AG Erkelenz, Urteil vom 11.05.2006 - 8 C 136/06
Fundstelle
openJur 2011, 45772
  • Rkr:

Einstellung der Versorgung mit Energie

Umfang der Glaubhaftmachung

Tenor

Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, den mit einem Ausweis versehenen Beauftragte der Verfügungsklägerin Zutritt zu dem Haus ..., 41836 Hückelhoven, zu gestatten und die Einstellung der Energieversorgung durch Sperrung des Gas- und Stromzählers (...) zu dulden.

Für den Fall der Verweigerung des Zutritts und des Widerstandes gegen die Liefersperre werden die zwangsweise Öffnung des Hauses bzw. der Wohnung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher und die Einstellung der Energieversorgung in Gegenwart und unter Aufsicht des zuständigen Gerichtsvollziehers angeordnet.

Der Verfügungsbeklagten wird gestattet, die Vollziehung der Liefersperre durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 1.800,00 EUR abzuwenden. Die Sicherheit kann auch durch die Vorlage einer selbstschuldnerischen, unwiderruflichen und unbefristeten Bürgschaft eines im Inland zur Vornahme von Bankgeschäften zugelassenen Kreditinstitutes erbracht werden.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach §§ 935, 940 ZPO zulässig und begründet, denn die Verfügungsklägerin hat einen Anspruch auf Einstellung der Versorgung nach § 33 Absatz 2 AVBElTV bzw. AVBGasV ebenso glaubhaft gemacht, wie das Vorliegen eines Verfügungsgrundes.

1. Auf das Rechtverhältnis der Parteien sind die AVBGasV und AVBElTV anzuwenden, denn es handelt sich um einen Besandsvertrag für Tarifkunden, auf den nach § 116 EnWG 2005 die bestehenden Vorschriften auch weiter Anwendung finden.

Die Verfügungsklägerin ist nach § 33 Abs. 2 AVBGasV bzw. AVBElTV berechtigt, die Versorgung der Verfügungsbeklagten mit Gas und Strom einzustellen und hierzu Zutritt zur Wohnung zu erlangen (§ 16 AVBGasV bzw. AVBElTV). Die Verfügungsbeklagte ist ihrer Zahlungspflicht trotz Mahnung nicht nachgekommen.

a)Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr gegen die Verfügungsbeklagte zum 30. März 2006 ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1.713,57 EUR zustand. Soweit die Verfügungsbeklagte hiergegen ohne nähere Erläuterung einwendet, die Gaspreise der Verfügungsbeklagten entsprächen nicht der Billigkeit und seien daher nicht geschuldet, kann sie damit jedenfalls im vorliegenden Verfahren keinen Erfolg haben.

Die Verfügungsklägerin hat nämlich lediglich glaubhaft zu machen, dass ihre Forderung begründet ist. Eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO erfordert dabei einen gegenüber der Beweisführung geringeren Überzeugungsgrad. Eine Behauptung ist glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH, Beschl. v. 11. September 2003, IX ZB 37/03, www.jurisweb.de Rn.8 = BGHZ 156, 139 = NJW 2003, 3558; BGH, Beschl. v. 20. März 1996, VIII ZB 7/96, NJW 1996, 1682, 1682; Musielak-Huber, ZPO, 4. Aufl., § 294 Rn. 3; kritisch: Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 294 Rn. 6; jew. m.w.N.). Ausgehend davon, dass die Verfügungsbeklagte die bis zum 1.1.2005 von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Preise selber für angemessen hält, hat die Verfügungsklägerin durch Bezugnahme auf das von der Verfügungsbeklagten selber vorgelegte Schreiben der NEW Energie GmbH vom 7. März 2006 ausreichend glaubhaft gemacht. In diesem Schreiben wird erläutert, dass die Preissteigerung noch unter der Erhöhung der Bezugspreise liegt, welche die Verfügungsklägerin für den Einkauf von Erdgas bei ihrem Vorlieferanten aufwenden muss. Dies reicht jedenfalls im Rahmen der Glaubhaftmachung aus, um die Berechtigung zur Anhebung der Gaspreise zu begründen (LG Heilbronn, Urt. vom 19. Janaur 2006, 6 S 16/05 Ab - nicht rechtskräftig, www.landgerichtheilbronn.de Seite 10 ff.). Es kann hier dahinstehen, ob dies auch im Zahlungsprozess ausreichend ist, in dem die Verfügungsklägerin nicht lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit glaubhaft machen muss, sondern den Vollbeweis führen muss, dass ihre Tarife der Billigkeit entsprechen (so LG Heilbronn a.a.O.).

b) Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Verfügungsbeklagten entgegen der hier vertretenen Ansicht die Darlegungen der Verfügungsklägerin als nicht ausreichend ansehen würde, hat die Verfügungsbeklagte fällige Zahlungspflichten trotz Mahnung nicht erfüllt, so dass selbst in diesem Falle eine Versorgungseinstellung nach § 33 AVBElTV bzw. AVBGasV gerechtfertigt ist. Nach ihrer eigenen Aufstellung schuldete sie aus der Jahresverbrauchsabrechnung am 1. Februar 2006 einen Betrag von 537,50 EUR und zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch 403,09 EUR. Dieser Betrag ist auch nicht so gering, dass eine Versorgungseinstellung deshalb ausgeschlossen wäre. Soweit sich die Verfügungsbeklagte hierzu auf das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 7. November 2005 (7 O 116/05) bezieht, ist der diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt gleich aus einer Vielzahl von Gründen mit dem hier zu Entscheidenenden nicht vergleichbar: Auf das dort entschiedene Vertragsverhältnis waren die AVBGasV nicht anwendbar, es ging vielmehr um die Frage, ob nach § 36 EnWG 2005 eine Versorgungspflicht des Energieversorgers besteht. Darüber hinaus ist aber in dem Urteil zutreffend von der Verfügungsbeklagten zitiert ausgeführt, dass diese Voraussetzungen dann nicht vorliegen, wenn der streitige Rückstand gering ist und der Verbraucher erklärt, zur Leistung bereit zu sein. Das ist hier aber gerade nicht der Fall. Die Verfügungsbeklagte ist nicht einmal bereit und in der Lage, den unstreitigen Rückstand aus der Jahresverbrauchabrechnung 2005 zu zahlen. Dies lässt ohne weiteres den Rückschluss zu, dass sie erst Recht nicht bereit und in der Lage sein wird, im Falle einer Verurteilung im Zahlungsprozess den vollen glaubhaft gemachten Zahlungsrückstand auszugleichen.

Ein verhältnismäßig geringfügiger Rückstand liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die Verfügungsbeklagte ihn nicht in einer Summe zahlen kann. Darüber hinaus bestehen aber auch erhebliche Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Verfügungsbeklagten.

2. Die Verfügungsbeklagte hat demgegenüber auch nicht dargelegt, dass die Schwere der Folgen außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen würde und hinreichende Aussicht besteht, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen werde (§ 33 Abs. 2 S. 2 AVBGasV/AVBEltV). Abgesehen davon, dass die Verfügungsbeklagte gar nicht dargelegt hat, welche Härten gegebenenfalls mit der Versorgungseinstellung verbunden wären, ist die Zuwiderhandlung auch erheblich. Die Verfügungsbeklagte sieht sich selber nur in der Lage, den von ihr als richtig anerkannten Rest aus der Jahresverbrauchsabrechnung in acht Monatsraten zu zahlen, obwohl dieser mit Zusendung der Jahresverbrauchsabrechnung in einer Summe fällig gewesen wäre. Hinzu kommt, dass nach dem glaubhaft gemachten Sachvortrag der Verfügungsklägerin dieser ein Anspruch in Höhe von 1.713,57 EUR zusteht, der sich monatlich infolge der Kürzung der Abschlagszahlungen noch erhöht, ohne dass eine berechtigte Aussicht der Verfügungsklägerin bestehen würde, im Falle eines Obsiegens im Zahlungsprozess auch tatsächlich die bis dahin aufgelaufenen Rückstände zu realisieren. Abgesehen davon, dass sich hieraus bereits ergibt, dass nicht zu erwarten ist, dass die Verfügungsbeklagte künftig ihren Vertragspflichten nachkommt, ist es der Verfügungsklägerin nicht zuzumuten, die Verfügungsbeklagte weiter mit Energie zu beliefern, ohne Aussicht darauf zu haben, dass ihre berechtigten Zahlungsansprüche befriedigt werden.

3. Die Voraussetzungen einer Versorgungseinstellung liegen daher vor. Allerdings ist dem Sicherungsbedürfnis der Verfügungsklägerin auch dann Rechnung getragen, wenn die Verfügungsbeklagte für die behaupteten Rückstände Sicherheit leistet, denn es ist dann der Verfügungsklägerin zuzumuten, ihre Zahlungsansprüche im Klagewege geltend zu machen, wenn sie nicht befürchten muss, trotz eines Titels mit der Forderung auszufallen. Daher ist der Eingriff auf das erforderliche Maß zu beschränken und der Verfügungsbeklagten nachzulassen, die Vollziehung der Liefersperre durch Sicherheitsleistung abzuwenden.

4. Es liegt auch ein Verfügungsgrund vor, denn infolge des fortlaufenden Gas- und Strombezuges erhöht sich der Zahlungsrückstand ständig. Da die Verfügungsklägerin kraft Gesetzes zur Versorgung verpflichtet ist, ist es ihr - anders als zum Beispiel einem Vermieter, der sich seine Mieter aussuchen kann - nicht zuzumuten, ein Hauptsacheverfahren abzuwarten.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil Urteile, die eine einstweilige Verfügung aussprechen, auch ohne gesonderten Ausspruch vorläufig vollstreckbar sind.

6. Das Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 9. Mai 2006 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Streitwert: 900,00 EUR (Neugebauer)