VG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2005 - 6 K 7119/04
Fundstelle
openJur 2011, 40376
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist niederländischer Staatsbürger. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2002 beantragte er die Zuerkennung des Rechts, von seiner am 18. Juni 1990 erteilten niederländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.

Wegen einer Trunkenheitsfahrt am 6. April 1998 mit 2,11 Promille wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts T vom 7. Juli 1998 (00 Cs 00 Js 0000/00 000 a /00) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen sowie eine Sperre für die Wiedererteilung für die Dauer von 9 Monaten ausgesprochen. Durch Urteil des Amtsgerichts T1 vom 6. April 2001 (0 Ds 000 Js 000/00 (00/00)) wurde er wegen einer Fahrt am 6. November 2000 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,61 Promille wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässigem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20 DM verurteilt. Außerdem wurde für die Wiedererteilung des Führerscheins eine Sperrfrist von 18 Monaten festgelegt.

Mit Schreiben vom 30. Januar 2003 forderte der Beklagte den Kläger auf, ein medizinisch- psychologisches Gutachten bis zum 5. Mai 2003 zu der Frage vorzulegen, ob zu erwarten sei, dass der Kläger auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges in Aussicht stellen. Außerdem wies er ihn darauf hin, dass für den Fall der Nichtvorlage des Gutachtens nach § 11 Abs. 8 FeV die Nichteignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges als erwiesen angesehen werden müsse.

Das medizinischpsychologische Institut U teilte mit Schreiben vom 26. Mai 2003 zurück, dass die Untersuchung nicht zustande gekommen sei, weil der Kläger die Untersuchungsgebühr nicht gezahlt habe.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2003 versagte der Beklagte dem Kläger die Zuerkennung des Rechts, von der niederländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger am 6. April 1998 und am 6. November 2000 jeweils unter Einfluss von Alkohol ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr geführt habe. Ein Gutachten habe er nicht vorgelegt, so dass er zum jetzigen Zeitpunkt als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sei.

Dagegen legte der Kläger am 4. August 2003 Widerspruch ein. Diesen begründete er mit Schreiben vom 19. Juli 2004 dahin, dass die Anordnung der Einholung eines medizinischpsychologischen Gutachtens der Führerscheinrichtlinie und Artikel 21 der Europäischen Grundrechtscharta wiederspreche.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E vom 11. Oktober 2004 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 12. November 2004 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt er an, dass die Anordnung der Begutachtung gegen europäisches Recht verstoße. Das folge aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2004 und auch einer Entscheidung des OVG Koblenz vom 15. August 2005.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten dem Kläger das Recht nach § 4 Abs. 4 der Verordnung über den internationalen Kraftverkehr zu erteilen, von seiner niederländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das Verfahren der Staatsanwaltschaft W (00 Js 0000/00a) und das Verfahren der Staatsanwaltschaft I (000 Js 000/00) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Rechts, von seiner niederländischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, § 113 Abs.5 VwGO.

Zwar hat der Beklagte seine Entscheidung auf § 28 FeV gestützt, welcher hier nicht anwendbar ist, da der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland hat. Aber der Kläger hat auch nach den Regelungen der Verordnung über den internationalen Kraftverkehr keinen Anspruch auf die begehrte Entscheidung.

Nach § 4 Abs.1 Satz 1 der Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntKfZ) dürfen Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis im Umfang ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen, wenn sie hier keinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 der Fahrerlaubnisverordnung haben. Die Berechtigung nach Absatz 1 gilt nicht für Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht entzogen worden ist, § 4 Abs. 3 Nr. 3 IntKfZV.

Dem Kläger war zuletzt durch Urteil des Amtsgerichts T1 vom 6. April 2001 (0 Ds 000 Js 000/00 (00/00)) die Fahrerlaubnis entzogen worden. Das hat nach § 3 Satz 2 StVG die Wirkung der Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Das Recht, von einer Fahrerlaubnis nach einer in Absatz 3 Nr. 3 und 4 genannten Entscheidung im Inland Gebrauch zu machen, wird auf Antrag erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen, § 4 Abs. 4 IntKfzV.

Europäisches Gemeinschaftsrecht steht der Anwendung des § 4 Abs. 4 IntKfZV nicht entgegen.

Der vom europäischen Gerichtshof

Urteil vom 29. April 2004 - C-476/01 (Frank Kapper), NZV 2004, 372ff,

entschiedene Fall behandelte eine grundlegend andere Fallkonstellation, nämlich dass nach der Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis und Ablauf der Sperrfrist eine Fahrerlaubnis in einem anderen europäischen Land erworben wird. Vor diesem Hintergrund ist auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des OVG Koblenz vom 15. August 2005

vgl. Beschluss vom 15. August 2005 - 7 B 11021/05 -, NZV 2005, 605,

nicht einschlägig, weil sie ebenfalls einen anderen Fall betrifft.

Art 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (91/439/EWG) - Führerscheinrichtlinie - hat den Zweck, es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, in ihrem Hoheitsgebiet ihre nationalen Vorschriften über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden,

vgl. europäischen Gerichtshof Urteil vom 29. April 2004 - C-476/01 (Frank Kapper), NZV 2004, 372ff,

In diesem Rahmen hält sich die Anordnung einer medizinisch - psychologischen Untersuchung nach § 13 Nr. 2 c) FeV.

Ein Verstoß gegen höherrangiges europäisches Recht ist im vorliegenden Fall weder substantiiert dargelegt noch erkennbar. Die angeführte Charta der Grundrechte der Europäischen Union, proklamiert in Nizza am 07. Dezember 2000 (2000/C 364/01), ist bisher noch nicht als verbindliches Recht umgesetzt worden.

Vor diesem Hintergrund ist nach nationalem deutschen Recht auf Antrag das Recht, von einer ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, zu erteilen, wenn die Gründe für die Entziehung nicht mehr bestehen.

Nach § 20 Abs.1 FeV gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften für die Ersterteilung.

Nach § 13 Nr. 2 c) FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde anzuordnen, dass ein medizinisch- psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille geführt wurde.

Hier hat der Kläger am 6. April 1998 ein Kraftfahrzeug mit 2,11 Promille und am 6. November 2000 ein Kraftfahrzeug mit 1,61 Promille geführt. Beide Alkoholfahrten liegen zwar schon einige Zeit zurück, sind aber noch verwertbar. § 13 Nr. 2 FeV enthält zwar keine Frist für die Verwertung von Taten. Aus dem allgemeinen Rückgriff auf die Tilgungsfristen des § 29 StVG folgt aber eine volle Verwertbarkeit der Fahrten unter Alkoholeinfluss. Demnach musste der Beklagte die Beibringung eines medizinisch - psychologischen Gutachtens nach § 13 Nr. 2 c) FeV zwingend anordnen. Diese Entscheidung steht nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht im Ermessen des Beklagten,

vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. September 2001 - 10 S 182/01 -, NZV 2002, 149; Bayerischer VGH, Urteil vom 7. Juli 1999 - 11 B 99.2527 -.

Der Verordnungsgeber hat darüber hinaus klargestellt, dass die Klärung von Eignungszweifeln, die auf einer bekannt gewordenen Alkoholproblematik beruhen, in den Fällen des § 13 Nr. 2 FeV ausschließlich durch eine medizinisch- psychologisches Gutachten zu erfolgen hat,

vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. September 2001, s.o.

Auch das europäische Recht nimmt die Gefahren des Fahrens unter Alkoholeinfluss in den Blick. Art. 7 Abs. 1 a) der Richtlinie 91/439/EWG i.V.m. Anhang III Nr. 14.1. bestimmt, dass Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig sind oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen können, eine Fahrerlaubnis weder erteilt noch erneuert werden darf. Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig waren, kann nach einen nachgewiesenem Zeitraum der Abstinenz vorbehaltlich des Gutachtens einer zuständigen ärztlichen Stelle und einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle eine Fahrerlaubnis erteilt oder erneuert werden. Das zeigt, dass auch das europäische Recht ärztliche Gutachten oder Kontrollen vorsieht.

Daraus folgt, dass sowohl das deutsche als auch das europäische Recht die Gefahren des Fahrens unter Alkoholeinfluss in den Blick nehmen. Im Anhang III Nr. 14 zu Art 7 Abs. 1 a) der Richtlinie 91/439/EWG wird ausgeführt: „Alkoholgenuss ist eine große Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr. Da es sich um ein schwerwiegendes Problem handelt, ist auf medizinischer Ebene große Wachsamkeit geboten."

Ob der Kläger in den Niederlanden aufgrund seiner Alkoholproblematik im Hinblick auf seine Fahreignung ärztlich untersucht worden ist, ist nicht bekannt. Jedenfalls kann aber die Nichteinhaltung der bestehenden europäischen Regelungen durch andere Vertragsstaaten im Ergebnis nicht dazu führen, dass Verkehrsteilnehmer im Inland gefährdet werden.

Da der Kläger das zu Recht angeforderte Gutachten nicht beigebracht hat, durfte der Beklagte nach § 11 Abs.8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges schließen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.