LG Duisburg, Urteil vom 18.11.2004 - 4 O 228/04
Fundstelle
openJur 2011, 34940
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. I-12 U 144/04
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die beklagte Reiseveranstalterin auf Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz für einen während der Reise erlittenen Unfall in Anspruch. Sie, ihr Ehemann und ihr Sohn hatten bei der Beklagten eine Urlaubsreise ins Hotel in Cala Ratjada / Mallorca gebucht und hielten sich in der Zeit vom 10. bis 24.10.2003 dort auf.

Die Klägerin behauptet, sie habe am Abend des 21.10.2003 mit ihrer Familie an einem Tisch im Eingangsbereich der Hotelhalle gesessen. Wegen der Örtlichkeiten sowie wegen ihres genauen Aufenthaltsortes wird auf die Handskizze in Anlage K 21 Bezug genommen (Bl.64 der Akten). Gegen 23.00 sei sie aufgestanden, um auf ihr Zimmer zu gehen. Nach wenigen Schritten sei sie auf dem mit Steinfliesen ausgelegten Fußboden ausgerutscht und zu Fall gekommen. Dabei habe sie sich einen komplizierten Knöchelbruch am rechten Fuß zugezogen.

Der Sturz sei darauf zurückzuführen, dass es am Abend des Unfalltages zu regnen begonnen habe und von außen eintretende Gäste an ihren Schuhen und Kleidern haftende Nässe in die Hotelhalle getragen hätten. Dadurch sei der Fußboden glatt gewesen. Außerdem sei Wasser durch die offenstehende Eingangstür in die Hotelhalle gelaufen sowie entlang der Längsreihe der Tische. Dort sei der Raum nur durch eine provisorische Wand, ein Rollo ohne feste Verbindung zum Fußboden, vom Außenbereich abgetrennt gewesen. Der Wassereintritt sei dadurch begünstigt worden, dass das Gelände zum Gebäude hin abfalle.

Die Beklagte habe nichts unternommen, um die Sturzgefahr infolge des nassen Fußbodens zu beseitigen, oder auch nur darauf hinzuweisen. Bereits drei bis vier Tage vor dem Unfall hätten andere Gäste beobachtet, dass Regenwasser in die Eingangshalle geflossen sei. Am Tag nach dem Unfall seien wiederum Gäste auf dem regennassen Fußboden der Halle ausgerutscht.

Für sie, die Klägerin, sei nicht zu erkennen gewesen, dass auch noch in unmittelbarer Tischnähe der Fußboden nass und glatt gewesen sei.

Sie beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie

a) ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 3.500 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 26.01.2004 zu zahlen,

b) für verletzungsbedingt eingetretene Beeinträchtigugn einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung für die Zeit vom 21.10.2003 bis vorläufig zum 16.08.2004 einen Betrag in Höhe von 4.707,-- € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

c) als Ersatz für den Eigenanteil der Behandlungskosten am Unfallort sowie für den Eigenanteil je Tag des stationären Krankenhausaufenthaltes am Heimatort insgesamt 158 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 26.01.2004 zu zahlen,

d) für den eingetretenen Lohnausfallschaden einen Betrag in Höhe von 266,76 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

e) für verauslagte Arztberichtskosten einen Betrag in Höhe von 50 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21.10.2003 zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Unfallhergang und die Unfallfolgen einschließlich der Schadenshöhe mit Nichtwissen. Sie behauptet, dass ein Eintritt von Regenwasser durch die Eingangstür und die Rollo-Wand technisch gar nicht möglich sei, weil das Gelände nicht zum Gebäude hin sondern vom Gebäude weg abfalle. Das Rollo verlaufe auf seitlichen Schienen, so dass es nicht verrutschen könne. Eine Kunststoffüberlappung im Bodenbereich verhindere, dass Nässe in den Innenraum fließen könne.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Schadensersatzansprüche aus dem Unfallgeschehen vom 21.10.2003 zu.

1. Es besteht zunächst kein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus § 651 f Abs. 1 BGB, denn es feht an dem für den bezeichneten Schadensersatzanspruch erforderlichen Reisemangel im Sinne des § 651 c Abs. 1 BGB. Ein Fehler der Reise im Sinne der genannten Vorschrift liegt dann vor, wenn eine nach dem Vertrag geschuldete Leistung nicht oder nicht in der gebotenen Art und Weise erbracht wird und dies aus dem Verantwortungsbereich des Veranstalters stammt (Palandt-Sprau, 62. Auflage § 651c Rn. 2, m.w.N.). Damit werden grundsätzlich alle nicht in der Person des Reisenden liegenden Umstände, die die Gesamtreise oder Einzelleistungen stören, von § 651 c BGB erfasst. Ein Reisemangel kann auch darin liegen, dass von der Einrichtung des von dem Reiseveranstalter ausgewählten Hotels eine Gefahr für die Sicherheit des Reisenden ausgeht, mit der dieser nach dem Vertrag nicht zu rechnen braucht (OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 315; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.9.2001, 16 U 195/00, zit. nach Juris). Die Anforderungen dürfen jedoch nicht überspannt werden. Keinen Reisemangel stellen Unfälle dar, die nicht reisespezifisch sind, mit deren Auftreten auch im privaten Alltag gerechnet werden muss, beispielsweise: Stürze im Schwimmbadbereich (OLG Frankfurt , 19.9.2001, 16 U 195/00) Stürze auf nach Reinigungsarbeiten feuchten Treppen (OLG Frankfurt 14.12.000, 16 U 55 / 00, Stürze auf regennassen Fliesen im Außenbereich (OLG Frankfurt 24.10.02 16 U 52/02).

Nach diesen Grundsätzen ist der Unfall vom 21.10.2003, auch wenn man den Vortrag der Klägerin zugrundelegt, ihrem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen und stellt keinen Reisemangel dar. Bei einem Sturz im Eingangsbereich einer Hotelhalle, wo der Fußboden nach Regenfällen nass und glitschig ist, stellen sich die Gefahren für den Reisenden nicht anders dar, als wenn er sich in seiner Heimat nach einem Regenfall im Eingangsbereich eines öffentlichen Gebäudes aufhält. Auch hier wird erwartet, dass sich das Publikum in vernünftiger Weise auf erkennbare Gefahren einstellt (OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 671 f, OlG Koblenz NJW-RR 1996, 670).

Entgegen ihrer Ansicht musste die Klägerin damit rechnen, dass der Fußboden in der Nähe ihres Platzes nass war. Sie räumt selbst ein, dass sie bemerkt hatte, dass es draußen zu regnen begonnen hatte. Ausweislich der von ihr gefertigten Handskizze saß sie an dem Tisch, der der Eingangstür am nächsten lag. Wer von draußen hereinkam und zum Tresen, zur Toilette oder zum Restaurantbereich wollte, musste in unmittelbarer Nähe ihres Sitzplatzes vorbeigehen. Es lag daher nicht fern, dass von draußen eintretende Gäste die Nässe auch noch bis in die Nähe des Sitzplatzes der Klägerin trugen.

Auch wenn man unterstellt, dass die Wasserlache oder Pfütze, auf der die Klägerin ausgerutscht ist, nicht von von draußen hereinkommenden Personen stammt, sondern dass Wasser durch die offenstehende Eingangstür und unter der provisorischen Wand hindurch in die Eingangshalle geflossen ist, ergibt sich nichts anderes. In diesem Fall müsste ja - wenn man wieder die Handskizze der Klägerin auf Bl. 64 d.A. zugrunde legt - die gesamte Sitzgruppe, in der sie mit ihren Begleitern saß, in einer Wasserlache gestanden haben, was ihr nicht verborgen geblieben sein kann.

Unerheblich ist auch, ob und in welcher Weise die Rollo - Wand zum Boden hin abgedichtet war und ob dies den geltenden Bauvorschriften entsprach. Zwar ist anerkannt, dass ein Reiseveranstalter, der ein Hotel unter Vertrag nimmt, sich zuvor vergewissern muss, das es nicht nur den gewünschten und angebotenen Komfort sonder auch ausreichenden Sicherheitsstandard bietet. Insbesondere hat er für die regelmäßige Kontrolle der unter Vertrag genommenen Unterkünfte sachkundige Personen einzusetzen, und zwar zur Feststellung von Sicherheitsrisiken, die sich bei genauerem Hinsehen jedermann offenbaren (BGHZ 103, 298, 304). Die maßgebliche Beurteilung des Inhalts von Sicherheitspflichten, die im Zusammenhang mit der Beschaffenheit einer Hotelunterkunft besteht, muss darauf ausgerichtet sein, ob über einen reinen Funktionsmangel hinaus unter Berücksichtungung des Erfordernisses einer zumutbaren Erkennbarkeit ein naheliegendes Sicherheitsrisiko für den Hotelgast anzunehmen ist und ob zur Abwendung dieses Risikos Schutzmaßnahmen geboten sind (LG Frankfurt, Beschl. v. 1.12.1994, Az.: 2 - 21 O 307/94, zit. nach Juris).

Hier hieße es, die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters zu überspannen, wollte man von ihm verlangen, dass er etwaige Mängel in der Abdichtung der Rollowand zum Boden hin als Sicherheitsrisiko für den Hotelgast erkennt und beseitigt. Starke und langanhaltende Regenfälle sind auf der wegen ihres sonnigen Wetters bei den Feriengästen beliebten Insel Mallorca eher selten, so dass es sich jedenfalls unter Sicherheitsaspekten nicht aufdrängte, die Dichtigkeit einer ohnehin nur provisorischen Wand besonders zu überprüfen.

Schließlich kann auch aus dem von der Klägerin behaupteten Umstand, dass drei bis vier Tage vor dem Unfall schon einmal Regenwasser in die Eingangshalle gelaufen sein soll, geschlossen werden, dass die Beklagte ihre reisevertraglichen Sicherheitspflichten verletzt hat. Die Klägerin behauptet nicht, dass dieser Vorfall der Beklagten gemeldet worden wäre oder sie auf andere Weise davon Kenntis gehabt hätte.

Im Rahmen der von der Reiseleitung vor Ort in regelmäßigen Abständen durchzuführenden Überprüfung des Vertragshotels wäre diese Schwachstelle auch nicht notwendigerweise entdeckt worden, da die Reiseleitung dann schon an einem Tag mit ähnlich starken Regenfällen vor Ort hätte sein müssen.

2. Die Klägerin kann den Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht verlangen. Zwar trifft den Reiseberanstalter eine Verkehrssicherungspflicht bei Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen, die sich auch auf die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger erstreckt. (BGHZ 103, 298, 304, OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 315). Für die deliktsrechtliche Haftung des Reiseveranstalters wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflichten ist aber maßgeblich, welche vertraglichen Verpflichtungen er gegenüber dem Reisenden hat. Da die Beklagte aus den dargestellten Gründen aus dem Reisevertrag nicht verpflichtet war, Schutzmaßnahmen gegen die aufgrund eindringenden Regenwassers entstehende Glätte zu treffen, haftet sie auch nicht aus Deliktsrecht.

Soweit die Klägerin Rechtsprechung zu der Frage zitiert, welche Pflichten einen Gastwirt in bezug auf Glätte und Nässe in den Gasträumen treffen, verkennt sie, dass der Beklagten als Reiseveranstalterin nicht die Pflichten eines Hoteliers oder Gastwirts obliegen. Sie trifft vielmehr eine Pflicht bei der Auswahl und Überwachung des Leistungsträgers. Diese geht aber nicht so weit, täglich die Reinigungs- und Putzarbeiten in ihren Vertragshotels zu überwachen, um feststellen zu können, ob Fußboden der Eingangshalle bei Regen in ausreichenden Abständen trockengewischt wird. Es ist weder ersichtlich, noch von der Klägerin vorgetragen, ob die Beklagte bei der Auswahl des Leistungsträgers bzw. bei turnusmäßigen Kontrollen Zweifel an der Zuverlässigkeit ihres Leistungsträgers hätte haben müssen.

Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht einmal eine Verkehrssicherheitspflichtverletzung des Hotelbetreibers. Es bleibt unklar, wie lange der Boden im Eingangsbereich schon regennnass war, als die Klägerin dort zu Fall kam. Eine Verkehrssicherungspflicht geht sicherlich nicht dahin, jeden Tropfen aufzuwischen, unmittelbar nachdem er zu Boden gefallen ist.

3. Eine Haftung der Beklagten für ein Verschulden des Hotelbetreibers gemäß § 831 BGB scheidet darüber hinaus auch deswegen aus, weil dieser mangels Weisungsgebundenheit nicht Verrichtungsgehilfe des Reiseveranstalters ist (BGH a.a.O.)

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.