LG Bonn, Beschluss vom 24.01.2005 - 6 T 188/05 + 6 T 20/06
Fundstelle
openJur 2011, 35485
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 C 178/05

1.

Ein Vollstreckungsbescheid ist nicht deshalb nichtig, weil der vorangegangene Mahnbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist.

2.

Die Feststellung der Nichtigkeit des Vollstreckungsbescheides ist mit der sofortigen Beschwerde gem. § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO anfechtbar.

Tenor

Die sofortige Beschwerde vom 18.05.2005 gegen den Beschluss vom 03.05.2005 wird kostenpflichtig verworfen.

Auf die sofortige Beschwerde vom 31.05.2005 wird der Beschluss vom 23.05.2005 aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung über den Einspruch der Beklagten gegen den vorbezeichneten Vollstreckungsbescheid zurückverwiesen.

Die Kosten des Verfahrens auf die Beschwerde vom 31.05.2005 trägt die Beklagte, jedoch werden etwa entstandene Gerichtskosten niedergeschlagen.

Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich beider sofortigen Beschwerden nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht ausweislich des Aktenausdrucks des Mahngerichts Ansprüche aus Dienstleistungsvertrag in Höhe von insgesamt 2.393,- € geltend.

Im Mahnverfahren sind Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid ergangen, die jeweils unter der Anschrift B-Allee in C an die Beklagte zugestellt worden sind. Die Parteien streiten darum, ob diese Zustellungen wirksam sind, oder nicht, wobei im Vordergrund die Frage steht, ob die Beklagte, die geltend macht, schon 2003 ihre Geschäftsräume dort aufgegeben und zur Zeit der Zustellungen schon in die I-Straße verlegt gehabt zu haben, etwa einen Rechtsschein dafür gesetzt hat, dass ihr unter der alten Anschrift noch Schriftstücke zugestellt werden konnten, weil sie dort noch einen Briefkasten unterhalten habe.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte habe ihren Geschäftssitz schon zur Zeit der Zustellung des Mahnbescheides nach außen erkennbar in der B-Allee aufgegeben gehabt, ein Rechtsschein der Beibehaltung des Geschäftssitzes könne durch ein Firmenschild nicht gesetzt werden. Deshalb hat es festgestellt, dass der Vollstreckungsbescheid mangels wirksamer Zustellung des Mahnbescheides nichtig sei und somit kein rechtshängiger Rechtsstreit anhängig gemacht worden sei.

Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 18.05.2005 gegen den Beschluss vom 03.05.2005 macht der Kläger geltend, dass der Vollstreckungsbescheid am 16.03.2005 wirksam zugestellt worden sei, weshalb er wegen Verfristung des Einspruchs rechtskräftig sei.

Mit der sofortigen Beschwerde vom 31.05.2005 gegen den Beschluss vom 23.05.2005 macht er geltend, der Mahnbescheid sei wirksam zugestellt, und macht Ausführungen zum Rechtsschein.

Die Beklagte tritt der letzteren sofortigen Beschwerde entgegen und meint, ihre Sitzverlegung sei nachgewiesen, schon der Mahnbescheid sei nicht wirksam zugestellt, weshalb der Vollstreckungsbescheid nichtig sei.

II.

Nachdem der Einzelrichter durch Beschluss vom 08.07.2005 das Beschwerdeverfahren auf die Kammer zur Entscheidung übertragen hat, ist nunmehr diese für die Entscheidung zuständig.

A.

Die sofortige Beschwerde vom 18.05.2005 gegen den Beschluss vom 03.05.2005 ist, wie sich aus §§ 700 Abs. 1, 719 Abs.1, 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergibt, nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen. Die Kostenfolge ergibt sich insoweit aus § 97 ZPO.

B.

Die sofortige Beschwerde vom 31.05.2005 gegen den Beschluss vom 23.05.2005 ist gemäß § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO an sich statthaft, sie ist auch sonst zulässig und begründet.

Die angefochtene Entscheidung vom 23.05.2005 lehnt in der Sache die Durchführung des in § 700 Abs. 3 bis 5 ZPO nach Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid vorgesehenen Verfahrens ab, weil wegen Nichtigkeit des Vollstreckungsbescheides ein "rechtshängiger Rechtsstreit nicht anhängig" geworden sei. Zugleich wird durch die Entscheidung der in der sofortigen Beschwerde vom 18.05.2005, die sich darauf beruft, der Einspruch sei verspätet, der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig, liegende Antrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, stillschweigend zurückgewiesen, indem der Vollstreckungsbescheid für nichtig erklärt wird.

Die Entscheidung des Amtsgerichts vom 23.05.2005 kann keinen Bestand haben, sie entbehrt der gesetzlichen Grundlage. Die Feststellung der Nichtigkeit eines Vollstreckungsbescheides wegen fehlerhafter Zustellung des zugrunde liegenden Mahnbescheides ist verfahrensrechtlich nicht vorgesehen.

Der Vollstreckungsbescheid steht gemäß § 700 Abs. 1 ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Das gilt auch dann, wenn er zu Unrecht erlassen worden ist, etwa weil es an der ordnungsgemäßen Zustellung des Mahnbescheids fehlt. Auch gegen einen solchen Vollstreckungsbescheid muss rechtzeitig Einspruch eingelegt werden, damit er nicht rechtskräftig wird (Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. § 700 Rn. 2; BGH NJW 1984, 57f [zitiert nach JURIS]). Kann aber ein unzulässig ergangener Vollstreckungsbescheid -wie etwa ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren, das ergeht, obwohl rechtzeitig Verteidigungsanzeige bei Gericht eingegangen war- formell rechtskräftig werden, weil nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt ist, ergibt sich daraus ohne weiteres, dass er nicht etwa deshalb nichtig oder sonst unwirksam ist, weil der vorangegangene Mahnbescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist.

Die etwa nicht ordnungsgemäße Zustellung des Mahnbescheides mag Folgen für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit und etwa auch für Verjährungsfragen haben, sie ändert aber nichts daran, dass nach §§ 700 Abs. 3 bis 5 ZPO zu verfahren ist.

Für das weitere Verfahren sieht sich die Kammer zu folgenden Hinweisen veranlasst:

Dementsprechend wird das Amtsgericht die Zulässigkeit des Einspruchs zu prüfen haben, die nach Aktenlage auch davon abhängt, ob die Zustellung des Vollstreckungsbescheides am 16.03.2005 ordnungsgemäß war.

Ist der Einspruch nicht als unzulässig zu verwerfen, wird erst am Ende des Erkenntnisverfahrens darüber zu befinden sein, ob der Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten oder aufzuheben ist, wobei es dafür auf die Frage der Ordnungsgemäßheit der Zustellung des Mahnbescheides nicht ankommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, nachdem die Beklagte der sofortigen Beschwerde ausdrücklich entgegengetreten ist. Die etwa entstandenen Gerichtskosten sind jedoch gemäß § 21 GKG niederzuschlagen, weil das Beschwerdeverfahren nur durch die fehlerhafte Verfahrensweise des Amtsgerichts erforderlich geworden ist.

C.

Die Rechtsbeschwerde war hinsichtlich beider sofortigen Beschwerden nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht erfüllt sind; die maßgeblichen Rechtsfragen sind, soweit nicht ohnehin unmittelbar durch Gesetz geregelt, durch den BGH entschieden.