OLG Hamm, Beschluss vom 13.03.2006 - 15 W 53/06
Fundstelle
openJur 2011, 43286
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 T 12/06
Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) werden der angefochtene Beschluss teilweise sowie Beschluss des Amtsgerichts Soest vom 28.12.2005 insoweit aufgehoben, als die zwangsweise Medikation des Betroffenen - ggf. mit Sicherstellung der Maßnahmen durch Zwang - genehmigt worden ist.

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Der Betroffene war zunächst auf der Grundlage des PsychKG-NW seit dem 19.10.2005 geschlossen untergebracht. Durch Beschluss vom 24.10.2005 bestellte das Amtsgericht im Wege einstweiliger Anordnung einen vorläufigen Betreuer für den Betroffenen in allen Aufgabenbereichen bis zum 15.02.2006. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht unter dem 04.11.2005 zurückgewiesen.

Durch Beschluss vom 28.11.2005 hat das Amtsgericht die geschlossene Unterbringung des Betroffenen durch den Betreuer bis zum 15.01.2006 genehmigt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige weitere Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen.

Durch Beschluss vom 28.12.2005 hat das Amtsgericht im Wege einstweiliger Anordnung die Unterbringung um drei Monate verlängert und die Genehmigung zu einer zwangsweisen medikamentösen Behandlung des Betroffenen erteilt. Hinsichtlich der Verlängerung der Unterbringung hat es die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung angeordnet, hinsichtlich der Genehmigung der Zwangsbehandlung ausdrücklich nicht.

Gegen diesen Beschluss hat mit Schriftsatz vom 02.01.2006 der Beteiligte zu 2) sofortige Beschwerde erhoben. Das Landgericht hat daraufhin das Amtsgericht veranlasst, die bis zu diesem Zeitpunkt unterbliebene Anhörung des Betroffenen nachzuholen. Diese ist am 24.01.2006 erfolgt. Durch Beschluss vom 03.02.2006 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der höchstzulässige Unterbringungszeitraum am 28.02.2006 endet.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben der Beteiligte zu 2) durch Schriftsatz vom 07.02.2006 und der Betroffene zu Protokoll des Rechtspflegers des Amtsgerichts Lippstadt am 08.02.2006 sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Durch Beschluss vom 09.02.2006 hat das Amtsgericht, nachdem zwischenzeitlich ein Sachverständigengutachten eingeholt worden war, in der Hauptsache entschieden und die geschlossene Unterbringung des Betroffenen bis zum 09.02.2007 genehmigt. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Zwangsmedikation hat es die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens angeordnet. Die Beschwerdeführer sind daraufhin seitens des Senats darauf hingewiesen worden, dass durch die Hauptsacheentscheidung des Amtsgerichts eine Erledigung der Hauptsache bezüglich der einstweiligen Anordnung eingetreten sein dürfte, jedenfalls soweit die Unterbringung genehmigt worden war. Der Beteiligte zu 2) hat daraufhin sein Rechtsmittel für erledigt erklärt, soweit es die Genehmigung der Unterbringung betraf. Der Betroffene hat u.a. durch Schreiben vom 24.02.2006 mitgeteilt, dass er auf einer Entscheidung über seine Rechtsmittel bestehe.

II.

Die sofortigen weiteren Beschwerden sind nach den §§ 70 m Abs. 1, 70 h Abs. 1, 70 g Abs. 3, 27, 29 FGG an sich statthaft sowie formgerecht eingelegt. Gleichwohl ist das Rechtsmittel des Betroffenen insgesamt unzulässig, weil ihm die Befugnis zur Anfechtung der Entscheidung des Landgerichts fehlt:

Gegenstand der Entscheidung der Kammer sind zwei Verfahrensgegenstände, nämlich sowohl die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung des Betroffenen als auch die darüber hinaus erteilte Genehmigung zu seiner zwangsweisen Medikation. Zu beiden Verfahrensgegenständen war die Entscheidung des Amtsgerichts nur mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Dies folgt für die Genehmigung der geschlossenen Unterbringung unmittelbar aus den §§ 70 m Abs. 1, 70 h Abs. 1, 70 g Abs. 3 FGG. Dies gilt aber auch für die Genehmigung der Zwangsmedikation. Denn diese Genehmigung hat das Amtsgericht ersichtlich nicht auf der Grundlage des § 1904 BGB, also deshalb erteilt, weil die Medikation eine Lebensgefahr oder die Gefahr eines länger dauernden gesundheitlichen Schadens für den Betroffenen begründen könnte. Grundlage der Entscheidung des Amtsgerichts ist vielmehr der über die geschlossene Unterbringung hinausgehende weitere freiheitsentziehende Eingriff, der mit der Durchführung einer Zwangsmedikation verbunden ist. Unabhängig von der materiellrechtlichen Genehmigungsfähigkeit einer solchen Maßnahme (siehe dazu die nachstehenden Hinweise), kommen als verfahrensrechtliche Grundlage insoweit nur die §§ 70 ff. FGG, als Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts also nur die sofortige Beschwerde in Betracht (OLG München NJW-RR 2005, 1530 f.).

Soweit die erstinstanzliche Entscheidung einem befristeten Rechtsmittel unterliegt, ist zur Anfechtung der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nur derjenige befugt, der selbst die erstinstanzliche Entscheidung fristgerecht angefochten hatte (vgl. BGH NJW 1980, 1960f; OLG Düsseldorf OLGZ 1985, 437, 438; Keidel/Meyer-Holz, FG, 15.Aufl., § 27 FGG, Rdnr. 11). Sind mehrere Verfahrensbeteiligte zur Anfechtung der Entscheidung des Amtsgerichts mit der fristgebundenen Erstbeschwerde befugt, so kann derjenige, der infolge Ablaufs der Rechtsmittelfrist sein Beschwerderecht verloren hat, dieses auch nicht mehr durch Anfechtung der auf das Rechtsmittel eines anderen Verfahrensbeteiligten ergangenen Beschwerdeentscheidung des Landgerichts wahrnehmen. Diese Grundsätze gelten auch für das Verhältnis des dem Betroffenen persönlich zustehenden Beschwerderechts zu demjenigen des für ihn bestellten Verfahrenspflegers. Der gem. § 70 b FGG bestellte Verfahrenspfleger ist ein Pfleger eigener Art, der die Funktion eines gesetzlichen Vertreters des Betroffenen einnimmt, ohne dass hierdurch die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen (§ 66 FGG), insbesondere seine Fähigkeit selbstständig Rechtsmittel einzulegen, beeinträchtigt würde (vgl. etwa OLG Frankfurt/M. FGPrax 2000, 21). Der Verfahrenspfleger ist an Weisungen des Betroffenen nicht gebunden, und kann unabhängig von diesem Rechtsmittel einlegen (OLG Frankfurt/M. a.a.O. mit weiterem Nachw.). Dementsprechend läuft für den Verfahrenspfleger eine eigene Beschwerdefrist, die den Beginn der Frist für den Betroffenen nicht berührt (BayObLGZ 1999, 374 f. = FamRZ 2000, 1445). Folglich kann der Verfahrenspfleger mit dem von ihm eingelegten Rechtsmittel das daneben dem Betroffenen persönlich zustehende Beschwerderecht nicht wahrnehmen. Daraus folgt hier:

Der Beteiligte zu 2) hat in seinem Schriftsatz vom 02.01.2006 erkennbar aufgrund seiner Verfahrensstellung als bestellter Verfahrenspfleger des Betroffenen die sofortige Erstbeschwerde eingelegt. Aus seiner Erklärung ergibt sich kein Anhaltpunkt dafür, dass er das Rechtsmittel etwa aufgrund eines ihm als Rechtsanwalt erteilten Mandats als Verfahrensbevollmächtigter namens des Betroffenen hat einlegen wollen, zumal er noch kurz zuvor am 14.12.2005 dem Amtsgericht mitgeteilt hatte, ein anwaltliches Mandat des Betroffenen nicht übernommen zu haben, und daraufhin durch Beschluss des Amtsgerichts vom 23.12.2005 als Verfahrenspfleger des Betroffenen bestellt worden ist. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 28.12.2005, der die nach § 70 f Abs. 1 Nr. 4 FGG erforderliche Rechtsmittelbelehrung enthält, ist dem Betroffenen persönlich am 02.01.2006 förmlich zugestellt worden. Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene in der Folgezeit ein eigenes Rechtsmittel nicht eingelegt.

In der Sache zu entscheiden hat der Senat deshalb nur über die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2), der indessen nach Eintritt der Erledigung der Hauptsache hinsichtlich der Genehmigung der geschlossenen Unterbringung mit Schriftsatz vom 13.02.2006 erklärt hat, dass er eine Sachentscheidung lediglich noch zum Verfahrensgegenstand der Genehmigung der Zwangsmedikation anstrebt.

Diese Entscheidung unterliegt bereits deshalb der Aufhebung durch den Senat, weil sie mit der gegebenen Begründung nicht im Wege der einstweiligen Anordnung hätte ergehen dürfen. Der Senat lässt in diesem Zusammenhang offen, ob sich die einstweilige Anordnung von 28.12.2005 nicht auch hinsichtlich der Genehmigung der Zwangsmedikation durch den Erlass der Hauptsacheentscheidung, die zu dieser Frage allein eine weitere Beweisaufnahme angeordnet hat, erledigt hat.

Als Rechtsgrundlage für die Genehmigung einer Medikation, die gezielt gegen den natürlichen Willen des Betroffenen durchgeführt werden soll, kommt nur § 1906 Abs.4 BGB in Betracht (so OLG München a.a.O.). In verfahrensrechtlicher Hinsicht sind dann die §§ 70ff FGG zu beachten. Danach könnte zwar eine einstweilige Anordnung nach § 70 Abs.1 S.2 Nr.2 FGG erlassen werden, dies jedoch nur, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 70 h Abs.1 S.2, 69 f Abs.1 S.1 Nr.1 2. HS FGG vorliegen, mit einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache also Gefahr verbunden ist. Diese Voraussetzung muss im Hinblick auf die im Übrigen eingeschränkten Anordnungsvoraussetzungen anhand konkreter Tatsachen festgestellt werden. Die hierzu erforderlichen Feststellungen haben die Vorinstanzen nicht getroffen. Vielmehr ergibt sich aus dem Umstand, dass das Amtsgericht von der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit abgesehen hat, dass es eine erhöhte Dringlichkeit im vorbeschriebenen Sinne nicht für gegeben erachtet hat.

Aus diesen Gründen hat der Senat keinen Anlass, über die Frage der Genehmigungsfähigkeit und der Genehmigungsbedürftigkeit einer Zwangsmedikation des Betroffenen im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung zu entscheiden. Die Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde des Beteiligten zu 2) gibt dem Senat lediglich Anlass zu dem Hinweis, dass seiner Auffassung nach die Entscheidung des BGH vom 11.10.2000 (NJW 2001, 888 f.) der Annahme, dass eine Zwangsbehandlung im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung zulässig sein kann, nicht entgegen steht. Denn der BGH hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass ein nicht einwilligungsfähiger Betreuter mit der Zustimmung des Betreuers - unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - auch gegen seinen Willen behandelt werden kann (ebenso OLG München a. a. O.). Ob der Betreuer hierfür, soweit die besonderen Voraussetzungen des § 1904 BGB nicht vorliegen, überhaupt einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, insbesondere die erforderliche gesetzliche Grundlage bereits aus § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB abzuleiten ist, der die Genehmigung einer gegen den Willen des Betroffenen erfolgenden geschlossenen Unterbringung zum Zweck der Heilbehandlung ausdrücklich zulässt, ist nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, vielmehr Gegenstand eines Vorlagebeschlusses an den BGH gem. § 28 Abs. 2 FGG (OLG Celle, Beschl. v. 21.12.2005 - 17 W 132/05, zitiert nach juris).

Eine Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz ist gem. § 128 b KostO nicht veranlasst.