VG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2006 - 15 K 1067/06
Fundstelle
openJur 2011, 43122
  • Rkr:
Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt haben.

Im Óbrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 97/100 und der Beklagte zu 3/100.

Das Urteil ist wegen der Kosten für die Klägerin vollstreckbar und für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin studiert seit dem Wintersemester 2002 / 2003 an der I1-Universität E das Studienfach Humanmedizin.

Die zwecks Feststellung der erfolgreichen Teilnahme an dem Praktikum der Biochemie am 27. Juli 2004 geschriebene Klausur (Klausur Biochemie II) bestand die Klägerin nicht. Erfolglos blieben auch ihre am 27. Januar 2005 und 1. April 2005 gefertigten Wiederholungsklausuren.

Mit am 11. Mai 2005 bei dem Beklagte eingegangenem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10. Mai 2005 erhob die Klägerin gegen das Nichtbestehen der Prüfungsversuche vom 27. Juli 2004, 27. Januar 2005 und 1. April 2005 Widerspruch und beantragte, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Zur Begründung des Widerspruchs machte sie im Wesentlichen geltend, für die Abnahme einer Prüfung zur Feststellung der erfolgreichen Teilnahme an dem Praktikum der Biochemie fehle es in den maßgeblichen prüfungsrechtlichen Bestimmungen schon an einer Rechtsgrundlage. Jedenfalls sei die Ausgestaltung der schriftlichen Prüfungen in der Form des "multipleselect-Verfahrens" rechtswidrig.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2005 erklärte der Beklagte die Wiederholungsklausur der Klägerin vom 1. April 2005 unter Hinweis darauf für bestanden, dass eine nachträgliche Überprüfung der vorgegebenen Prüfungsfragen und Antwortalternativen zur Eliminierung von zwei Prüfungsfragen und einer Neufestssetzung der Bestehensgrenze geführt habe, die von der Klägerin überschritten sei.

Die Klägerin hat am 14. März 2006 Klage erhoben.

Sie macht geltend, der Beklagte habe es bislang rechtswidrig unterlassen, entsprechend dem mit dem Widerspruch vom 11. Mai 2005 gegen das Nichtbestehen der Prüfungsklausuren verbundenen Antrag festzustellen, dass die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig gewesen sei. Deshalb sei Klage geboten, die als Untätigkeitsklage zulässig und begründet sei. Ihr stehe ein Anspruch auf Erstattung der Auslagen und Gebühren ihres Bevollmächtigten im Vorverfahren zu. Dass die Beurteilung der angegriffenen Prüfungsklausuren als nicht bestanden rechtswidrig sei, ergebe sich für die am 1. April 2005 erbrachte Prüfungsleistung schon aus den Gründen, aus denen sich der Beklagte ausweislich seines Anschreibens vom 5. Oktober 2005 veranlasst gesehen habe, die Klausur nachträglich für bestanden zu erklären. Damit sei in der Sache ihrem Widerspruch teilweise abgeholfen worden. An einer Abhilfeentscheidung mit einer sie begünstigenden Kostenlastentscheidung fehle es aber. Nichts anderes gelte hinsichtlich der beiden vorangegangenen Prüfungsversuche vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005. Auch insoweit habe der Beklagte ihrem Widerspruch verbunden mit der entsprechenden Kostenentscheidung abzuhelfen. Dass die jeweiligen Prüfungsmodalitäten und damit die jeweils festgestellten Prüfungsergebnisse ebenfalls rechtlich zu beanstanden seien, folge schon aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen vom 22. Juli 2005 in dem Verfahren 14 B 951/05. Die Entscheidung über die Widersprüche gegen die Prüfungsentscheidungen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 habe sich mit dem späteren Bestehen der Prüfung nämlich nicht erledigt.

Nachdem der Beklagte die Forderung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf Zahlung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 292,24 Euro für den Widerspruch gegen die Prüfungsentscheidung vom 1. April 2005 zunächst teilweise und dann vollständig ausgeglichen hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache mit Schriftsatz vom 28. April 2006 und 22. Mai 2006 für erledigt erklärt, soweit die Klage ursprünglich sinngemäß auch darauf gerichtet war, den Beklagten zu verpflichten, seine nachträgliche Entscheidung darüber, dass die Klägerin die am 1. April 2005 erbrachte Prüfungsleistung bestanden hat, mit einer Kostenlastentscheidung zu versehen und auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war. Der Erledigungserklärung hat der Beklagte sich im Termin zur mündlichen Verhandlung angeschlossen.

Nachdem die Klägerin im Übrigen zunächst wörtlich beantragt hat,

festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Hinblick auf ihren Widerspruch vom 10. Mai 2005 gegen das Nichtbestehen ihrer Klausur in den Prüfungsversuchen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 notwendig war,

um sodann wörtlich zu beantragen,

das Nichtbestehen ihrer Prüfung der Klausur im Fach Biochemie vom 27. Juli 2004 aufzuheben und sie zu einem neuen Prüfungsversuch zuzulassen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

und

das Nichtbestehen ihrer Prüfung der Klausur im Fach Biochemie vom 27. Januar 2005 aufzuheben und sie zu einem neuen Prüfungsversuch zuzulassen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

beantragt sie nunmehr,

die Prüfungsentscheidungen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in den Widerspruchsverfahren gegen die Prüfungsentscheidungen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 jeweils für notwendig zu erklären,

hilfsweise

festzustellen, dass Prüfungsentscheidungen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 rechtswidrig waren und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in den Widerspruchsverfahren gegen die Prüfungsentscheidungen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 jeweils für notwendig zu erklären,

weiter hilfsweise

den Beklagten zu verpflichten, in den Widerspruchsverfahren gegen die Prüfungsentscheidungen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 jeweils die Übernahme der Kosten des Verfahrens und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Klage müsse erfolglos bleiben. Über die Widersprüche gegen die Prüfungsentscheidungen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 sei nicht mehr zu entscheiden, nachdem die Klägerin den Prüfungsversuch vom 1. April 2005 bestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Das Verfahren war analog § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Soweit über das ursprüngliche Klagebegehren noch streitig zu entscheiden ist, erweist sich die Klage sowohl mit dem Hauptantrag wie auch mit den hilfsweise zur Entscheidung gestellten Rechtsschutzbegehren als nicht zulässig. Offen bleiben kann dabei, ob - und ggf. inwieweit - in der wiederholten Änderung des Klagebegehrens eine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO liegt, da der Beklagte ohne den Änderungen zu widersprechen durch die Stellung eines Sachantrages in der mündlichen Verhandlung in eine etwa gegebene Klageänderung eingewilligt hat (§ 91 Abs. 2 VwGO).

Das mit dem Hauptsantrag als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) verfolgte Klagebegehren ist unzulässig. Ob insoweit die Sachurteilvoraussetzungen für eine Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) vorliegen, mag dahinstehen. Einer Entscheidung in der Sache steht entgegen, dass der Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit der Bewertung der durch die Klägerin am 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 gefertigten Prüfungsklausuren erledigt ist, nachdem der Beklagte der Klägerin aufgrund der am 1. April 2005 schriftlich erbrachten Prüfungsleistung die erfolgreiche Teilnahme an dem regelmäßig besuchten Praktikum der Biochemie bescheinigt hat.

Der Rechtsstreit um die Erteilung dieses Leistungsnachweises ist im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO erledigt. Ein Verpflichtungsbegehren (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), das unter Aufhebung einer Prüfungsentscheidung auf eine erneute Entscheidung über das Prüfungsergebnis gerichtet ist entweder nach Neubewertung der bereits erbrachten Prüfungsleistung oder aber nach Wiederholung der Prüfungsleistung und deren anschließender Bewertung, erledigt sich, wenn die Prüfung später bestanden wird und damit zwischen dem Ziel der Klage und dem tatsächlich Erlangten Identität besteht.

Vgl. hierzu: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 20. Januar 2002, 19 A 2524/01, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2002, 355 ff.

Allerdings bleibt jedenfalls bei berufsbezogenen Prüfungen für die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der zuvor ergangenen Prüfungsentscheidung regelmäßig die Anfechtungsklage die richtige Klageart, wenn die Befürchtung berechtigt erscheint, der von der negativen Prüfungsentscheidung ausgehende "Makel des Durchfallens" könne das berufliche Fortkommen des Prüflings erschweren.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. Oktober 1993, 6 C 12.92, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Buchholz) 421.0 Prüfungswesen Nr. 320

Diese Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Anfechtungsbegehrens sind hier nicht erfüllt. Die beanstandeten Prüfungsentscheidungen beschweren die Klägerin nicht mehr. Die mit der Beurteilung der Prüfungsklausuren vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 als nicht bestanden jeweils einhergehende Feststellung, dass die Klägerin erfolglos an dem Praktikum der Biochemie teilgenommen hat (§ 13 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 der Studienordnung für den Studiengang Humanmedizin an der I1-Universität E vom 11. Dezember 2001 [Amtliche Bekanntmachungen der I1- Universität E (Amtl. Bek.), Nr. 1/2001] i. V. m. § 22 Abs. 1 S. 1 der Studienordnung für den Studiengang Humanmedizin vom 5. November 2003 [Amtl. Bek., Nr. 25/2003] und § 43 der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002, BGBl. I S. 2405), bedeutet für die Klägerin keinen rechtlich beachtlichen Nachteil mehr.

Die ihr aufgrund der am 1. April 2005 erbrachten Prüfungsleistung erteilte Bescheinigung über die regelmäßige und erfolgreiche Praktikumsteilnahme ist mit dem Ziel identisch, dem die zuvor erfolglos erbrachten Prüfungsleistungen gedient haben. Auch diese bezweckten den Erfolg der Teilnahme an dem regelmäßigen besuchten Praktikum der Biochemie nachzuweisen. Nach Erhalt des Leistungsnachweises sind die mit den angegriffenen Prüfungsentscheidungen jeweils getroffenen rechtlichen Regelungen für die Klägerin nicht mehr von rechtlich beachtlichem Nachteil.

Der Leistungsnachweis, über den eine Bescheinigung nach dem Muster auszustellen ist, das in Anlage 4 zu § 2 Abs. 4 der Approbationsordnung für Ärzte in der zuletzt durch Art. 8 des Gesetzes vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467) geänderten Fassung in der Bekanntmachung vom 14. Juli 1987 BGBl. I S. 1593) vorgeschriebenen ist, wird unbenotet erteilt. Er erschöpft sich mithin in der Feststellung der erfolgreichen Teilnahme an dem regelmäßig besuchten Praktikum. Zudem ist er nach den §§ 2 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 4 Nr. 1 lit d) ÄAppO 1987 lediglich der Meldung zur Ärztlichen Vorprüfung beizufügen, geht aber nicht in deren Bewertung ein und findet auch sonst auf keinem Prüfungszeugnis Erwähnung. Weil damit aber der Umstand, dass die Klägerin den Leistungsnachweis erst in einem Wiederholungsversuch erlangt hat, für außenstehenden Dritten nicht erkennbar ist, behaften die fehlgeschlagenen Vorversuchen die Klägerin auch nicht mit einem "Makel des Durchfallens", der sie in ihrem beruflichen Fortkommen behindern könnte.

Vgl. Beschluss der Kammer vom 16. Januar 2003, 15 7733/01 (n. v.); für den Fall der Versagung eines Hauptseminarscheins: Urteil der Kammer vom 21. Januar 2005, 15 K 7393/05 (n. v.; rechtskräftig); im Ergebnis ebenso für den Fall der Versagung von Leistungsnachweisen im Rahmen universitärer Lehrveranstaltungen: Verwaltungsgericht Sigmaringen, Urteil vom 24. Juni 1999, 8 K 1577/97 (zitiert nach juris).

Erweist sich damit der Hauptantrag als unzulässig, gilt Gleiches auch für den ersten Hilfsantrag. Zwar ist das Klagebegehren angesichts der aus den vorgenannten Gründen eingetretenen Erledigung des Rechtsstreits als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 4 S. 1 VwGO analog statthaft. Es ist gleichwohl nicht zulässig, weil der Klägerin das für die Führung eines solchen Prozesses notwendige besondere Rechtsschutzinteresse fehlt. Ein rechtlich beachtliches Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 4 S. 1 VwGO analog ist weder ihrem Vortrag zu entnehmen noch sonst ersichtlich.

Die geltend gemachte Wiederholungsgefahr ist zu verneinen, nachdem die Klägerin den Leistungsnachweis erhalten hat und ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen ist, dass sie im Verlauf des weiteren Studiums noch Leistungsnachweise zu erbringen hat, deren Durchführung und / oder Bewertung die hier geltend gemachten Rechtsfehlern ebenfalls anhaften werden. Auch bedarf die Klägerin der Entscheidung über das Fortsetzungsfeststellungsbegehren nicht zur Vorbereitung eines gegen den Beklagten mit dem Ziel geführten Amtshaftungsprozesses, Schadensersatz für die in den Widerspruchsverfahren gegen die Prüfungsentscheidungen angefallenen Gebühren und Auslagen ihres Bevollmächtigten zu erhalten. Dies gilt hier schon deshalb, weil die Erledigung der Rechtsstreitigkeiten mit dem bereits am 1. April 2005 geführten Nachweis über den Erfolg der Praktikumsteilnahme vor Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage eingetreten ist und die Klägerin zur Verfolgung eines Amtshaftungsbegehrens deshalb ohne Rechtsnachteil direkt den Zivilrechtsweg hätte beschreiten können.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989, 8 C 30/87, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 81, 226 (227 f.).

Schließlich erweist sich auch der zweite Hilfsantrag als unzulässig. Zwar sind die mit ihm verfolgten Klagebegehren als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft. Die mit der Entscheidung über einen Widerspruch zwingend zu verbindende Kostenlastentscheidung (§§ 70, 72, 73 Abs. 3 S. 3 VwGO) ist nämlich ebenso als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG NRW zu qualifizieren wie der (auch) im Prüfungsrechtsstreit gemäß den §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 3 Nr. 2, 80 Abs. 2 VwVfG NRW als Annex zu der Kostenlastentscheidung auf Antrag zu treffende, den Umfang der Kostentragungspflicht betreffende Ausspruch über die Notwendigkeit, einen Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren hinzuziehen.

Vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987, 7 C 83.84, BVerwGE 77, 268 (270) und Urteil vom 25. September 1992, 8 C 16.90, Buchholz, 316 § 80 Nr. 33; Stelkens / Kallerhoff in Stelkens / Bonk / Sachs (Stelkens), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Auflage 2001, zu § 80 Rn. 76.

Die Klagebegehren sind dennoch unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit die zur Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Die geltend gemachten Ansprüche stehen ihr offensichtlich nicht zu. Jedwede zu Gunsten eines Widerspruchsführers zu treffende Kostenentscheidung - und damit auch die auf der Kostenlastentscheidung aufbauende Entscheidung nach § 80 Abs. 2 VwVfG NRW - setzt nämlich voraus, dass der Widerspruch gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW erfolgreich war. Erfolgreich im Sinne dieser Norm ist ein Widerspruch aber nur, wenn und soweit ihm abgeholfen (§ 72 VwGO) oder stattgegeben wird (§ 73 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 25. September 1992, a. a. O.; Stelkens, a. a. O., Rn. 3.

Keine dieser beiden Voraussetzungen ist hier erfüllt. Die Widersprüche der Klägerin gegen die Prüfungsentscheidungen vom 27. Juli 2004 und 27. Januar 2005 sind durch den Beklagten nicht positiv beschieden auch nicht mehr zu sachlich bescheiden. Die mit dem durch die Klägerin am 1. April 2005 erfolgreich erbrachten Leistungsnachweis - wie oben ausgeführt - eingetretene Erledigung der Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit der beiden Prüfungsentscheidungen zieht nämlich die Unzulässigkeit der gegen sie erhobenen Widersprüche nach sich und hat zur Folge, dass die Widerspruchsverfahren einzustellen sind.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989, a. a. O. (229).

Da eine Einstellungsentscheidung aber keine solche im Sinne des § 80 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW darstellt, bleibt für eine Kosten(last)entscheidung,

vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. April 1996 Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1997, 272 (273 f.).

und damit auch für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 2 VwVfG NRW rechtlich kein Raum. Dass es damit den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen und auch sonst an einer mit § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO vergleichbaren Regelung fehlt, die die Behörde nach Erledigung eines Widerspruchsverfahrens verpflichtet und berechtigt, eine Kostenlastentscheidung zu treffen, stellt keine im Wege er analogen Anwendung des § 80 VwVfG NRW zu schließende Regelungslücke dar. Hierfür mangelt es an einem allgemein verbindlichen Rechtsgrundsatz, der einem obsiegenden Widerspruchsführer stets einen Anspruch auf Kostenerstattung zubilligt.

Vgl. dazu: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 3. Dezember 1986, 1 BvR 872/82, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1987, 2569 (2570); BVerwG, Urteil vom 18. April 1996, a. a. O. (273) und Urteil vom 20. Mai 1987, a. a. O. (275 f.); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 26. April 1991, 3 A 2504/89, Nordrhein- Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl) 1992, 69; Stelkens / Kallerhoff in Stelkens, a. a. O., Rn. 8; im Ergebnis a. A.: Kopp / Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Auflage 2005, zu § 80 Rn. 19.

Schon aus den vorgenannten Gründen und ungeachtet sonstiger Bedenken gegen die Zulässigkeit eines solchen Klagebegehrens,

vgl. dazu die Parallelverfahren betreffenden Urteile der Kammer vom heutigen Tag in den Verfahren 15 K 5272/05 und 15 K 5273/05,

war es mithin nicht sachdienlich, als weiter hilfsweise zu verfolgendes Klagebegehren die Stellung eines Klageantrages anzuregen, der auf Erlass von Widerspruchsbescheiden durch den Beklagten gerichtet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 161 Abs. 2 S. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt haben, waren die Kosten des Verfahrens aus Gründen der Billigkeit dem Beklagten aufzuerlegen, weil er diesem Teil des Klagebegehrens - und damit im Umfang von 3/100 des ursprünglichen Streitgegenstandes - jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis entsprochen hat. Für die Entscheidung, bezüglich dieses Teils des Rechtsstreits die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwenig zu erklären, ist allerdings kein Raum, weil einem Klagebegehren, das - gleich auf welchem Weg - auf die Erstattung solcher Kosten gerichtet ist, kein Vorverfahren im Sinne der §§ 68 ff. VwGO vorausgeht.

Vgl. hierzu Stelkens / Kallerhoff in Stelkens, a. a. O. Rn., 26 ff.

Hinsichtlich der streitigen Entscheidung über den verbliebenen Teil des Klagebegehrens waren der Klägerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Schon die zu ihren Lasten zu treffende Kostenentscheidung lässt keinen Raum dafür, die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO für notwendig zu erklären. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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