VG Düsseldorf, Beschluss vom 05.03.2004 - 1 L 82/04
Fundstelle
openJur 2011, 28737
  • Rkr:
Tenor

Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Duisburg verwiesen.

Gründe

Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht ist unzulässig, weil es um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten nach § 13 GVG und nicht um öffentlichrechtliche Streitigkeiten nach § 40 Abs. 1 VwGO geht.

Maßgeblich für die Rechtswegfrage ist, ob die streitentscheidende Norm, d.h. jene Norm, auf Grund derer die Beklagte / Antragsgegnerin zur Eröffnung des Girokontos verpflichtet werden soll, dem öffentlichen Recht angehört. Die Antwort ergibt sich mithin nicht schon daraus, dass die Beklagte gemäß § 2 SpKG eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Nicht jede Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist schon allein wegen dieses Status dem öffentlichen Recht zuzuordnen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.01.1994 - 7 B 198.93 -, DVBl. 1994, 762, 763; OVG NRW, Beschluss vom 04.01.1995 - 25 E 1298/94 -.

Die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten sind einheitlich privatrechtlicher Natur, sodass auch der Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos nur dort seine Grundlage finden kann.

Im Ergebnis so auch VG Hannover, Beschluss vom 29.05.2001 - 1 A 1782/01 u.a. -, NJW 2001, 3354 f..

Nach der sog. Sonderrechtstheorie,

der die Kammer im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 25.03.1981 - 7 C 79.79 -, DÖV 1981, 678, 670; GmS-OGB, Beschluss vom 10.07.1989 - GmS-OGB 1/88 -, BGHZ 108, 284, 287; Wolff, AöR 76 (1950/51), 205, 208 ff.; Menger, FS Wolff, 1973, 149, 160, 166; Bachof, FG-BVerwG, 1978, 1, 9, folgt,

gehören zum öffentlichen Recht jene Normen, deren Zuordnungssubjekt zwingend der Staat und seine Untergliederungen sind. Andere Abgrenzungsversuche, etwa nach der „Interessentheorie" oder der sog. „Subordinationstheorie" haben sich als ungeeignet erwiesen. Auch die rechtliche Ordnung der Beziehung von Privatrechtssubjekten liegt im rechtsstaatlichen (öffentlichen) Interesse; mit der Anerkennung öffentlichrechtlicher Regelungen auf Gleichordnungsebene (vgl. etwa §§ 54 ff. VwGO) hat der Gesetzgeber ebenso deutlich gemacht, dass er ein Über- und Unterordnungsverhältnis für das öffentliche Recht gerade nicht voraussetzt. Eine nach diesen Maßstäben zum Verwaltungsgericht führende Norm gibt es nicht. Sie folgt namentlich nicht aus den Vorschriften, die den Abschluss von Giroverträgen mit den Sparkassen regeln.

Für die Sparkassen als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts bestehen bezüglich des Abschlusses von Verträgen zur Errichtung von Girokonten keine hier einschlägigen nur für Hoheitsträger geltende Sondervorschriften. Nach Art. 99 EGBGB bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über die öffentlichen Sparkassen unbeschadet der Vorschriften des § 808 BGB und der Vorschriften des BGB über die Anlegung von Mündelgeldern unberührt. Damit geht der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Geltung des Bürgerlichen Rechts auch für diese Rechtsverhältnisse aus, lediglich deren Modifizierung bleibt dem Landesgesetzgeber in bestimmten Grenzen unbenommen. Deshalb werden Streitigkeiten, die bei der Fortführung und Kündigung von Girokonten bei Sparkassen entstehen auch - soweit ersichtlich einhellig - dem Zivilrecht zugeordnet.

Vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.03.2003 - XI ZR 403/01 -, BGHZ 154, 146 - 154.

Dass das insoweit zivilrechtlich ausgestaltete SpkG eine besondere öffentlich- rechtliche Zulassung über die Einrichtung eines Girokontos gesetzlich aufgestellt hätte, ist nicht ersichtlich. Unterstellt, die Bestimmung des § 5 SpkVO sei öffentlich- rechtlich, so folgte nichts Anderes daraus. Denn diese Vorschrift wäre nicht einschlägig, da Kontrahierungspflichten für die Sparkassen zu Gunsten von politischen Parteien gerade nicht aufgestellt werden.

Entgegen der Ansicht der Beteiligten begründet auch die Heranziehung der Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und des § 5 Abs. 1 PartG im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Girokontos für eine politische Partei nicht die öffentlichrechtliche Zuordnung.

A.A.: OVG Hamburg, Beschluss vom 18.04.2002 - 1 So 35/02 - und Beschluss vom 16.09.2002 - 1 Bs 243/02 -; VG Berlin, Beschluss vom 05.02.2004 - VG 25 A 207.03 - (noch nicht rechtskräftig)

Die Grundrechte und ihnen nachgebildete Vorschriften entziehen sich einer Klassifizierung nach der Sonderrechtstheorie. Zwar sprechen sie grundsätzlich den Staat und seine Untergliederungen an (Art. 1 Abs. 3 GG), und Entsprechendes gilt für Art. 21 GG und § 5 PartG. Hinsichtlich der Grundrechte ist aber inzwischen unbestritten, dass sie auch bei privatrechtlicher Betätigung des Staates gelten.

Vgl. nur BGH, Urteil vom 10.12.1958 - V ZR 70/57 -, BGHZ 29, 76, 80; Urteil vom 05.04.1984 - III ZR 12/83 -, BGHZ 91, 84, 96; Urteil vom 11.03.2003 - XI ZR 403/01 -, BGHZ 154, 146 ff..

Sind Grundrechte aber im Privatrecht anwendbar, so kann aus ihrem Eingreifen nicht auf das Vorliegen von öffentlichem Recht geschlossen werden. Entsprechendes gilt für Art. 21 GG und § 5 PartG. Ebenso wie der Bindung der Grundrechte kann der Staat sich auch den insoweit zu Gunsten der Parteien geschaffenen Verfahrensgarantien nicht durch das Ausweichen in privatrechtliche Handlungsformen entziehen. Binden Art. 21 GG und § 5 PartG den Hoheitsträger aber auch im Privatrecht, führt allein ihre Inanspruchnahme zu keiner öffentlich- rechtlichen Streitigkeit.

Bestätigt wird diese Auffassung durch die Ausführungen des BGH zur Kündigung eines Girovertrages durch eine Sparkasse gegenüber einem Landesverband der O.

Vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2003 - XI ZR 403/01 -, BGHZ 154, 146 - 154.

Der BGH stützt sich in seiner Entscheidung auf die unmittelbare Grundrechtsbindung der Sparkasse und kommt trotz Heranziehung des Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG gleichwohl nicht zu einer öffentlich- rechtlichen Streitigkeit.

Schon vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, die Sparkassen vom Anwendungsbereich der von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung näher ausgeformten Normen des Privatrechts insoweit auszunehmen, zumal über in der sachlichen Struktur gleichartige Rechts- und Interessenlage nach einheitlichen Maßstäben und innerhalb desselben Rechtsweges zu entscheiden ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.06.1994 - 7 B 48.94 -, NJW 1994, 2500; OVG NRW, Beschluss vom 04.01.1995, a.a.O..

Andernfalls wären wertungswidersprüchtliche Ergebnisse denkbar. Die im Verwaltungsrechtsweg erstrittene Kontoeröffnung könnte in einem solchen Falle nach durch die Zivilgerichte bestätigter Kündigung des Girokontos erneut verloren gehen. Schon dieses dem u.a. in § 17 Abs. 2 GVG formulierten Rechtsgedanken widersprechende Ergebnis spricht gegen die Heranziehung der von den Beteiligten bemühten sog. Zweistufentheorie, die darüber hinaus aber auch aus grundsätzlichen systematischen Gründen abzulehnen ist. Soweit der Gesetzgeber nicht ausdrücklich eine öffentlichrechtliche Vorstufe zu zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen vorsieht (etwa § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB), wird die Annahme eines zweistufigen Rechtsverhältnisses, wonach über das „ob" durch Verwaltungsakt, über das „wie" durch zivilrechtliches Rechtsgeschäft entschieden wird, nicht aus dem Gesetz entwickelt, sondern von außen herangetragen. Das Fehlen einer normativen Grundlage kann auch nicht durch die - für die ursprünglichen Vertreter der Zweistufentheorie ausschlaggebende - Notwendigkeit überspielt werden, grundrechtliche oder sonstige öffentlichrechtliche Bindungen zu garantieren. Denn diese Bindungen gelten nach jetzigem Rechtsverständnis ohnehin. Hinzu kommt, dass sich eine logische Aufspaltung des Akts, der das Rechtsverhältnis begründet, nach den Kategorien des „ob" und des „wie" häufig - wie auch hier - vom Tatsächlichen her nicht vornehmen lässt. Im Schrifttum wird zutreffend darauf hingewiesen,

Ehlers, in: Schoch / Schmitz-Aßmann / Pietzner, VwGO, Stand Januar 2003, § 40 Rdnr. 257,

dass ein und dieselbe Handlung gegenüber derselben Person nicht gleichzeitig Hoheitsakt und Angebot zum Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages sein kann. Denkbar sei nur, dass sich ein äußerlich einheitliches Handlungsgeschehen in Wirklichkeit aus zwei Rechtshandlungen zusammensetzt, die einerseits dem öffentlichen und anderseits dem privaten Recht angehörten. Dies dürfe aber nicht einfach unterstellt werden. Die gesetzlich nicht abgesicherte Annahme eines dem Privatrechtsverhältnis vorgeschalteten Verwaltungsaktes kann außerdem kompetenzrechtliche Grenzen verwischen und dem Zivilrecht eigene Garantien bei der Eingehung von Verpflichtungen unterlaufen.

Vgl. zur Übereignung von Grundstücken (notarielle Beurkundung): OVG NRW, Beschluss vom 30.06.2000 - 21 E 472/00 -, NWVBl. 2001, 19 ff; VG Düsseldorf, Beschluss vom 03.07.2000 - 1 L 1434/00 -.

Damit ist eine Zweistufigkeit nur dort anzunehmen, wo das Gesetz einen Verwaltungsakt vorsieht oder doch die Behörde nach ihrer Praxis so verfährt. Beides ist nicht der Fall.

Anderes ist auch der - von der Beklagten herangezogenen - Entscheidung des OVG NRW zur Begründung, dass die Zulassung gemeindlicher Säle öffentlich- rechtlich geregelt ist,

OVG NRW, Urteil vom 26.06.1968 - III A 47/68 -, DVBl. 1968, S. 842 ff.,

nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das OVG NRW dort zur Benutzung öffentlicher Einrichtungen ausdrücklich ausgeführt:

„Weiterhin ist schließlich auch eine rein privatrechtliche Regelung von Leistungsverhältnissen möglich ist, wie z.B. bei Sparkassen und Theatern, wobei nicht nur die Anstaltsleistungen nach privatrechtlichen Grundsätzen gewährt werden, sondern die gesamte Anstaltsbenutzung privatrechtlich geregelt ist und die hoheitliche Zulassung fehlt." (Unterstreichung zur Hervorhebung)

Nach alledem war das Verfahren gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das nach § 71 Abs. 1 GVG, § 17 Abs. 1 ZPO zuständige Landgericht Duisburg zu verweisen. Eine Verweisung ist auch im Eilverfahren möglich.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 29.06.1993 - 5 B 1106/93 -, vom 07.07.1993 - 22 B 140993 -, NVwZ 1994, 178, und vom 30.06.2000 - 21 E 472/00 -.

Bei dieser Verweisung geht die Kammer im Rahmen der Anwendung des § 23 Nr. 1 GVG davon aus, dass der Wert des Streitgegenstandes bei Verfahren der vorliegenden Art im Hinblick auf das von dem Antragsteller angestrebte Dauerschuldverhältnis (Gedanke des § 17 Abs. 3 GKG) einen Betrag von 12.000,-- Euro (dreifacher Auffangstreitwert gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG) für das Hauptsacheverfahren (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG) bzw. die Hälfte davon für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz (§ 20 Abs. 3 GKG) erreicht.

Unabhängig von der Höhe des Streitwertes folgt das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz dem an das Landgericht Duisburg verwiesenen Hauptsacheverfahren gemäß § 937 Abs. 1 ZPO.