht erfolgt sei. Es könne daher nicht mehr von einem durch den Kläger unverschuldeten Leistungsbezug ausgegangen werden. Die Voraussetzung für die Einbürgerung, nämlich der verschuldensfreie Bezug von Sozialhilfe sei im Falle des Klägers somit nicht gegeben gewesen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Kläger die Einbürgerung erschlichen habe, da er bezüglich seiner Unterhaltsfähigkeit bewusst falsche Angaben gemacht habe. Damit sei die Einbürgerung des Klägers als rechtswidrig anzusehen, weil sie in der Annahme erfolgt sei, der Kläger habe den Bezug von Sozialhilfe nicht zu vertreten; bei Kenntnis des tatsächlichen Sachverhaltes wäre die Einbürgerung nicht erfolgt, da die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts ohne Innanspruchnahme von Sozialhilfe in der Person des Klägers nicht erfüllt gewesen sei. Der Kläger sei auch bei Antragstellung darauf hingewiesen worden, dass er wahrheitsgemäße Angaben machen müsse. Er habe indes seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht zutreffend angegeben. Da der Kläger die Einbürgerung durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien, sei sein Vertrauen auf den Bestand der Einbürgerung nicht schutzwürdig. Der Kläger habe zumindest in grob fahrlässiger Weise die Einbürgerung herbeigeführt, weshalb es gerechtfertigt sei, die Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Bei dieser Sachlage könne ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung nicht mehr unterstellt werden. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin die ukrainische Staatsangehörige besitze, so dass ein Abgleiten in die Staatenlosigkeit nicht zu vermuten sei. Die Rücknahme der Einbürgerung sei auch noch möglich, weil der genaue Sachverhalt dem Beklagten erst seit dem 22.07.2004 bekannt sei.

Nachdem der Kläger gegenüber dem Beklagten auf das Anhörungsschreiben hin die Auffassung vertreten hatte, eine Rücknahme seiner Einbürgerung sei rechtlich nicht möglich, nahm der Beklagte die Einbürgerung mit Bescheid vom 04.04.2005, dem Kläger zugestellt am 12.04.2005 zurück, wobei der Beklagte zur Begründung seine Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben wiederholte. Mit Bescheid vom 19.10.2006 nahm der Beklagte auch die Einbürgerung der Ehefrau des Klägers und dessen Sohn zurück; über die dagegen erhobenen Widersprüche ist bisher nicht entschieden.

Zur Begründung seines rechtzeitig erhobenen Widerspruchs trug der Kläger unter anderem vor, er sei nicht selbst Einbürgerungsbewerber gewesen, er sei lediglich als Ehegatte seiner Ehefrau mit eingebürgert worden. Er habe deshalb bei Antragstellung keine unzutreffenden Angaben gemacht. Seine Ehefrau indes habe bei Antragstellung noch keine Angaben zu ihrem Einkommen im Jahre 2001 machen können, weil dies noch nicht festgestellt gewesen sei. Das Familieneinkommen sei ausschließlich von seiner Ehefrau erzielt worden, zudem sei die Annahme des Beklagten unzutreffend gewesen, er habe den Bezug von Sozialhilfe nicht zu vertreten, denn er sei damals ein uneingeschränkt arbeitsfähiger Ausländer gewesen. Seine Angaben hätten deshalb offenkundig bei der Einbürgerung keine Rolle gespielt. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2006, dem Kläger zugestellt am 06.10.2006, wies die Bezirksregierung Köln den Widerspruch des Klägers unter Wiederholung der Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid des Beklagten zurück. Weiter wurde ausgeführt, der Kläger sei selbst als Einbürgerungsbewerber anzusehen und die Frage, ob der Beklagte bei Einbürgerung hätte wissen können, dass der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung arbeitsfähig gewesen sei, komme es nicht an. Entscheidend sei vielmehr, dass der Kläger bereits im Zeitpunkt der Antragstellung Einkünfte in erheblicher Höhe erwirtschaftet habe, welche er dem Sozialamt vorenthalten habe. Allein daraus ergebe sich, dass die Einbürgerungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten, weil der Kläger nicht unverschuldet Sozialhilfe bezogen habe.

Der Kläger hat am 03.11.2006 Klage erhoben, zu deren Begründung er seinen Vortrag aus dem Vorverfahren wiederholt und insbesondere betont, der Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2001 habe erst nach dessen Ablauf festgestellt werden können. Im Jahre 2000 habe das betriebene Gewerbe indes kein Einkommen erbracht, zumal das Gewerbe auch von der Ehefrau des Klägers angemeldet gewesen sei. Weiterhin sei die Rücknahme der Einbürgerung jedenfalls zu spät erfolgt, weil der Beklagte bereits im Mai 2002 erfahren habe, dass bei ihm, dem Kläger, in einem Tresor 50.000 Dollar gefunden worden seien. Schließlich habe er durch seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband die ukrainische Staatsangehörigkeit verloren und werde durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos werden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 04.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 05.09.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und betont insbesondere, der Kläger habe bei Stellung seines Antrags auf Einbürgerung den Beklagten bewusst über die gesetzlichen Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht, die tatsächlich nicht vorgelegen hätten.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten 10 L 722/05 und 10 L 1809/06 sowie die von dem Beklagten und der Bezirksregierung Köln vorgelegten Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch die Rücknahme seiner Einbürgerung durch den Bescheid des Beklagten vom 04.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 05.09.2006 in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Allerdings kann § 48 Abs. 1 VwVfG NW, auf den der Beklagte die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers gestützt hat, grundsätzlich die Grundlage für die zeitnahe Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung bilden, ohne dass das in Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit oder der in Artikel 16 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Schutz vor Staatenlosigkeit dem grundsätzlich entgegensteht -

vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, 807; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.06.2003 - 1 C 19.02 -, DVBL 2004, 116; Urteil vom 09.09.2003 - 1 C 6.03 -, BVerwGE 119, 17 -.

Dies ist indes angesichts der Regelung in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG nur dann der Fall, wenn die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder vergleichbar vorwerfbares Verhalten erschlichen worden ist, nicht aber dann, wenn die Einbürgerung durch objektiv unrichtige oder unvollständige Angaben herbeigeführt worden ist -

vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 18.01.2007 - 11 UE 111/06 -, AuAS 2007, 77; Bayerischer VGH, Urteil vom 01.03.2007 - 5 BV 05.1783 - (Juris); OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.10.2006 - 5 B 15.03 - (Juris) -.

Eine Rücknahme einer Einbürgerung des Klägers gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG wäre mithin nur möglich, wenn der Kläger durch bewusste Täuschung des Beklagten seine Einbürgerung erwirkt hätte -

vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 22.10.1996 - 13 L 7223/94 -, NdsRpfl 1997, 85; OVG Hamburg, Beschluss vom 28.08.2001 - 3 Bs 102/01 - (Juris); OVG NRW, Urteil vom 02.09.1996 - 25 A 2106/94 -, NWVBl 1997, 71 -.

In diesem Sinne hat der Kläger durch das Verschweigen der Tatsache, dass er neben dem Bezug von Sozialhilfe zusammen mit seiner Ehefrau über beträchtliche Mittel aus den durch das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.02.2004 abgeurteilten Straftaten verfügte, jedoch nicht getäuscht. Dieser Umstand bedingt nämlich nicht die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung des Klägers auf der Grundlage von § 85 Abs. 1 des Ausländergesetzes vom 09.07.1990 (BGBl. I 1354) in der Fassung des Gesetzes vom 02.08.2000 (BGBl. I 1253) - AuslG -.

Gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG war ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, was in der Person des Klägers unstreitig der Fall war, neben anderen Voraussetzungen, die für den Kläger nicht zweifelhaft sind, auf Antrag einzubürgern, wenn er gemäß Nr. 3 der Bestimmung den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bestreiten konnte, wobei gemäß § 85 Abs. 1 Satz 2 AuslG von dieser Voraussetzung abgesehen werde, wenn der Ausländer aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde den Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bestreiten konnte. Da die Bestimmung nach ihrem Wortlaut auf die bestehende Unterhaltsfähigkeit, nicht aber auf den Nichtbezug von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe abstellte, war bei Auslegung dieser Bestimmung streitig, ob die Voraussetzungen gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG für eine Einbürgerung bereits dann nicht gegeben waren, wenn der Einbürgerungsbewerber über ein so geringes Einkommen verfügte, dass ihm ein Anspruch auf Bewilligung von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe zustand, er solche Leistungen allerdings nicht in Anspruch nahm, wobei überwiegend vertreten wurde, dass - erst - bei Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe ein Einbürgerungshindernis gegeben war -

vgl. hierzu VG Berlin, Urteil vom 01.03.2005 - 2 A 125.02 - (Juris) m.w.N; Berlit im Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Stand Oktober 2005, Rdnr. 221 zu § 10 StAG -.

Angesichts des Zwecks des Erfordernisses einer bestehenden Unterhaltsfähigkeit bei Einbürgerung, nämlich einerseits den deutschen Staat von finanziellen Lasten, die durch die Einbürgerung eines Ausländers entstehen können, freizuhalten, andererseits die wirtschaftliche Eingliederung des Einbürgerungsbewerbers in Deutschland sicherzustellen -

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 -,

kann indes nicht zweifelhaft sein, dass jedenfalls § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG der Einbürgerung eines Einbürgerungsbewerbers dann nicht entgegenstand, wenn dieser deshalb unberechtigt Sozialhilfe bezog, weil er anderweitig über ausreichende Einkünfte oder anderweitiges Vermögen verfügte, und deshalb ein Anspruch auf Bewilligung von Sozialhilfe ausgeschlossen war, die Unterhaltsfähigkeit des Einbürgerungsbewerbers mit anderen Worten in anderer Weise als durch den Bezug von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe gesichert war. Selbst wenn die dem Kläger aus den dem Gegenstand des Urteils des Landgerichts Köln vom 11.02.2004 bildenden Straftaten zugeflossenen Geldmittel bei der Prüfung der Frage, ob seine Unterhaltsfähigkeit ausreichend gegeben war, zu berücksichtigen waren -

dies für Einkommen aus eindeutig strafbaren Handlungen allerdings verneinend, Berlit, aaO., Rdnr. 223 -,

hätte der Einbürgerungsanspruch des Klägers nicht unter Berufung auf § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG abgelehnt werden können, hätte der Kläger den Besitz dieser Geldmittel gegenüber dem Beklagten offenbart, sodass eine Täuschung des Beklagten seitens des Klägers über den Besitz von Geldmitteln die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung des Klägers insoweit nicht bedingen konnte.

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die - unterstellte - Täuschung des Beklagten seitens des Klägers über das Vorhandensein von beachtlichen Geldmitteln nicht ursächlich für die Annahme des Beklagten gewesen sein kann, in der Person des Klägers seien die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 2 AuslG gegeben. In Ziffer 10.1.3 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950), Stand 10.12.2004, heißt es zu dem in der Sache § 85 Abs. 1 Satz 2 AuslG entsprechenden § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG: „Als ein zu vertretender Grund für eine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG ist insbesondere ein Arbeitsplatzverlust wegen Nichterfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten bzw. eine Auflösung eines Beschäftigungsverhältnisses wegen arbeitsvertragswidrigem Verhaltens anzusehen. Anhaltspunkte dafür, dass ein Einbürgerungsbewerber das Fehlen der wirtschaftlichen Voraussetzungen zu vertreten hat, ergeben sich z. B. auch daraus, dass er wiederholt die Voraussetzungen für eine Sperrzeit nach § 144 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erfüllt oder das aus anderen Gründen Hinweise auf Arbeitsunwilligkeit bestehen. Nicht zu vertreten hat der Einbürgerungsbewerber insbesondere, wenn ein Leistungsbezug wegen Verlustes des Arbeitsplatzes durch gesundheitliche, betriebsbedingte oder konjunkturelle Ursachen begründet ist und er sich hinreichend intensiv um eine Beschäftigung bemüht hat." Nach diesen Ausführungen, denen beizutreten ist -

vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 08.05.2006 - 12 TP 357/06 -, DÖV 2006, 878; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., Rdnr. 22 zu § 10 StAG; Urteil der Kammer vom 24.01.2007 - 10 K 6835/05 -,

ist bei Auslegung der in Rede stehenden Vorschrift abzustellen auf die Frage, ob die einer Bewilligung von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe zugrundeliegende Hilfebedürftigkeit zu vertreten ist. Liegen indes wegen des Vorhandenseins anderweitiger Geldmittel die Voraussetzungen für die Bewilligung von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe in der Person des Einbürgerungsbewerbers nicht vor, ist für die Anwendung von § 85 Abs. 1 Satz 2 AuslG von vorneherein schon deshalb kein Raum, weil ein Einbürgerungshindernis gemäß § 85 Abs. 1 Satz 3 AuslG nicht besteht. Auch insoweit war deshalb die „unterstellte" Täuschung des Beklagten seitens des Klägers über das Vorhandensein anderweitiger Geldmittel irrelevant.

Eine die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers rechtfertigende arglistige Täuschung des Beklagten durch das Verschweigen des Vorhandenseins aus Straftaten stammender Geldmittel ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil der Beklagte, wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, eine Kenntnis über diesen Umstand zum Anlass genommen hätte, von einer Bescheidung des Einbürgerungsantrags des Klägers abzusehen und eine Klärung der sich aus dem Sozialhilfebezug des Klägers ergebenden Fragen abzuwarten. Eine die Rücknahme einer Einbürgerung rechtfertigende bewusste Täuschung kann bei Verschweigen für die Einbürgerung relevanter Umstände jedenfalls nur dann angenommen werden, wenn eine Verpflichtung zur Angabe dieser Umstände anzunehmen ist -

vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 04.05.2005 - 5 B 03.1679 -, BayVBl 2007, 117 -.

Von einer Verpflichtung des Klägers, von sich aus darauf hinzuweisen, dass er trotz des Besitzes beachtlicher Geldmittel Sozialhilfe bezogen hat, kann indes nicht angenommen werden. Dies würde nämlich bedeuten, dass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, sich gegenüber dem Beklagten des Begehens einer Straftat zu bezichtigen, denn durch den Bezug von Sozialhilfe trotz des Besitzes erheblicher Geldmittel hat sich der Kläger, wie aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 11.02.2004 zu entnehmen ist, eines Betruges zum Nachteil der Stadt Köln als Sozialhilfeträger schuldig gemacht. Unzumutbar und mit der in Art. 1 GG geschützten Würde des Menschen unvereinbar ist indes ein Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen. Insoweit gewährt Art. 2 Abs. 1 GG als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe einen Schutz, der alter und bewährter Rechtstradition entspricht, weshalb eine Verpflichtung zur Selbstbezichtigung auszuschließen ist -

vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.01.1981 - 1 BvR 116/77 -, BVerfGE 56, 37 -.

Es kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger den Beklagten dadurch arglistig getäuscht und veranlasst hat, ihn einzubürgern, dass er bei dem Beklagten den Eindruck erweckt hat, er sei - auch noch im Zeitpunkt der Antragstellung auf Einbürgerung und der Einbürgerung selbst - aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, einer Berufstätigkeit nachzugehen, was, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat, nicht den Tatsachen entsprach. Bedenken gegen die Annahme einer Täuschung insoweit ergeben sich zum einen aus der sprachlich nur schwer verständlichen Antwort des Klägers auf die Frage, welche Bemühungen er unternommen habe, um den Bezug von Arbeitslosenhilfe und /oder Sozialhilfe zu beenden. Darüber hinaus hat der Kläger in der Tat ärztliche Atteste allein für Zeiträume vorgelegt, die deutlich vor der Antragstellung auf Einbürgerung liegen. Da der Kläger im Einbürgerungsverfahren allein ärztliche Atteste aus den Jahren 1997 bis 2000 vorgelegt hat, die nach der Mitteilung des Bundesgrenzschutzamtes Köln an den Beklagten vom 12.06.2002 tatsächlich von der behandelnden Ärztin ausgestellt waren, weitere Atteste indes seitens des Klägers nicht in das Einbürgerungsverfahren eingeführt worden sind, erscheint allein die Mitteilung des Bundesgrenzschutzamtes, aus überwachten Telefongesprächen sei bekannt, dass der Kläger gegenüber einem Gesprächspartner erklärt habe, anlässlich seiner Einbürgerung Atteste vorgelegt zu haben, die von ihm gefälscht worden seien, ungeeignet abzuleiten, der Kläger habe insoweit den Beklagten bei Stellung seines Antrags auf Einbürgerung bewusst über die gesetzlichen Einbürgerungsvoraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 2 AuslG, seine Anwendung unterstellt, getäuscht, wie dies nunmehr vom Beklagten vorgetragen wird. Selbst wenn nämlich davon auszugehen wäre, dass insoweit seitens des Klägers eine bewusste Täuschung des Beklagten begangen worden ist und hierdurch die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung des Klägers bedingt ist, ist der angegriffene Bescheid des Beklagten als rechtswidrig aufzuheben. Da die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NW im Ermessen der Behörde steht, kann das Verwaltungsgericht bei Überprüfung der Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht andere möglicherweise zur Rechtswidrigkeit der Einbürgerung des Klägers führende Tatsachen an die Stelle der Begründung durch den Beklagten bzw. die Bezirksregierung Köln als Widerspruchsbehörde setzen. Denn unter diesem Gesichtspunkt haben die genannten Behörden das ihnen zustehende Ermessen nicht ausgeübt, so dass die Bescheide in Anwendung von § 114 Satz 1 VwGO jedenfalls rechtswidrig sind -

vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 22.06.1982 - Nr. 21 B 81 A.1353 -, BayVBl. 1983, 212; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., Rdnr. 95 zu § 48 -.

Angesichts der Ausführungen in dem insoweit den Gegenstand des Verfahrens bestimmenden Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 05.09.2006 (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), auf die Frage, ob der Beklagte bei Einbürgerung hätte wissen können, dass der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung arbeitsfähig gewesen sei, komme es nicht an, ist der angegriffene Bescheid jedenfalls auch dann rechtswidrig, wenn der Kläger den Beklagten insoweit arglistig getäuscht hat. Von dieser Feststellung des Widerspruchsbescheides ist der Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich abgerückt.

Da nach dem Vorstehenden von der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides des Beklagten auszugehen ist, bedarf letztlich keiner Klärung die Frage, ob der Beklagte bei seiner Entscheidung, die Einbürgerung des Klägers zurückzunehmen, in ausreichendem Maße die verfassungsrechtliche Wertentscheidung in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, den Eintritt von Staatenlosigkeit nach Möglichkeit zu verhindern -

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.06.2003 - 1 C 19.02 -, aaO.; Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 -, aaO. -,

bei seiner Ermessensentscheidung dadurch berücksichtigt hat, dass er gestützt auf den von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20.03.2002 ohne nähere Prüfung davon ausgegangen ist, der Kläger habe durch die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband die ukrainische Staatsangehörigkeit nicht verloren, obwohl gemäß Art. 19 Nr. 1 des am 01.03.2001 inkraftgetretenen Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der Ukraine vom 18.01.2001 -

abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stichwort Ukraine, Stand: 31.07.2002 -

die Staatsbürgerschaft der Ukraine verloren wird, wenn die Person nach Erreichen der Volljährigkeit freiwillig die Staatsbürgerschaft eines anderen Staates erworben hat, was in der Person des Klägers der Fall ist, und gemäß Art. 10 Abs. 1 des genannten Gesetzes zwar eine Person, die nach der Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine keine andere Staatsbürgerschaft erwarb und den Antrag auf Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft der Ukraine gestellt hat, als Staatsbürger der Ukraine registriert wird unabhängig davon, ob er ständig in der Ukraine oder im Ausland wohnt, dies indes voraussetzt, dass die im Absatz 5 des Art. 9 des Gesetzes genannten Umstände nicht vorliegen. Zu diesen Umständen gehört jedoch gemäß Art. 9 Abs. 5 Nr. 3 des Gesetzes das Begehen einer Tat auf dem Gebiet eines anderen Staates, die in der Ukraine als schweres Verbrechen gilt, was angesichts einer Verurteilung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe durch das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.02.2004 in der Person des Klägers nicht vorneherein ausgeschlossen erscheint.

Auf die Feststellung, dass die Frist des § 48 Abs. 4 BVFG durch die Rücknahmeentscheidung des Beklagten gewahrt worden ist, kommt es nach allem nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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