AG Köln, Urteil vom 05.04.2006 - 119 C 213/05
Fundstelle
openJur 2011, 42347
  • Rkr:
Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klä-ger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger buchten zum Preis von jeweils 1.435 Euro in einem Kölner Reisebüro eine Hochzeitsreise nach Las Vegas. Dabei schlossen sie mit der Beklagten einen Reiseversicherungsvertrag.

Der Hinflug fand am 22.02.2005 von Frankfurt am Main über Denver nach Las Vegas statt.

Der Rückflug sollte am 02.03.2005 erneut von Las Vegas über Denver nach Frankfurt am Main erfolgen.

Auf der Rückreise verpassten die Kläger auf dem Flughafen Denver ihren Anschlussflug nach Deutschland.

Nach Verpassen des Fluges rief zunächst die Klägerin zu 1.) die Notrufnummer der Versicherung an und fragte, ob die Versicherung den Klägern die Rückreise finanzieren würde. Unter Hinweis auf das Nichtvorliegen eines den Versicherungsschutz auslösenden Ereignisses verneinte der Mitarbeiter der Versicherungsnotrufzentrale, der Zeuge N. T., dies.

Kurze Zeit später rief der Kläger zu 2.) bei der Notrufzentrale an. Er gab an, dass die Kläger den Anschlussflug aufgrund einer plötzlichen und starken Durchfallerkrankung der Klägerin zu 1.) verpasst hätten. Der Zeuge T. unterrichtete ihn sodann darüber, dass zum Nachweis eines Anspruchs gegen die Versicherung die Einholung eines medizinischen Attests notwendig sei.

Die Kläger suchten ein Krankenhaus auf, wo ein auf die Klägerin zu 1. lautendes Attest mit der Diagnose "diarrhea Resolved" ausgestellt wurde. Außerdem wurde der Klägerin zu 1.) das Medikament "Immodium" mit der Einnahmeempfehlung "as needed" verschrieben. Zwischen den ersten beiden Anrufen und der Rückreise erfolgten weitere Telefonate zwischen dem Kläger zu 2.) und Mitarbeitern der Notrufzentrale; auch wurde das Attest an die Notrufzentrale gefaxt.

Die Nacht verbrachten die Kläger ihn einem Hotel in Flughafennähe. Am nächsten Tag flogen sie mit zwei jeweils 2.536,10 $ teuren Tickets zurück nach Frankfurt.

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Bezahlung der jeweiligen Tickets; die Klägerin zu 1.) begehrt zudem die Kosten der Hotelübernachtung in Höhe von 91,07 Euro.

Die Kläger behaupten, dass sie den Flug wegen einer plötzlich aufgetretenen schweren Erkrankung der Klägerin zu 1. verpassten. Die Klägerin zu 1.) habe dies in ihrem Telefonat auch geäußert.

Nachdem in dem Rechtsstreit der Klägerin zu 1.) (Az. 119 C 213/05) Beweis durch die Vernehmung ihres Ehemannes (des späteren Klägers zu 2) erhoben wurde, hat auch der Kläger zu 2.) Klage erhoben (Az. 119 C 519/05); die Klagen sind unter Führung des Verfahrens 119 C 213/05 nach § 147 ZPO verbunden worden.

Die Klägerin zu 1.) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.032,04 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2005 zu zahlen.

Der Kläger zu 2.) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.115,53 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin zu 1.) bei ihrem Aufruf angab, den Anschlussflug aufgrund des nicht beachteten Zeitzonenunterschieds zwischen Las Vegas und Denver verpasst zu haben. Von einer Erkrankung habe die Klägerin zu 1.) bei ihrem Anruf nichts gesagt, erst in den Telefonaten mit dem Kläger zu 2.) sei eine Erkrankung als Grund für das Verpassen des Fluges angegeben worden.

Das Gericht hat in dem Rechtsstreit 119 C 213/05 gemäß dem Beweisbeschluss vom 29.08.2005 durch die Vernehmung des Ehemannes der Klägerin zu 1.) (des späteren Klägers zu 2.)) Beweis erhoben. Der beauftragte Richter hat gemäß dem Beweisbeschluss vom 29.08.2005 die Zeugen T. und N. vernommen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens und des Inhalts der Beweisaufnahmen wird auf die Akte und die Protokolle des AG Köln vom 31.10.2005 und des AG München vom 22.12.2005 verwiesen.

Auf eine erneute Vernehmung der Zeugen T. und N. haben die Parteien verzichtet.

Gründe

Die Klagen sind unbegründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte aus dem mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag keinen Anspruch auf Erstattung der für die neuen Flugtickets und die Hotelübernachtung in Denver aufgewendeten Kosten, §§ 1, 49 VVG iVm § 5 Reise-Notruf-Versicherungsvertrag.

Die Voraussetzungen für eine Einstandspflicht der Beklagten nach § 5 des Reise- Notruf-Versicherungsvertrags, nämlich eine unerwartete schwere Erkrankung des Versicherungsnehmers oder einer mitreisenden Person, haben die Kläger nicht bewiesen.

Die vorgelegten Beweismittel führen nicht zu der Überzeugung, dass die Klägerin zu 1.) auf dem Flughafen Denver eine unerwartete schwere Erkrankung erlitt, die einer Fortführung der Reise im Wege stand.

Die Kläger legen ein Attest vor, das etwa vier Stunden nach dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome ausgestellt wurde. Eine akute ‚Erkrankung lag zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr vor, das Attest diagnostiziert lediglich eine "diarrhea resolved", was eher eine "behobene" denn eine "abklingende" ("resolving") Durchfallerkrankung beschreibt. Der behandelnde Arzt bescheinigt zu diesem Zeitpunkt bereits wieder die Flugfähigkeit der Klägerin zu 1.) ("patient ok to fly"). Eine Diagnose hinsichtlich der Ursache für ein von den Klägern behauptetes mehrfaches Erb rechen der Klägerin zu 1.) auf der Flughafentoilette fehlt gänzlich. Gegen eine schwer Erkrankung spricht nicht nur die zurückhaltende Diagnose, sondern auch die kaum aussagekräftige Therapieanweisung, einer Einnahme des Medikaments "Immodium" in der Dosierung "as needed". Einen solche in das Belieben des Patienten gestellte Medikation ist bei schweren Erkrankungen unüblich.

Die vor der Verfahrensverbindung erfolgte Vernehmung des Klägers zu 2.) als Zeuge bleibt trotzt der durch die Verbindung eingetretenen Änderung der Prozessstellung verwertbar (Zöller/Greger, ZPO, 24.Auflage § 373 Rn 6 a).

Dessen Aussage stützt zwar den klägerischen Vortrag, hinsichtlich der Glaubhaftigkeit bestehen indes durchgreifende Bedenken.

Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Klägers zu 2.) und der klägerischen Vortrag werden zusätzlich durch die Aussagen der von der Beklagten benannten Zeugen erschüttert.

Bei der Würdigung der Zeugenaussage des Klägers zu 2.) ist dessen erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits zu berücksichtigen.

Gegen das Vorliegen der behaupteten schweren Erkrankung der Klägerin zu 1.) spricht bereits der Umstand, dass sie den ersten Anruf persönlich tätigte, obwohl der gesunde Kläger zu 2.) neben ihr stand. Dies ist umso unverständlicher, als sich die Klägerin zu 1.) geniert haben will, ihre angeblichen persönlich tätigte, obwohl der gesunde Kläger zu. 2.) neben ihr stand. Dies ist umso umständlicher, als sich die Klägerin zu 1.) geniert haben will, ihre angeblichen gesundheitlich Probleme gegenüber der Notrufzentrale der Versicherung zu benennen. Es hätte in dieser Situation viel näher gelegen, den gesunden und sich nicht so genierenden Kläger zu 2.) telefonieren zu lassen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass es ungewöhnlich für eine gerade genesende Person in der Situation der Klägerin zu 1. wäre, eine Zeitumstellung überhaupt zu erwähnen, wenn das Verpassen des Flugzeuges auf eine Erkrankung zurückzuführen wäre.

Schließlich spricht gegen die Darstellung der Kläger, dass sie für das angeblich in eine Apotheke erstandene Medikament keine Quittung vorlegen können.

Die Aussage des Klägers zu 2.) und der klägerische Vortrag werden zusätzlich durch die nachvollziehbaren Aussagen der Zeugen T. und N. erschüttert.

Insbesondere die Aussage des Klägers zu 2.) wonach die Klägerin zu 1.) bei ihrem Anruf das Verpassen des Fluges auf ihre plötzliche Erkrankung zurückgeführt habe, überzeugt nicht. Nach Aussage des Zeugen T. hat die Klägerin eine Erkrankung in dem Telefonat überhaupt nicht erwähnt, sondern gab an, den Flug wegen Außerachtlassung der Zeitverschiebung verpasst zu haben. Er habe dir gesagt, dass ein Versicherungsfall nur vorläge, wenn sie etwa plötzlich erkrankt wäre. Diese Aussage wird durch die vorgelegten Telefonnotizen gestützt und findet ihre Entsprechung in den angelegten Aktenvorgängen. Der Zeuge T. legte aufgrund des Anrufs der Klägerin zu 1.) einen Aktenvorgang mit Aktenzeichen an und Schloss diesen sodann wieder, da er in dem Verpassen des Fluges wegen nicht beachteter Zeitverschiebung keinen Versicherungsfall erkannte. Nach dem mit dem Kläger zu 2.) geführten Telefonat legte er einen neuen Vorgang mit einem weiteren Aktenzeichen an. Die hierfür gegebene Erklärung, dass die Klägerin zu 1.) eine Erkrankung bei dem Erstanruf überhaupt nicht erwähnt und dies erst im Rahmen des zweiten Telefonats erfolgte, ist einleuchtend.

Die fehlerhafte Erinnerung des Zeugen T. über Randbereiche des Geschehens, wie der Benutzung eines Mietwagens durch die Kläger und ein nicht erfolgtes Einchecken, beeinträchtigen die Glaubhaftigkeit der Aussage nicht, zumal der Zeuge bezüglich des Mietwagens eine vorsichtige Formulierung wählte ("...habe es so verstanden, dass...") und es sich dabei aus seiner Sicht um nicht relevante Informationen handelte.

Auch unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen N. überzeugt die Aussage des Klägers zu 2.) nicht. Der Zeuge N., der die Sachbearbeitung von dem Zeugen T. übernahm, schilderte, dass die Klägerin zu 1.) zunächst nur die Zeitverschiebung für das Verpassen des Fluges angab. Dies ist nicht verständlich, wenn sie tatsächlich in ihrem Telefonat das Verpassen bereits auf eine Erkrankung zurückgeführt hätte. Umstände, die die Aussagen der Zeugen T. und N. unglaubhaft erscheinen lassen, etwa ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, sind im Unterschied zum Kläger zu 2.) nicht erkennbar.

Schließlich ist klarzustellen, dass ein Anspruch aus einem Anerkenntnis nach § 780 BGB schon mangels Schriftform nicht besteht, ein deklaratorisches Anerkenntnis anlässlich eines der geführten Telefonate ist nicht erkennbar, es wäre unüblich und wurde überdies von den Klägern nicht substantiiert dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und Satz 2, 709 Satz 2 ZPO.

Streitwert: 4.147,57 Euro.